Naturschutz:Das Leben vergeht im Flug

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Mauersegler und andere Gebäudebrüter leiden unter Wohnungsnot, weil der Mensch zu viel saniert. Aber auch sommerliche Hitze kann vor allem bei Jungvögeln zum Tod führen

Von Heike A. Batzer, Olching

Ihr Leben vergeht im Flug. Mauersegler halten sich fast ausschließlich in der Luft auf, nicht einmal zum Schlafen müssen sich die Vögel eigens niederlassen. "Nur in der Luft zu brüten, das haben sie noch nicht geschafft", sagt Gerhard Wendl mit einem Schmunzeln über die Vögel, die bis zu 200 000 Kilometer im Jahr zurücklegen und im Sommer für drei Monate auch in den Landkreis zurückkehren. Wendl unterhält am Olchinger See eine Vogelauffangstation. Wer einen verletzten oder verlassenen Vogel findet und nicht weiß, wie er mit diesem umgehen soll, bringt ihn dorthin. 15 Mauersegler päppelt Wendl dort gerade auf - und entlässt sie, wenn sie fit genug sind, wieder in die Freiheit.

Zum Brüten suchen sich Mauersegler Quartiere in Hohlräumen unter Dächern oder hoch gelegenen Mauerlöchern, in undichten Jalousiekästen oder hinter Verkleidungen von Flachdachgebäuden. Überall dort also, wo nach Menschenmeinung Renovierungsbedarf besteht. Weil der Mensch diesem Drang allzu häufig nachgibt, verlieren Gebäudebrüter wie Mauersegler oder auch Spatzen ihre Brutstätten. Sie litten unter "Wohnungsnot", formuliert Wendl anschaulich. Denn Mauersegler und Spatzen sind zumeist heimliche Untermieter, weil sie kaum auffallen. Sanierungen während der Brutzeit gefährden die Vögel und ihre Brut, aber auch bei Baumaßnahmen außerhalb der Brutzeit werden viele Nistquartiere oft ungewollt und unwissentlich verschlossen und stehen den Mauerseglern, die gerne ihre Nisthöhlen aus dem Vorjahr wieder aufsuchen, dann nicht mehr zur Verfügung. Auch Neubauten würden wenig Unterschlupf bieten, sagt Simon Weigl, Artenschutzbeauftragter bei der Fürstenfeldbrucker Kreisgruppe des Landesbundes für Vogelschutz (LBV), denn aufgrund moderner, energetischer Bauweisen bleibe an den Häusern kein Platz, an dem Vögel brüten könnten.

Und tschüss! Einer der Mauersegler, die Gerhard Wendl aufgepäppelt hat,darf wieder davon fliegen. (Foto: Günther Reger)

Und so verschwinden die quirligen Gebäudebrüter aus den Städten. Auch den Haussperlingen - besser bekannt als Spatzen - geht es so. Deren Bestandsrückgang sei den meisten Menschen gar nicht bewusst, heißt es beim Landesbund für Vogelschutz (LBV). "Ein Beispiel, das besonders schmerzt, denn gerade von diesem Allerweltsvogel hätte vor 20 Jahren wohl noch niemand gedacht, dass er einmal zur Seltenheit in unseren Städten werden würde", sagt Sylvia Weber, Ansprechpartnerin für das Projekt Artenschutz an Gebäuden beim Münchner LBV. Um die 150 junge Spatzen habe er dieses Jahr schon bekommen, erzählt Gerhard Wendl. Wie die Mauersegler haben auch sie das Problem, dass sich ihre Kinderstuben im Sommer oft aufheizen und die jungen Nestlinge dann an die Öffnung drängen, wo es kühler ist. Dabei fallen manche aus dem Nest.

Als reine Insektenfresser macht Arten wie den Mauerseglern aber auch das Insektensterben zu schaffen. Seit 2016 sind die Flugkünstler auf der Roten Liste Bayerns als gefährdet eingestuft. Vor zwei Jahren hat die Brucker LBV-Kreisgruppe damit begonnen, die Brutplätze von Mauerseglern und anderen Gebäudebrütern systematisch zu erfassen. Hinweise darauf, wo Mauersegler brüten, seien deshalb nützlich, betont Gerhard Wendl. Mehr als 600 Brutplätze von Gebäudebrütern wurden dem aktuellen Mitgliedermagazin der LBV-Kreisgruppe Fürstenfeldbruck zufolge schon aufgenommen. Zu erkennen sind Mauersegler an ihren langen, sichelförmigen Flügeln und dem gegabelten Schwanz. Sie sind größer als Schwalben, werden dennoch öfter mit ihnen verwechselt. Ihr Gefieder ist bräunlich bis schwarz, Männchen und Weibchen sehen gleich aus.

Gerhard Wendl hat einige der jungen Mauersegler, die zu ihm gebracht wurden, schon wieder in die Lüfte entlassen. Die Vögel würden den Wunsch von selbst signalisieren, sagt er. Sie würden dann "permanent nach oben schauen" und auch nichts mehr fressen. Das Freilassen müsse "an der richtigen Stelle" passieren, ergänzt er noch, denn sie müssten die Möglichkeit zur Notlandung bekommen. Abgemähte Felder seien deshalb geeignet, bei schönem Wetter dürfen die Mauersegler dann in den Abendstunden davon fliegen. Dann sind sie wieder ganz in ihrem Element.

© SZ vom 30.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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