Nachhaltiges Bauen:Klimaneutrale Neubauten

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Trendsetter: Beim Richtfest im Juli lassen sich die Vorzüge des jüngsten städtischen Bauprojekts erahnen. Die zweite Feuerwache an der Flurstraße entsteht in Holzbauweise und wird mit einer PV-Anlage ausgestattet. (Foto: Leonhard Simon)

Die Kreisstadt will die Energiestandards verschärfen. Verbleibende Defizite dürften aber beispielsweise per Photovoltaik ausgeglichen werden. In puncto Nachhaltigkeit will die Kommune zudem mit gutem Beispiel vorangehen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Kreisstadt will den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid beim Heizen reduzieren und durch eine lange Nutzung ökologisch nachhaltig gebauter Häuser die in Altbauten "gespeicherte" graue Energie möglichst lange erhalten. Der Planungsausschuss hat dem Stadtrat am Mittwoch den Erlass strengerer Richtlinien für Neubauten empfohlen. Damit soll ein Beitrag geleistet werden zur Erfüllung der Selbstverpflichtung, bis 2035 rein rechnerisch klimaneutral zu werden. Auch künftig soll aber die Einzelfallprüfung mit Augenmaß sicherstellen, dass private und gewerbliche Bauherren durch den Klimaschutz nicht vor unlösbare finanzielle Probleme gestellt werden.

Auf Antrag von BBV und ÖDP wurde beschlossen, von künftigen Bauherren nicht nur, wie seit 2016, den Standard KfW 55 einzufordern, sondern mit Blick auf Strom und Wärme eine "bilanzielle Klimaneutralität". Wer auf Stadtgebiet bauen will, dem bleibt gleichwohl ein gewisser Spielraum. Er kann selbst entscheiden, ob er mehr in eine sehr gute Wärmedämmung investieren will oder mit Hilfe einer größeren Photovoltaikanlage auf dem Dach eine verbleibende Lücke schließt. Zudem soll der voraussichtliche Energieverbrauch eine Rolle spielen, wenn es um die Entscheidung geht, welche Gewerbebetriebe sich in der Kreisstadt ansiedeln dürfen. Eine mögliche CO₂-Neutralität wäre in der Matrix, die im Fall von Unternehmensanfragen als Grundlage für Entscheidungen dient, ein Pluspunkt. Die Stadt selbst soll darüber hinaus mit gutem Beispiel vorangehen und bei eigenen Bauprojekten die sogenannte graue Energie berücksichtigen, die bei der Errichtung von Häusern quasi investiert und im Bestand gespeichert wird, mit einem Abriss dann aber wieder verloren geht. Standard werden soll auch die Verwendung umweltfreundlicher und gesundheitlich unbedenklicher Baustoffe.

Den von Alexa Zierl (ÖDP), der Referentin für Klimaschutz und Energie, sowie Christian Götz (BBV), dem Referenten für Planen und Bauen, gemeinsam gestellten Antrag befürwortet die Stadtverwaltung ausdrücklich. Das machte Stadtbaurat Johannes Dachsel deutlich. Wohlwissend, dass die Stadt bei der Auslegung einen gewissen Spielraum hat, vor allem aber, dass auf Bundes- und EU-Ebene die Zeichen bereits sehr deutlich auf Klimaschutz gestellt sind: Ein Gesetzentwurf der Kommission der Europäischen Union sieht neben einem Sanierungszwang für Altbauten auch deutlich strengere Regeln für Neubauten vor. Denn im Alltag würden Häuser etwa 40 Prozent der gesamten Energie verbrauchen und seien für 36 Prozent des Treibhausgasausstoßes verantwortlich - weit mehr als der Verkehrssektor. Ziel des Entwurfs, der jüngst EU-Parlament und Ministerrat vorgelegt wurde, ist die Klimaneutralität von Neubauten von 2030 an. Tritt die öffentliche Hand als Bauherr auf, soll das bereits drei Jahre früher gelten. Bis 2050 soll der gesamte Bestand, also Altbauten ebenso wie Neubauten, klimaneutral sein. Mitgliedstaaten sollen sogar die Möglichkeit erhalten, bis dahin Öl- und Gasheizungen zu verbieten, um vor allem den Umstieg auf Wärmepumpen zu beschleunigen. Die Ziele der Stadt sind mindestens ebenso ehrgeizig. Hat sie sich doch auf Initiative von Umweltbeirat, Fridays for Future und mehrerer Stadträte im vergangenen Jahr feierlich dazu verpflichtet, spätestens 2035 unterm Strich klimaneutral zu sein.

Für Zierl sind die gefassten Beschlüsse lediglich die konsequente Fortsetzung des eingeschlagenen Weges. Sanften Druck hält sie auch deshalb für angemessen, weil es sich langfristig bei steigenden Energiekosten und CO₂-Abgaben ja auch rechnet, früh genug in Wärmedämmung und Energiesparen zu investieren. Sie empfiehlt zudem soweit wie möglich den Umstieg vom Klimakiller Beton auf Holz als nachwachsenden Baustoff - auch wenn Entsorgungsexperte Georg Stockinger (Freie Wähler) einwandte, dass dieses Material im Gegensatz zu Stein und Beton behandelt werden muss und nach dem späteren Abriss nicht einfach verbrannt werden darf. Verklebtes Dämmmaterial sei ebenfalls höchst problematisch. Sein Fazit: Ganz ohne Beton werde es auch künftig kaum gehen. Stockinger stimmte als einziger gegen alle Beschlussvorschläge. Vier Stadträte der CSU waren beim Punkt "Bilanzielle Klimaneutralität" auf seiner Seite, weil sie den Bürgern große finanzielle Belastungen nicht zumuten und bundespolitische Vorgaben sowie Förderprogramme abwarten wollen.

Einige Wünsche bleiben auf lange Sicht unerfüllt. So schlug Willi Dräxler (BBV) vor, bei städtischen Ausschreibungen nicht nur auf Klimabilanz, nachhaltige Baustoffe und Langlebigkeit zu achten, sondern auch auf möglichst lokale Lieferanten. Dem freilich steht laut Johannes Dachsel das Vergaberecht entgegen. Das günstigste Angebot erhält den EU-weit geltenden Richtlinien zufolge bis dato oft den Zuschlag, regionale Anbieter haben nicht selten das Nachsehen.

© SZ vom 20.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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