Kunst:Ein Auge für den Tod

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Dem Reden und Sterben von Luther sind die Ausstellungstafeln im Gemeindezentrum gewidmet. (Foto: Johannes Simon)

Puchheims siebte Ausstellung zur Vergänglichkeit - dieses Mal auf Luthers Spuren

Von Ekaterina Kel, Puchheim

Kultur kreist immer um das Sterben, sie ist überhaupt nur dazu da, um den Tod zu überwinden. Zumindest, laut Jan Assmann, einem der wichtigsten Kulturwissenschaftler unserer Zeit. Man braucht aber noch lange kein international renommierter Wissenschaftler zu sein, um den Tod und das Sterben ins Zentrum des Lebens zu holen. Die Mexikaner haben diese Praxis perfektioniert, bis hin zu schokoladenglasierten Totenschädeln mit roten Schleifen rund um Allerheiligen Anfang November.

Die Puchheimer können mittlerweile dank Wolfgang Wuschig ebenfalls eine Kultur des Gedenkens an den Tod etablieren. Denn schon zum siebten Mal lässt Wuschig, Stadtratsmitglied der Unabhängigen Bürger Puchheim (UBP), Rentner, Hobby-Astronom und überzeugter Protestant, die Bürger an seinem zweiten ungewöhnlichen Hobby teilhaben: der Sepulkralkultur. Alles rund um den Tod, die Bestattung, das Sterben und das Trauern ist Gegenstand von Wuschigs Interesse. Auf Wunsch von Pfarrer Markus Ambrosy widmete er die aktuellen Ausstellungen im Eingangsbereich des Gemeindezentrums der evangelischen Auferstehungskirche Luthers Einfluss auf die deutsche Sprache, aber auch seiner Beschäftigung mit dem Tod. Dieser habe nämlich keine Angst vor dem Sterben gehabt.

Schon "im Leben sollte man sich in Todesgedanken üben", schreibt Luther. Ein Satz, den Wuschig bei seiner Recherche in dem "Sermon von der Bereitung zum Sterben" des Reformators Martin Luther aus dem Jahr 1519 gefunden hat und durch den sich der 68-Jährige in seinem Interesse für den Tod weiter bestärkt fühlt.

Gemeinsam mit seiner Frau reiste er vor nun 17 Jahren ins Kasseler Museum für Sepulkralkultur, bei seiner Eröffnung 1992 dem einzigen seiner Art. Danach fing er an, Todesanzeigen zu sammeln. Mittlerweile ist es eine regelrechte Leidenschaft geworden. Ein besonders schönes Zitat aus der Bibel, in einer fremden Sprache oder "von hellen Köpfen" reizt sein Sammlerauge. Mit seinem Interesse ist Wuschig im Landkreis nicht allein. "Mich hat mal einer aus Gröbenzell angerufen", erzählt er, "der wollte mir seine Sammlung vermachen". Aber die meisten verdrängten lieber oder, darunter auch seine Frau, hätten wenig Verständnis für seine Faszination für den Tod.

Ein Romantiker? Nein, er sei Realist, sagt Wuschig entschieden. Das Sterben, "tja, das gehört halt dazu". Zombies finde er "gruselig". Und Todessehnsucht? "Ne, ne, so nicht!" Wuschig will noch lange leben, es sei noch so viel unerledigt. "Ich möchte es bloß nicht verdrängen. Wer lebt - der stirbt."

Die Ausstellungen "Sterben und Tod in der Reformation" und "Luthers Redewendungen" im Gemeindezentrum der evangelischen Auferstehungskirche sind bis Sonntag, 26. November, zu sehen. Die Räume sind montags bis freitags von 9 bis 20 Uhr, samstags von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 10 bis 12 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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