Medizinische Hilfe:Überlebenshilfe für kleine Patienten

Lesezeit: 3 min

Hilfe für Krankenhausbau und Nothilfe in Ghana e.V. ist ein Projekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Gesundheitsversorgung in dem westafrikanischen Staat zu verbessern und Menschen in Notlagen zu helfen. (Foto: Eva Müller/Yasmine u. Michael Krause)

In der Ghanas Hauptstadt Accra errichtet ein gemeinnütziger Verein ein Krankenhaus. Warum eine Krankenschwester und eine Kinderärztin aus Mammendorf Urlaub nehmen, um dabei zu helfen.

Von Manon Harenberg, Mammendorf

Jeden Morgen führt der Fußmarsch Eva Müller, 51, über die unbefestigten und schlammigen Straßen eines Vorortes von Accra - es sei Regenzeit in Ghana, berichtet die Krankenschwester. Auf ihrem Arbeitsweg passiere sie Wellblechhütten und begegne Fischverkäufern und Näherinnen am Straßenrand. "Hier passen vier bis fünf Leute auf ein Motorrad", sagt die Mammendorferin. Dann ist Müller da, bei ihrer Arbeitsstelle für zwei Wochen: Eine Großbaustelle, die laut dem Verein "Hilfe für Krankenhausbau und Nothilfe in Ghana" zu einem Muster-Krankenhaus Ghanas werden soll - mit einem einzigartigen Konzept.

"Es geht voran, aber es ist noch viel zu tun", sagt Müller. Mit ihrer Freundin Nina Schwaibl ist die Intensivschwester Mitte April in das westafrikanische Land geflogen, um das Krankenhaus des gemeinnützigen, in Dortmund ansässigen Vereins voran zu treiben. 16 Ehrenamtliche sind bei dem humanitären Einsatz dabei, vom Kinderarzt bis zum Handwerker wird jeder Unterstützer benötigt.

Der Arzt Samuel Okae hat das humanitäre Projekt im Jahr 2016 ins Leben gerufen. Er wurde in Ghana geboren, ist Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie in Dortmund und möchte der hohen Kindersterblichkeit in seinem Heimatland entgegenwirken. Über ihn und sein Projekt hat auch der Spiegel berichtet.

Die Helferinnen und Helfer haben zwei Wochen Urlaub genommen. Flug, Unterkunft und Impfungen bezahlten sie aus eigener Tasche, sagt Müller. "Wir engagieren uns in diesem Projekt, weil hier jede Spende zu hundert Prozent in das Krankenhaus fließt."

Eva Müller, Intensivschwester aus Mammendorf (rechts), und Kinderärztin Nina Schwaibl helfen beim Projekt des Arztes Samuel Okae. (Foto: Eva Müller)

Jeder Cent zähle, das Projekt sei in den vergangenen Jahren ins Stocken geraten. Manchmal fehlten Arbeiter, manchmal fehle das Geld für den nächsten Schritt. Die dringend benötigten Spenden blieben lange Zeit aus, da sich die finanzielle Unterstützung der Menschen auf die Folgen des Ukraine-Krieges und der Überschwemmung des Ahrtals konzentriert hätten.

Nun trudeln die ersten Spenden wieder ein. "Gerade kam ein Container voller Sachspenden an", sagt Müller. Das Pflegematerial gelte es nun einzusortieren. Es seien bereits Fenster eingebaut, Fliesen gelegt und Decken gestrichen worden. 130 Krankenbetten soll die Klinik bekommen. Der Fokus liegt auf der Notaufnahme, sie soll so schnell wie möglich öffnen können. Betten, Inkubatoren und mobile Röntgengeräte stehen schon bereit. "Die Ambulanz ist noch etwas staubig, aber bis auf Feinheiten sind die Räume ausgestattet", sagt Müller.

