Kunst:Vor dem Verblassen gerettet

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Spektakel aus dem 19. Jahrhundert: Das Wandbild zeigt den Brucker Wagnermeister Mathias Schäffler, wie er ein Rad nach Augsburg rollt. (Foto: Günther Reger)

Ein historisches Wandgemälde an der Hauptstraße in Bruck ist restauriert worden und erstrahlt nun in neuem Glanz. Das Bild erinnert an die Wette eines Wagnermeisters, der 1822 ein Rad bis nach Augsburg rollte

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Der Brucker Wagnermeister Mathias Schäffler rollte anno 1822 ein Wagenrad nach Augsburg. Das ist immerhin eine Strecke von mehr als 40 Kilometern. Etwa zehn Stunden soll der Mann dafür gebraucht haben. Eine solche Strecke zu Fuß zurückzulegen, war im Postkutschenzeitalter durchaus normal, aber mit dem schweren Rad doch so beachtlich, dass Schäffler damit eine Wette gewann, und seine Tat auf einem Wandbild verewigt wurde. Es hängt an dem Gebäude in der Hauptstraße nahe der Amper, wo einst das Gasthaus "Zur Sonne" war und heute das Kebab-Haus untergebracht ist. Klaus Heinsius, Jahrgang 1940, hat schon als Schüler vor dem Haus gestanden und das Schild bewundert. Vor drei Jahren stellte er fest, dass es völlig verblasst war und drängte auf eine Restaurierung. "Das Wandgemälde gehört einfach zum Stadtbild", sagt er. Vor zwei Jahren sei das Gebäude renoviert worden, nicht aber das Schild. Er setzte sich deshalb mit dem Eigentümer in München in Verbindung und konnte diesen überzeugen. Der Schöngeisinger Christian Götz hat daraufhin das Gemälde restauriert, was einige Wochen dauerte. Nur Schemen und Umrisse waren noch zu erkennen, dazu fand Heinsius ein Foto vom Originalzustand in der Sammlung Sigi Späth im Archiv in Mammendorf.

Heinsius berichtet, dass das Schild vorher schon mindestens zweimal restauriert worden ist, einmal vom Sonnenwirt um 1949. Es ist etwa drei Quadratmeter groß und auf Aluminium gemalt. Wann das allererste Gemälde aufgehängt wurde und von wem, ist unbekannt. Das Bild zeigt eine malerische, leicht gewellte Landschaft mit etlichen Personen, gekleidet im Stil der Biedermeierzeit. Im Mittelpunkt ist der Wagnermeister zu sehen, der im Laufschritt das Rad vor sich her rollt. Glaubt man der Inschrift, hatte er am 17. Juni 1822 bei Sonnenaufgang das für ein Wagenrad notwendige Holz im nahen Wald geschlagen, anschließend das Rad bis zum Beschlagen hergerichtet und "noch am nämlichen Tag" nach Augsburg gerollt, wo er es um 18.38 Uhr in der Wagnerherberge ablieferte. Die dort versammelten Meister akzeptierten es als "völlig kunstgemäß verfertigt". Heinsius fand heraus, dass der Wagner Mathias Schäffler seinerzeit in der Kirchstraße 15 wohnte.

Die Wette entspringt einer Tradition, die Heinsius bis zum Jahr 1562 zurückverfolgen konnte. Damals wettete in Villingen ein Geselle mit seinem Meister, dass er an einem Tag ein großes Wagenrad herstellen, nach Rottweil rollen, dort den Gegenwert des Rades im Wirtshaus verzehren und das Stück wieder zurückbringen könnte. Der Geselle gewann die Wette und durfte die Tochter des Meisters heiraten. Der Radmacherbrunnen in Villingen erinnert bis heute an die Tat. Ähnliche Überlieferungen existierten in Neustadt in Sachsen sowie im nahen Dasing, erzählt Heinsius, der von der Brucker Wette als Schüler gehört hatte.

© SZ vom 30.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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