Medizin:Der unerforschte Feind

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Die Schwellung am Oberschenkel von Bastian Schwarz stellt sich als seltene, bösartige Form eines Tumors heraus. Der 30-Jährige profitiert von einer neuen Therapie - und will nun selbst die Wissenschaft unterstützen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Bastian Schwarz ist sportlich und jung. Krebs war für ihn nie ein Thema. Ist doch viel zu früh, um sich über so was den Kopf zu zerbrechen. Dann aber trifft es den passionierten Fußballer, der noch nie in seinem Leben längere Zeit krank war, wie der Blitz aus dem buchstäblich heiteren Himmel. Diagnose: Weichteil-Sarkom im linken Oberschenkel. Eine sehr seltene und deshalb kaum erforschte Tumorvariante, die tödlich enden kann. "Mir hat es erst einmal den Boden unter den Füßen weggerissen." Ein halbes Jahr und eine Operation später scheint er über den Berg zu sein. Nun will Bastian Schwarz Spenden sammeln für die Forschung. Damit auch anderen in vergleichbarer Lage noch besser geholfen werden kann.

Den 4. Dezember 2020 wird Bastian Schwarz, der in Emmering aufgewachsen ist und nun in München wohnt, wohl nie mehr vergessen. Beim Fußballspielen war ihm zuvor diese mangogroße Schwellung aufgefallen, hinter der er zunächst einen Muskelfaserriss vermutet hatte. Der Arzt teilt dem Ingenieur dann aber die schockierende Diagnose mit: "Alveoläres Sarkom im Oberschenkel, bösartig." Wie bitte? Nie gehört! Kein Wunder, denn in einem ganzen Jahr erhalten bundesweit keine hundert Menschen eine solche Diagnose. Schwarz lernt, dass ein Sarkom eine Unterart eines Tumors ist, das von Zellen des Weichgewebes oder des Knochens ausgehen und überall im Körper auftreten kann, so auch im Binde- oder Fettgewebe, in den Muskeln, Nerven, Blutgefäßen, Knorpeln oder in den Knochen. Nur jede hundertste Krebserkrankung ist ein Sarkom. Und wiederum nur bei jedem hundertsten Sarkom handelt es sich um ein "alveoläres Weichteilsarkom", wie es bei Bastian Schwarz diagnostiziert wird. "Vererbt worden ist es nicht, soviel ist schon mal klar. Einfach Pech gehabt", sagen die Ärzte.

In ganz Deutschland gibt es nur ganz wenige Kliniken, die sich mit der Behandlung auskennen. Zwei davon sind in München: Rechts der Isar und Großhadern. Die größte befindet sich in Essen. Dort arbeitet der renommierte Sarkomforscher Sebastian Bauer, von dem sich Schwarz die Therapiemöglichkeiten erläutern lässt. Zudem kann er kurz mit dem Wissenschaftler Uğur Şahin sprechen, dessen Firma Biontech auch an Impfstoffen gegen Krebs arbeitet. Am 7. Dezember, einen Tag nach seinem 30. Geburtstag, wird Schwarz operiert: An der Vorderseite des linken Oberschenkels wird ein Teil des Quadriceps, auch "Unterschenkelstrecker" genannt, entfernt. Auf eine Chemotherapie kann verzichtet werden. Stattdessen folgt eine Bestrahlung, die seit März in Großhadern durch eine neuartige, auf zwei Jahre ausgelegte Immuntherapie ergänzt wird. Medizinisches Neuland. Bastian Schwarz hat Glück im Unglück: Seine Krankenversicherung übernimmt die Kosten von mehreren Tausend Euro im Monat.

Er ist noch krankgeschrieben, aber ein "normaler Alltag" scheint bereits in greifbarer Nähe. "Es geht zunehmend besser." Noch hat er viele Arzttermine. Und noch kann er das linke Bein nicht richtig abwinkeln. Aber die Therapie schlägt an, es gibt kaum Nebenwirkungen. Irgendwann wird er hoffentlich wieder für die Eichenauer Hobbykickertruppe "Wadlbeißa FFB" auflaufen und ohne Probleme aufs Motorrad steigen können. An der Beinpresse gehen schon wieder fünf Kilo - die anderen Oberschenkelmuskeln müssen trainiert werden, um die Aufgaben des Quadriceps miterledigen zu können. Das große Fernziel, das sich Schwarz gesetzt hat, ist eine Skitour, vielleicht schon im Dezember.

Fahrradfahren geht heute schon ganz gut. Und deshalb will Bastian Schwarz sich selbst und gleichzeitig anderen Betroffenen helfen: Bei einem der Besuche im Universitätsklinikum Essen, in dem etwa 400 Sarkompatienten jährlich behandelt werden, ist er auf die Sache mit den Benefizradtouren aufmerksam geworden. Der Sarkom-Forschung in Deutschland fehlt es an allen Ecken und Enden an Geld. Und deshalb hat sich der 30-Jährige, der bis zum Alter von 19 Jahren in Emmering gelebt hat und noch viele Freunde aus der Zeit in der Brucker Realschule und der Fachoberschule hat, entschlossen, selbst einen Beitrag zu leisten. Gemeinsam mit 15 bis 20 Freunden wird er also zu seiner ersten längeren Radtour aufbrechen - und Sponsoren suchen, die entweder pro gefahrenem Kilometer und Teilnehmer oder auch einen festen Betrag spenden. Das Geld soll komplett an die Klinik in Essen weitergereicht werden und helfen, Erkrankten einen frühzeitigen Zugang zu neuen Therapien zu ermöglichen. Das Projekt ist für Bastian Schwarz auch ein Zeichen, dass er selbst sich nicht unterkriegen lässt: "Ich bin ein grundsätzlich positiver Mensch."

© SZ vom 10.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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