Musik:Poetischer Tieftöner

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Jazz-Bassist Renaud Garcia-Fons brillantes Konzert im Puc

Von Jörg Konrad, Puchheim

Nein, emanzipiert im klassischen Sinn hat Renaud Garcia-Fons den Kontrabass nicht. Da waren vor ihm schon einige andere am Werk, die den Tieftöner aus der knechtenden Begleiterrolle geholt haben. Aber der Franzose gibt dem sperrigen Instrument eine neue Note, hat ihm, wie nur ganz wenig andere, eine Solostimme entlockt, die Poesie und Exotik verströmt. Garcia-Fons bringt über sein Instrument andere Kulturen wenn schon nicht zum Blühen, so zum eindrucksvollen Klingen. Der Franzose schlägt Brücken zwischen Orient und Okzident, verlustiert sich im iberischen Flamenco, stiefelt groovend und temperamentvoll in Siebenmeilenstiefeln über den Balkan und taucht in die melancholische Chansonwelt des Pariser Montparnasse. Mit all diesen Raffinessen und befeuernden Überraschungen holte er auch im Puchheimer Kulturzentrum gemeinsam mit David Venitucci (Akkordeon) und Stephan Caracci (Schlagwerk und Vibraphon) den Bass aus seinem angestammten Klangkorsett heraus und machte ihn zum eloquenten Kommunikationsmittel.

Doch bevor Garcia-Fons sein Instrument zupfte, schüttelte, schlug, strich und streichelte stand wie gewohnt bei "Jazz around the world" eine Newcomerband auf der Bühne. Mittlerweile zum schon 44. Mal. Aber die Bluestrings eine Newcomerband? Jein. Das Unternehmen, die einzige Streicher-Bigband von Schülern zumindest im deutschsprachigen Raum, existiert seit 15 Jahren. Die einzelnen Mitspieler die zu Frank Wunderers Projekt stoßen, sind hingegen immer wieder neue junge Schüler der Kreismusikschule. Das Ensemble hat den Vortag mit dem Bassisten Renaud Garcia-Fons für einen Workshop nutzen dürfen. Und neben ihrem eigenen Programm, bestehend aus Jazzstandards und Eigenkompositionen haben die Bluestrings auch ihr Ergebnis präsentiert: Ein gemeinsames Stück mit dem französischen Meisterbassisten persönlich. Es wurde zu einem sinnfälligen Beispiel für das Miteinander von Generationen. Das Ergebnis wurde frenetisch gefeiert.

Dann, nach einer guten halben Stunde, gab es die Kulturen umspannenden Klangexpeditionen des Garcia-Fons-Trio. Neugierig wie die Kinder und zugleich unerschrocken erforschten die drei Solisten musikalische Hintergründe und folkloristische Hinterhöfe. Bei aller Verspieltheit bestachen sie in ihrem Programm "La Vie Devant Soi - Revoir Paris" mit Klarheit, mit deutlichen Strukturen und Transparenz. Manchmal griffen ihre virtuosen Eruptionen wie die Zahnräder einer gut geölten Maschinerie ineinander. Dann wieder begeisterten ihre rauschhaften Solos (allen voran die Garcia-Fons) und individuellen Hochbegabungen. Dabei strahlte ihr Miteinander immer Toleranz, Verständnis und Mitmenschlichkeit aus. Auch Ergriffenheit und Leidenschaft. Doch bei aller emotionalen Hingabe wirkte ihre Seightseeing-Tour durch Paris nie beliebig, oder klang gar nach larmoyanter Schwermut. Dafür hatte das Trio in sein Miteinander zu viele Fallstricke und überraschende Wendungen eingebaut.

David Venitucci zauberte aus seinem Akkordeon zudem eine ganze Welt von Tönen und Querverbindungen. Und Stephan Caracci, am Schlagwerk ein sensibler Raumkünstler, platzierte den Puls, gab der Musik die Zeit, in der sie sich bewegte, bewegen sollte. Sein Kontakt zu Garcia-Fons war eng, die Wechselbeziehungen intensiv. Zwischen ihnen gab es ein Atmen und Vibrieren - pausenlos. Nichts da, von wegen eitlem Virtuosentum. Hier war das Gemeinschaftliche angesagt und egal wonach der Bass bei Garcia-Fons auch klingen mag, ob nach Cello, Gitarre, Bratsche oder Oud, es war ein kleines Orchester, das die Bühne bespielte. Kurz: Brillant und hinreißend.

© SZ vom 28.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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