Fürstenfeldbruck:Schüler treffen Nobelpreisträger

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Medizin-Nobelpreisträger Mario Capecchi (Zweiter von rechts) bei seinem Besuch in Fürstenfeldbruck. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Mario Capecchi hält einen Vortrag bei der Kester-Haeusler-Stiftung in Fürstenfeldbruck. Teile seiner Familie hatten eine Zeit lang in der Stadt gelebt.

Von Davide De Luca, Fürstenfeldbruck

Für den Nobelpreisträger und Genetiker Mario Capecchi war die Wissenschaft schon immer eine Spielwiese. Bis heute hat sich der 85 Jahre alte Wissenschaftler eine gesunde Naivität bewahrt. Diese sei der Grund, warum er sich immer wieder aufs Neue in interessante Projekte stürzen konnte, sagt er. Anlässlich des jährlichen Nobelpreisträgertreffens in Lindau war Capecchi in Deutschland. Bei dieser Gelegenheit besuchte er auch die Haeusler-Villa in der Dachauer Straße in Fürstenfeldbruck, denn als sein Großvater, der mit Generalmajor Casper Haeusler (dem Vater der Stifterinnen) befreundet war, im ersten Weltkrieg starb, lebte seine Großmutter mit ihren beiden Kindern - der Mutter und dem Onkel des Forschers - in dem Anwesen.

Dabei sah es zunächst für Capecchi nicht nach einer glänzenden Karriere in der Wissenschaft aus, denn seine Kindheit war alles andere als leicht. Im Alter von fünf Jahren wurde er von seiner Mutter getrennt, weil diese während des Zweiten Weltkriegs von deutschen Beamten verhaftet wurde. Er musste sich daraufhin zum Teil auf den Straßen Norditaliens durchschlagen. Nachdem Capecchis Mutter nach dem Krieg aus der Haft entlassen worden war, fand sie unter glücklichen Umständen den Jungen im Alter von neun Jahren wieder. Sie zogen daraufhin in die Vereinigten Staaten von Amerika nach Pennsylvania.

Capecchi studierte Chemie und Physik in Ohio. An der Harvard University wurde er in Biophysik promoviert und später dort Professor. 2007 gipfelte seine Karriere als Wissenschaftler im größten Preis, der in der Wissenschaft zu erhalten ist: Zusammen mit Martin Evans und Oliver Smithies erhielt er den Nobelpreis in den Fächern Medizin oder Physiologie auf dem Gebiet der Gentechnik für die Forschung an der Knockout-Maus. Hierbei wurden gezielt ein oder mehrere Gene bei Mäusen deaktiviert, wodurch sich Rückschlüsse auf die Funktion dieser Gene ergaben. Dadurch lässt sich inzwischen herausfinden, ob bei menschlichen Erkrankungen eine genetische Ursache besteht.

Bei seinem Besuch in Fürstenfeldbruck trug sich der Wissenschaftler in das Goldene Buch der Stadt ein und traf unter anderen den stellvertretenden Bürgermeister Christian Stangl. Zudem sah er sich die Bilder seiner Großmutter an, die eine bekannte Künstlerin war und einige ihrer Bilder in der Haeusler-Villa ausstellte. Capecchi nahm sich auch die Zeit, um mit den Besucherinnen und Besuchern in Kontakt zu treten, die die Kestler-Haeusler-Stiftung eingeladen hatte. In einer "Speed-Date"-Runde durften Schülerinnen und Schüler des Viscardi- und des Graf-Rasso-Gymnasiums Fragen an Professor Capecchi stellen. Für sie eine ganz besondere Chance, denn weil die Haeusler-Villa nicht unbegrenzt Plätze hatte, durfte jeweils nur eine Handvoll Schüler dabei sein. Eine Schülerin wollte wissen, welche Forschung Capecchi aktuell am spannendsten fände. Die spannendste Forschung sei immer die aktuelle, antwortete Capecchi. Das sei aber auch gut so, denn das Gehirn des Menschen liebe Herausforderungen, dadurch bleibe es gelenkig. Capecchi erzählt, wie es auch manchmal unkonventionelle Lösungen benötige, um das zu erreichen, was man wolle. So habe er die Forschung, die letztlich zum Nobelpreis führte, zunächst aus Geldern finanziert, die für ein anderes Projekt bestimmt waren. Denn die Geldgeber waren der Meinung, das, was Capecchi beweisen wollte, sei unmöglich. "Doch wir haben ihnen das Gegenteil bewiesen." In der Wissenschaft solle man niemals nie sagen, so Capecchi.

Auch nach der Fragerunde war die Wissbegierde der Schülerinnen und Schüler noch nicht gestillt. Sie folgten Capecchi auf die Terrasse und stellten weitere Fragen. Für den Wissenschaftler ein schöner Moment, bei jeder spannenden Frage blitzen seine Augen auf. Er ist der Meinung: "Es gibt weniges, das mich so sehr inspiriert wie die Fragen von Studenten und Schülern. Sie sind die Zukunft, auf sie müssen wir hören."

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