Fürstenfeldbruck:Einblicke, die unter die Haut gehen

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Menschen haben ihre Körper oder Organe der wissenschaftlich orientierten Ausstellung zur Verfügung gestellt. (Foto: Günther Reger)

Bei der Ausstellung "Der menschliche Körper - lernen von den Toten" sind plastinierte Körperteile und Föten zu sehen. Beeindruckend ist der Vergleich einer Raucherlunge mit einem gesunden Organ.

Von Noah Michael May, Fürstenfeldbruck

Es ist ein Blick, der buchstäblich unter die Haut geht und sonst Medizinern vorbehalten sein dürfte: Die Ausstellung "Der menschliche Körper - lernen von den Toten" hat am Wochenende zahlreiche an Anatomie interessierte Besucherinnen und Besucher in die Marthabräu-Festhalle gelockt. Laut Veranstalter ausschließlich waren ausschließlich echte menschliche Körper und Körperteile zu sehen, die der Wissenschaft gespendet worden waren.

Seit 1995 sorgt die vom Anatom Gunther von Hagens zusammengestellte "Körperwelten"- Wanderausstellung plastinierter menschlicher Körper für viel Aufsehen. "Da ist natürlich auch viel Neugier wegen Körperwelten dabei gewesen", erzählt eine 32-jährige Besucherin. "Körperwelten war etwas größer, ich würde nicht sagen professioneller, aber hier gab es eher einen kleineren Überblick" ergänzt ein Besucher.

Anatomie von Kopf bis Fuß. (Foto: Günther Reger)

Die Ausstellung beginnt mit Präparaten menschlicher Geschlechtsteile, inklusive Eierstöcke oder Harnwegen, deren Aufbau und Funktionsweise mittels Texttafeln erklärt wird. Zudem wird über die Entstehung von Prostatakrebs aufgeklärt. Erkrankungen wie diverse Krebsarten, Nierensteine oder eine Querschnittslähmung werden durch den Verlauf mit originalen plastinierten Körperteilen immer wieder thematisiert.

Eine gesunde Lunge... (Foto: Günther Reger)
und als Vergleich eine Raucherlunge. (Foto: Günther Reger)

Besonders beeindruckend ist der Vergleich einer gesunden Lunge mit einer Raucherlunge. Beide sind per Schlauch mit einem Blasebalg verbunden, um über die schwarze Verfärbung hinaus die Auswirkungen des Rauchens deutlich zu machen. So können Besucher bei Betätigung der Blasebälge die unterschiedlichen Lungenvolumina erkennen. Manche Eltern nutzten das sogleich für eine anschaulich-präventive Lektion: "So sieht die Lunge von der Oma aus, merk dir das!" sagt ein Vater zu seinem Kind.

Es folgen diverse Quer- und Vertikalschnitte menschlicher Körper, die die Verdauung, das Nervensystem und das Skelett veranschaulichen, auch eine vom Körper abgezogene Haut sowie Gehirne können in den Vitrinen begutachtet werden. "Ich habe kein Ekelgefühl empfunden, es war alles sehr schön wissenschaftlich gehalten" resümiert eine 35-jährige Frau nach dem Besuch der Ausstellung, dennoch verlassen manche Besucher die Festhalle mit einem bleichen Gesicht.

In den USA spenden um die 20 000 Menschen ihren Körper der Wissenschaft, so auch die Personen, die nun Ausstellungsgegenstand sind. Echte Körperteile als Mittel zum Zweck der Wissenschaft sind dennoch eine Frage der Ethik. Viele Besucher setzen sich damit auseinander, so auch ein 58-jähriger: "Für mich ist das sauber." Und weiter: "Für mich steht der Erkenntnisgewinn über dem Ethischen". Dennoch bewegen vor allem ausgestellte Embryonen eine Besucherin: "Mir kamen die Tränen, ich musste schlucken. Es berührt schon sehr." Insgesamt sind vier ungeborene tote Babys im Alter zwischen vier und sieben Monaten in Glasvitrinen ausgestellt, das älteste schielt durch die vor den Augen gekrümmten Hände. Ihre Eltern haben sie für die Präsentation im Dienst der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. "Klar, die konnten sich nicht entscheiden, für die hat jemand das entschieden" hält ein Mann fest.

Insgesamt sind die meisten Besucher augenscheinlich beeindruckt. Dennoch gibt es auch Kritik. Da laut Veranstalter auf eine nachträgliche rote Färbung der Muskeln verzichtet wurde, um keine Effekthascherei zu betreiben, seien gewisse Körperteile schwer, bemängelt ein Besucher. Zudem seien die von der US-amerikanischen Firma Corcoran Laboratories ausgeliehenen Exponate teilweise in falscher Reihenfolge dargestellt und nicht mehr in einwandfreiem Zustand. Die Kosten für die kleine Ausstellung von 15 Euro für Erwachsene und zwölf Euro für Kinder, Schüler und Studenten schreckt eine Familie ganz ab. Sie entschließt sich kurzerhand, den Sonntagnachmittag anderweitig zu gestalten.

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