Konzert:Bach im Ebenmaß

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Messe in h-Moll wird in Fürstenfeld zum Klangerlebnis

Von KLAUS MOHR, Fürstenfeldbruck

Johann Sebastian Bachs Messe in h-Moll ist sein letztes großes Vokalwerk und die einzige Messe, in der der Komponist alle Ordinariumsteile, also Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei vertont hat. Der Respekt vor diesem Werk war zu allen Zeiten riesig. Dirigenten, die sich eine Aufführung dieser Messe vorgenommen haben, waren sich stets bewusst, dass sie sich auch musikalisch im höchsten Grad beweisen mussten. Gleichwohl gehört die Messe in h-Moll zum Repertoire jedes hoch ambitionierten Chores, wenngleich sie vielen Laienchören allein aufgrund ihrer Komplexität verschlossen bleibt. Am Samstag machte der aus etwa einhundert Sängern bestehende "Chorus of Westerly" aus dem Bundesstaat Rhode Island in den USA auf seiner Deutschland-Tournee mit diesem Bach-Werk in der Fürstenfelder Klosterkirche vor einer erfreulichen Zuhörerschaft Station. Von den vier Aufführungen war bei den ersten drei in Magdeburg, Leipzig und Jena das Barockorchester "musica laetitia" aus Leipzig der musikalische Partner, beim letzten Konzert in Fürstenfeld die "Süddeutsche Kammerphilharmonie". Unter der Leitung von Andrew Howell waren auch die Solisten Sarah Brailey und Margot Rood (Sopran), Emily Marvosh (Alt), Dann Coakwell (Tenor) und Paul Max Tipton (Bass) zu hören.

In der Aufführung trafen unterschiedliche Partner mit differierenden Traditionen und klanglichen Schwerpunktsetzungen aufeinander. Das machte für das Publikum einen gewissen Reiz aus, weil die interpretatorischen Maximen zwischen Chor und Orchester erkennbar unterschiedlich waren und eine Wiedergabe aus einem Guss nicht erwartet werden konnte. Auch wenn das Orchester nicht mit historischen Instrumenten spielte, war doch an vielen Stellen an Phrasierung und Tongebung zu erkennen, dass eine historisch informierte Spielweise leitend war. Die Klangvorstellung des Chores dürfte sich aus seiner Geschichte herleiten, in der der Choralgesang mit einem sehr gut ausgeglichenen Stimmideal von großer Bedeutung sein dürfte. Jedenfalls setzte der Dirigent Andrew Howell mit großflächigen Bewegungen, bei denen er die Einsätze dennoch sehr exakt gab, auf die Formung großer Bögen und übergeordneter Zusammenhänge. Damit entstand ein Klang ohne Ecken und Kanten, wohlgeformt und absolut kontrolliert. Dazu zählte auch, dass die Tempi der Faktur der jeweiligen Sätze gut angepasst waren.

Die homophon gesetzten Teile, zum Beispiel am Beginn des Kyrie, erhielten einen robusten und kräftig zupackenden, gleichzeitig aber auch weich intonierten, bisweilen samtenen Klang. In den polyphonen Abschnitten wurden Klarheit und Durchhörbarkeit wesentlich stärker vom Orchester als vom Chor vermittelt, was auch an der schwierigen Akustik der Klosterkirche mit ihrer langen Nachhallzeit gelegen haben mag. So waren die Fugeneinsätze im Kyrie etwas versteckt, wodurch der Schönklang in Chor und Orchester über die Struktur dominierte. Die Solisten waren auch Teil des Chores und traten nur für ihre Partien aus diesem heraus. Ihre Stimmen harmonierten gut miteinander und bildeten so ein stimmiges Gegengewicht zum Chor. Sehr innig und in der Balance ausgearbeitet gelang beispielsweise der Abschnitt "Et incarnatus". Als Einzelstimme beeindruckte der Tenor Dann Coakwell im Benedictus am stärksten. Das "Domine Deus" überzeugte im Zusammenklang von Sopran und Tenor, die die Artikulation der Soloflöte schön aufnahmen und in ihren Partien klangvoll weiterspannen.

Diese Aufführung der Messe in h-Moll des protestantischen Komponisten Bach in einer katholischen Kirche setzte einen schönen ökumenischen Akzent im 500. Gedenkjahr zu Luthers Thesenanschlag in Wittenberg, der auf den gemeinsamen christlichen Glauben verwies. Viel Beifall gab es zum Schluss für ein Bach-Konzert, das einen interessanten Einblick in eine andere Aufführungstradition ermöglicht hatte.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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