Mitten in Mittelstetten:Verstaubter Ordnungssinn

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Mehr ungeordnet als geordnet erscheint das Archiv der Gemeinde Mittelstetten. (Foto: Christian Hufnagel)

Warum manche Gemeindearchive gar keine sind und mal vernünftig aufgeräumt gehörten.

Kolumne von Christian Hufnagel, Mittelstetten

Es gibt nicht wenige Menschen, die können sich von nichts trennen. Sie horten alles, was nur irgendeinen Erinnerungswert hat. Ihr Leben ist damit bestens dokumentiert. Auf übergeordneter Ebene ist es auch oftmals die Leidenschaft eines engagierten Ortschronisten, der ehrenamtlich dafür arbeitet, dass seine Heimat eine Vergangenheit hat und über diese auch jederzeit Auskunft geben kann. Aber die Abhängigkeit von der Zufälligkeit, ob sich ein geschichtsinteressierter Bürger findet, führt gerade in kleinen Kommunen, die natürlich niemanden dafür anstellen, zu etwas trostlosen Zuständen. Wie das Beispiel Mittelstetten offenbart. Dort hat sich laut Bürgermeister seit bald einem halben Jahrhundert niemand mehr um das Archiv und damit das ordnende und systematisierende Archivieren gekümmert.

Die 1700 Einwohner zählende Gemeinde ist keine unrühmliche Ausnahme. Sie steht eher beispielhaft für ein Versäumnis, welches der Kreisarchivpfleger für den westlichen Landkreis allenthalben ausmacht: "Die eigene Geschichte und Kultur zu pflegen, dafür fehlt das Bewusstsein", beklagt Stefan Pfannes. In seinen Wirkungskreis würde auch Mittelstetten gehören. Doch der hauptberufliche Geschäftsleiter der Gemeinde Egenhofen hat in den vergangenen Jahren keine freie (Frei-)Zeit gefunden. Er fordert denn auch zu Recht "mehr Personaleinsatz".

Das zugrundeliegende bayerische Archivgesetz wird hier nichts bewirken können: "Die Gemeinden, Landkreise und Bezirke und die sonstigen kommunalen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und ihre Vereinigungen regeln die Archivierung der bei ihnen erwachsenen Unterlagen in eigener Zuständigkeit." 1989 hat man zwar offensichtlich erkannt, dass es wichtig ist, kommunales Schriftgut für die Nachwelt zu erhalten und zugänglich zu machen, aber über die Notwendigkeit, diese "Zuständigkeit" auch umzusetzen, findet sich nichts.

Der Kommunalbeamte mag Hinweise genug erhalten, was sich lohnt, aufbewahrt zu werden: "Unterlagen sind vor allem Akten, Urkunden und andere Einzelschriftstücke, Karten, Pläne, Bild-, Film- und Tonmaterial und sonstige Datenträger sowie Dateien einschließlich der zu ihrer Auswertung erforderlichen Programme", werden da in Artikel 2 aufgeführt. Aber wenn keiner sich zum Archivieren berufen fühlt, dann passiert auch nichts. Wer kein Archiv führe, habe die Unterlagen "dem zuständigen staatlichen Archiv zur Übernahme anzubieten", heißt es im Gesetz. Mehr nicht.

Also ist eine solche Grundlage das, als was sie der Kreisarchivpfleger bezeichnet: "ein stumpfes Schwert". Es möge zwar eine Pflichtaufgabe sein, aber diese sei nicht "strafbewährt". Wer also den Nachlass seines Gemeinwesens stiefmütterlich behandelt, der muss keine Sanktionen befürchten. Pfannes sagt: "Es gibt keinen Druck." Erst ein solcher würde dem Bewusstsein für die Kulturpflege und dem Wert eines Archives vermutlich auf die Sprünge helfen.

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