Kommunalwahl:Wahlkampf mit Bär und Honig

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Die Bewerber für politische Mandate werben auf der Straße und in den sozialen Medien gleichermaßen um Aufmerksamkeit - mit Gesprächen und auch mit Selbstdarstellung

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Thomas Karmasin hat seinen Arm um den Bären gelegt und lacht in die Kamera. An der Wand dahinter hängen zahlreiche Geweihe. Nein, erlegt hat der Landrat das Tier nicht. Es ist die Zeit des Wahlkampfs, und in dieser suchen die politischen Bewerber nach Motiven, um auf sich aufmerksam zu machen und des Wählers Interesse zu wecken. Der ausgestopfte Bär steht auf allen Vieren im Eingangsbereich des Gasthauses Frietinger im kleinen Adelshofener Ortsteil Luttenwang, wo die CSU eine Wahlkampfveranstaltung abhielt.

Karmasin ist viel unterwegs in diesen Tagen. Dass er abends mal zu Hause ist, "ist eine ausgesprochene Ausnahme zur Zeit", sagt er. Frühschoppen in Aufkirchen, Wintergrillen in Schöngeising, auf ein Bier mit CSU-Wahlkämpfern im neuen Brauhaus Germering, Präsenz an Wahlständen in den Kommunen. Es sei wichtig, auch in kleinen Orten Präsenz zu zeigen, sagt Karmasin, der seit 24 Jahren Landrat ist: "Dort sind vielleicht nicht so viele Leute, aber man erreicht sie."

Vorübergehende Plakatausstellung: Am Ortseingang von Emmering zeigen sich Kandidaten verschiedener politischer Couleur. (Foto: Günther Reger)

Dabei kann man sich den Menschen heutzutage auch bequem über die sozialen Medien nähern. Man müsse sich dort schon ein bisschen bewegen, hat Karmasin in einem SZ-Interview gesagt. Er tut das, dokumentiert seine Wahlkampftermine aus dem analogen Leben auf Facebook, gibt sich dabei gerne auch leutselig ("Schön war's bei euch"). So ist Wahlkampf 2020. Die Parteigänger liken ihre Beiträge gegenseitig. Mehr als hundertmal gibt's ein "Gefällt mir" für Karmasins Selfie mit dick belegter Leberkässemmel.

Nichtsdestotrotz halten die meisten Wahlkämpfer an der persönlichen Präsenz fest. Man sei schon auf den Straßenwahlkampf und die Briefkästen angewiesen, findet Klaus Quinten von der Brucker Bürgervereinigung (BBV). Er steht an einem kalten Samstagmorgen vor dem Eingang zum Bauernmarkt am Kloster, hinter ihm ein Plakatständer mit den Köpfen aller Stadtratskandidaten der BBV. Es ist Einkaufszeit, die Menschen haben es eilig. Dann kommt überraschend der Hausmeister des Germeringer Carl-Spitzweg-Gymnasiums des Weges, wo Quinten viele Jahre Lehrer war. Man begrüßt einander freudig, wechselt ein paar Worte. Die BBV hat auch ihre Zeitschrift "Brucker Frühling" mit Wahlthemen aufgelegt und im Stadtgebiet verteilt. Das Problem, sagt Quinten, seien die vielen Aufkleber auf den Briefkästen, die signalisierten, dass keine Werbung erwünscht sei. Manche würden sich dann beschweren, wenn sie trotzdem Wahlwerbung erhielten. Andere wiederum beklagten, dass sie nichts bekommen hätten. Tja, der Wähler, man kann es ihm nie recht machen.

Die BBV wirbt mit ihren Frauen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Gerne finden sich die Wahlkämpfer dort ein, wo sie hoffen, viele Leute anzutreffen. Donnerstags auf dem Grünen Markt in Fürstenfeldbruck, zum Beispiel. Die BBV ist auch wieder da, mit zwei Tischen, darauf Broschüren, Kugelschreiber, Taschen mit BBV-Aufdruck, Zündholzschachteln, auf denen die Gesichter der Kandidaten prangen. Keinen Steinwurf entfernt haben SPD, Grüne, ÖDP und CSU ihre Stände aufgebaut. Es ist wie ein Treffen unter alten Bekannten. Jan Halbauer, Landratskandidat der Grünen, unterhält sich mit Andreas Rothenberger, seinem BBV-Kollegen aus dem Brucker Stadtrat. Beide blättern im CSU-Wahlprogramm, monieren dies und das. Den Passanten halten die Wahlkämpfer Broschüren und Flyer entgegen. Manche greifen zu, andere winken ab und machen einen kleinen Bogen um die Akquisiteure.

In Olching gehört der Nöscherplatz zu den begehrten Wahlkampfstätten. Auch dort ist gerade Markt. Auch dort haben SPD, Grüne und CSU ihre Stände schön nebeneinander vor dem großen Eingangsportal der den Platz dominierenden katholischen Pfarrkirche aufgebaut. Bürgermeister Andreas Magg steht nur als lebensgroßer Plakataufsteller da, der echte Magg wahlkämpft gerade im Schwaigfeldcenter und wird später an den Nöscherplatz kommen. Dafür ist sein Vater, Dietrich Magg, da. "Ich muss ihn unterstützen", sagt dieser und lacht. Sich so unters Volk zu mischen, hält Magg senior für wichtig: "Man kann dabei vieles klar stellen und Dinge aufklären." Denn so mancher würde Politik in der Kommune mit der Bundespolitik verwechseln. Fritz Botzenhart, der dritte Bürgermeister, erzählt dann noch ein bisschen davon, wie schön es in Olching ist. Er wohnt seit zehn Jahren in der Stadt. Ein bisschen haben sie ideenmäßig bei den Grünen gewildert, die Sozialdemokraten. Kleine Tüten mit Blumenwiesensamen verteilen sie, darauf zu sehen sind gezeichnete Bienen.