Betten, Inkubatoren und mobile Röntgengeräte stehen schon bereit. (Foto: Eva Müller/Yasmine u. Michael Krause)

Dass die Notaufnahme bald öffnet, hat für den Arzt oberste Priorität, denn die Gesundheitsversorgung in Ghana sei katastrophal. Aktuell liege die Kindersterblichkeit 15mal höher als die in Deutschland, heißt es auf der Homepage des Vereins. Viele Frauen sterben bei der Geburt.

Infektionskrankheiten, vor allem Malaria, forderten viele Opfer. Vor allem Kinder unter fünf Jahren sterben an Erkrankungen, die sich bei ausreichender medizinscher Versorgung verhindern ließen. Doch es fehle an vielem: Medizinische Geräte seien knapp, ebenso Medikamente und Fachpersonal. Die Wege zum nächsten Arzt oder gar einem Krankenhaus seien teils einige hundert Kilometer weit.

Vor Ort müssten die Patienten häufig den ganzen Tag mit vielen weiteren Menschen warten, um endlich behandelt zu werden - selbst dann, wenn sie unter starken Schmerzen leiden. Währenddessen säßen oder lägen sie meist auf dem Boden. Eine Krankenversicherung besitze nur ein Teil der Ghanaer, damit sei eine medizinische Versorgung ein Luxusgut.

Mit Lastwagen kommen die Hilfsgüter an der Baustelle an. (Foto: Eva Müller)

Deshalb sollen alle Kinder unter fünf Jahren in dem neuen Krankenhaus kostenlos behandelt werden - keines soll abgewiesen werden, das betont Okae besonders. Ein sogenanntes "Solidaritätsmedizin-Modell" soll das finanzieren.

Denn die Schere zwischen Arm und Reich ist dem Verein zufolge groß. Während sich viele Ghanaer eine Behandlung nicht leisten können, fliegen einige für Operationen ins Ausland. Genau diese Patienten möchte Okae mit seinem Krankenhaus im Land halten. "Für sie wird es 20 First-Class-Zimmer geben", sagt Müller.

Mit den Einnahmen der versicherten und zahlungsfähigen Patienten soll der Krankenhausbetrieb finanziert werden. Durch das Projekt sollen zudem Arme und Reiche zusammengeführt werden und kein Kind mehr abgewiesen werden müssen. Eines Tages soll sich die Klinik mit dem Konzept selber tragen können, ohne auf Spenden angewiesen zu sein.

Nina Schwaibl, Kinderärztin aus Mammendorf. (Foto: privat)
Eva Müller, Intensivschwester aus Mammendorf. (Foto: privat)

Gleichzeitig ist Okaes Ziel, ausgebildete Ärzte in Ghana zu halten. Denn obwohl dringend Ärzte benötigt werden, verlässt jeder zweite nach der Ausbildung das Land nach Europa oder die USA. Durch hochklassische medizinische Ausstattung sollen 100 Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger gute Arbeitsbedingungen finden.

Obwohl noch nicht abgeschlossen, hat der Krankenhausbau schon viele Menschen in das Viertel von Accras Vorstadt gelockt. Eine Klinik in der Nachbarschaft bedeutet in Ghana viele Vorteile. Ein Krankenhaus gibt die Chance auf zuverlässigen Strom. Es bedeutet auch, nicht stundenlang auf staubigen und holprigen Straßen unterwegs sein zu müssen, um den nächsten Arzt zu erreichen.

"Die Arbeit hier vor Ort hat mich geerdet, dass der Luxus, den wir in Deutschland haben, nicht selbstverständlich ist", sagt Müller. Bis Ende April wird der Einsatz noch gehen. Dann wird sie einige Tage an die Küste reisen, um noch etwas vom Land zu sehen - quasi Urlaub vom Urlaub.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSpendensammlung
:Junge Mutter hofft auf innovative MS-Therapie

Simone Schramm leidet an Multipler Sklerose. Eine Behandlung mit Stammzellen könnte ihr helfen. Die wird von den Krankenkassen aber nicht bezahlt. Deshalb sammelt die Frau aus Fürstenfeldbruck Spenden.

Von Ingrid Hügenell

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: