Mitten in Puchheim:Verstrickte Stadt

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Mittels Wolle sollen Laternen, Handläufe und der Bahnhof schöner werden. In Puchheim spricht man von Kunst im öffentlichen Raum

Von Florian J. Haamann

Manchmal dauert es eben ein bisschen länger, bis Trends auf dem Land ankommen, selbst in Zeiten höchster digitaler Vernetzung. Und so hat Puchheims Bürgermeister nun mitbekommen, dass es total im Trend liegt, Dinge in der Öffentlichkeit zu "bestricken", seien es Laternenpfähle, Zäune oder Poller. Erstmals gehört hat man in Deutschland 2010 vom sogenannten "Guerilla Knitting", im nahen München gab es 2011 die ersten Strickarbeiten im öffentlichen Raum. Jetzt will Puchheim auf diesen Zug aufspringen - und zwar vermittelt von ganz oben, vom Bürgermeister eben. Und Seidl hat auch schon einige Ideen, was die fleißigen Stricker so alles verschönern könnten: das Pärchen am Grünen Markt oder das graue Geländer der S-Bahn-Unterführung. Allerdings sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Wie wäre es also, mit einer großen Mütze für das Puc oder einer Vollverstrickung für die komplette Planie, die wahrlich nicht zu den architektonischen Schönheiten des Landkreises gehört.

Politisch ist die Aktion in Puchheim nicht, obwohl es da einige Vorbilder gibt. So haben Aktivistinnen 2010 mit der Einstrickung des Bauzauns gegen den Abriss des Nordflügels des Bahnhofs protestiert, in Dresden haben Künstler einen in Wolle eingehüllten Panzer vor dem Militärhistorischen Museum aufgebaut, immer wieder tauchen Guerilla-Knitting-Aktionen mit feministischer Botschaft auf. Und sogar in Olching hat man das politische Stricken für sich entdeckt. Bereits zwei Mal gab es dort in diesem Jahr eine Strickaktion und zwar, aufgemerkt, gegen Rassismus und für Solidarität - allerdings nur in Europa, wie es in der Einladung heißt. In Puchheim hält man sich von solcherlei Verstrickungen mit Politik, Rassismus, Feminismus und Solidarität fern. Dort stellt man die Aktion unter den offenbar immer weiter gefassten Begriff "Kunst im öffentlichen Raum". Bis Ende des Jahres soll nun gestrickt werden, danach ist Schluss - falls nicht vorher schon die komplette Stadt unter einem Wollmantel verschwunden ist.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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