Wähler, sieh her! Thomas Karmasin (3.v.l.) mit den CSU-Kandidaten Engelbert Jais (links), Thomas Jais (rechts) und dem scheidenden Adelshofener Bürgermeister Michael Raith. (Foto: privat)

Die Grünen drei Meter daneben geben den Bürgern kleine grüne Windräder mit.

Ja, der persönliche Kontakt sei schon wichtig, bestätigt Stadträtin Heide Kuckelkorn. Die Grünen hätten zurzeit Zulauf, die Zahl der Aktiven habe sich verdreifacht. Das mache auch den Wahlkampf leichter, weil sich mehr Leute engagierten, erzählt Kuckelkorn. Etwas später formiert sich die Olchinger CSU am Nöscherplatz. Mit bis zu fünf Wahlkampfständen sei man an den Wochenenden zu unterschiedlichen Uhrzeiten an unterschiedlichen Plätzen präsent, sagt Maria Hartl, die zweite Bürgermeisterin. Aber das Wichtigste sei die Tatsache, dass die CSU "als einzige Partei sechs Jahre lang für die Menschen da ist, mit Bürgersprechstunde und monatlichem Stammtisch", betont sie. Das funktioniere nicht erst 14 Tage vor der Wahl. Eine ältere Frau kommt heran, freut sich, dass sich da gleich drei Parteien auf engstem Raum präsentieren. Sie steckt Wahlkampfmaterial ein.

Maximilian Gigl, Bürgermeisterkandidat der Olchinger CSU, sitzt derweil in Esting in der Erlebnisbücherei und unterhält sich. Veranstaltungen dieser Art, die ein zwangloses Zusammenkommen mit Mandatsträgern und solchen, die es werden wollen, simulieren, sind in Mode. Die CSU lädt mancherorts "auf einen Kaffee" mit den Kandidaten ein, "Café und Croissant" nennt Puchheims SPD ihre Veranstaltungen mit Bürgermeister Norbert Seidl. "Auf ein Bier mit mir" lautet das Versprechen des Puchheimer Bürgermeisterkandidaten von der FDP, Martin Koch. Während in Esting Gigl mit dem Wahlvolk plaudert, verteilen Stadträtin und Landratsstellvertreterin Martina Drechsler und andere draußen das CSU-Wahlprogramm und Gigl-Honig. Das kleine Glas mit dem süßen Aufstrich und Gigls Konterfei drauf finde "reißenden Absatz", sagte schon Maria Hartl. Kein Wunder, wird es doch aktiv verteilt neben Kugelschreibern, Buntstiften, Jojos, Stofftaschen. Beinahe jeder Bewerber, der was auf sich hält, hat eine solche mit seinem Schriftzug in seinem Wahlkampfvorrat. Selbstverständlich könne man die Tasche hinterher "aufessen", witzelt Landrat Karmasin mit der ihm eigenen Ironie. Das tut freilich niemand. Aber natürlich sei die Tasche nachhaltig, das werde erwartet.

(Foto: oh)

Kommunalwahlen seien immer auch Persönlichkeitswahlen, heißt es gerne. Der Name muss deshalb präsent sein im Wahlkampf. Fährt man beispielsweise durch Emmering, hängen dort in der Brucker Straße die Plakate sämtlicher Bürgermeisterkandidaten - einer nach dem anderen, fünf sind es insgesamt.

Im Vorteil ist, wer im Wahlkampf einen prominenten Gast als Wahlkampfhelfer aufbieten kann. Die Grünen Claudia Roth, Toni Hofreiter und Katharina Schulze waren schon da, auch Kevin Kühnert von der SPD. Alexander Dobrindt (CSU) und Saskia Esken (SPD) kommen am Aschermittwoch in den Landkreis. In Germering greift OB-Anwärter Johannes Landendinger von der SPD zu einem bewährten Mittel, um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern, und verteilt frühmorgens Brezen am S-Bahnhof. Andere versuchen, sich einfach nur anders darzustellen. Christoph Maier, der für die SPD Landrat werden will, tritt mit seiner Band, die er "Die Landräte" nennt, bei Wahlkampfabenden auf, die "Democracy in concert" heißen. Maier geht aggressiver zur Sache, als andere Landratskandidaten das tun und auch als seine SPD-Vorgänger das getan haben. Er greift den Amtsinhaber ganz bewusst verbal an. "Liefern Sie, Herr Karmasin!", postet er dann. Oder: "Vielen Dank, Herr Landrat. 24 Jahre sind echt genug."

Was dem einen ein ausgestopfter Bär ist, ist für den anderen ein Schäfchen. Puchheims Bürgermeister Seidl zeigt sich auf Facebook mit Michaela Höfel vom Puchheimer Hängbüchlhof und hält ein kleines schwarzes Schaf im Arm. Das Streicheltier als Wahlkampfhilfe. Das muss doch das Herz des Wählers rühren.

© SZ vom 22.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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