Es ist nachts, als Anna Grebner mit einer Schaufel im Gepäck etwas aus dem Hof des Klosters mitnimmt, das wahrscheinlich niemand vermissen wird. Nun hängt es an der großen weißen Wand im Haus 10, zweckentfremdet und nicht wiederzuerkennen. Für Besucher zu bestaunen und interpretieren. Grebner ist Künstlerin. Gemeinsam mit drei weiteren Diplomanten der Kunstakademie, München Félix Klajnerman, Martin Lehmer und Asuka Miyahara, zeigt sie vom 2. bis zum 17. September ihre Arbeiten in der Ausstellung "Incarnate" der Kunstwerkstatt.
Die 33-Jährige fasziniert sich dafür, ihre Umgebung in ihre Kunst mit einzubringen. Eines ihrer Kunstwerke zeigt ineinander verwobene, nebelartige Figuren in dunkelbraun. Passend zum Thema "Incarnate", was soviel wie "fleischgeworden" oder "in menschlicher Gestalt" bedeutet, befassen sich ihre Bilder mit Körperlichkeit. Grebner hat die dunkelbraune Farbe des Gemäldes selbst zusammengemischt. Ihr Werk trägt Spuren des Erdbodens des Klosterhofes. "Ich bin nachts hier draußen gewesen und habe mit der Schaufel Erde geholt", sagt sie und lacht. Wie in der altmeisterlichen Malerei üblich, verarbeitete sie die Erde zu Pigmenten. Für die studierte Künstlerin sei Farbe mehr als nur ein Medium. Sie könne zur Speicherung von Momenten und Interaktionen von bestimmten Orten werden. Ihr Bild verleibt sich die Umwelt ein, in der es ausgestellt wird.
Der Raum beeinflusst die Entwicklung des Ichs
Eines ihrer Kunstwerke auf Laken hängt mitten im Raum von der Decke. Es zeigt abstrahierte Körperlichkeit in Magenta-rot. Nicht nur die Pinselführung, sondern auch die Stofflichkeit macht das Werk dynamisch. Wenn man daran vorbei geht, schwingt das leichte Laken mit. Der Ort an dem Grebners Kunst aufgehängt ist, sei für sie ebenso aussagekräftig, wie das Werk an sich. Es zeigt ihre persönliche Entwicklung. "Der Raum, in dem ich mich bewege, ist auch sehr wichtig für die Entwicklung des eigenen Ichs."
Auch die Entscheidung, ihre und die Werke von Martin Lehmer im gleichen Zimmer auszustellen, wurde bewusst getroffen. Da die Arbeiten der beiden einen Fokus auf die Relation zwischen Körper und Raum setzten, gehe die Kunst gut zusammen. Zwischen Anna Grebners Malerein stehen drei Körperhälften-Skulpturen aus Holz auf Galeriesockeln. Martin Lehmer ist studierter Holzbildhauer. Durch die Zergliederung seiner Skulpturen und ihre Positionierung, machen sie den Raum zu einer gleichberechtigten Form. Je nachdem, wie man sich im Raum bewegt, verändern sich die Binnenformen. Es ergeben sich unterschiedliche Konstellation und Abstufungen, die der Betrachter als integrativer Bestandteil der Kunst beeinflussen kann.
Über die Dialektik von Innen und Außen
"Meine Gedanken zu Körpern und Körperlichkeit haben sich über Jahre gezogen", sagt Lehmer. Das Bild vom ganzen Körper habe seiner Fragestellung über die Dialektik von Innen und Außen irgendwann nicht mehr genügt. Da habe er gespürt, dass etwas passieren muss. Also trennte er die Körper auf. Um die Dinge für sich selbst klarer zu machen, transportiere er seine Kunst über mehrere Medien. So stellt er in Haus 10 neben Skulpturen aus Holz und Bronze auch Siebdruck-Kunstdrucke und Leuchtkästen aus Digitaldrucktechnik auf hinterleuchtetem Plexiglas aus.
Farbe allein genügt
Wenn man die Ausstellung durchquert, trifft man im hinteren Raum auf Leinwände, deren reduzierte Gestaltung fast banal erscheint. An der Wand hängen Gruppen von Bildern, die monochrom in jeweils nur einer Farbe bemalt sind. Ohne Titel. Manche in rundem Format, andere in rechteckigem. Félix Klajnermans Bildsprache dreht sich um einen sinnlichen Minimalismus. Seine Werke sollen mal etwas anderes sein, ein Experiment. Ähnlich wie Anna Grebner ist die Reduktion seiner Kunst ein Ausdruck persönlicher Entwicklung. Der 27-Jährige ist ein multidisziplinärer Künstler, der neben der Malerei auch Gesang und Tanz lernt. In seinen Werken möchte er Musikalität in Farbe umsetzen. Diese Werke seien seine Art zu lernen, dass es oft nicht tausend Sachen braucht. "Ich persönlich habe größtes Vergnügen, wenn ich aus wenig viel machen kann", sagt er mit einem Schmunzeln und blickt verträumt auf die dunkelgrüne Leinwand. Ebenfalls grün und abstrakt sind die Bilder der vierten Künstlerin Asuka Miyahara. Ihre Motive sind der Versuch, die Form und Struktur von Pflanzen auf Papier zu übertragen und dabei dem Betrachter den Transformationsprozess zwischen Materie und Farbe näher zu bringen.
Zur Eröffnung der Ausstellung am Freitag, 1. September, von 19.30 Uhr an, können die Besucher zur Einführung mit den Künstlern über ihre Arbeiten sprechen. Die Ausstellung ist anschließend bis zum 17. September zu sehen, jeweils freitags von 16 bis 18 Uhr und samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr.