Kandidatin für den Tassilo 2018:Notentanz auf der Luftschaukel

Lesezeit: 3 min

Musik im Ohr, Bilder im Kopf: die elf Jahre alte Maya Wichert freut sich, wenn die Zuhörer ihr in Spiel und Dramatik folgen können. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die elfjährige Maya Wichert aus Gröbenzell ist ein vielversprechendes musikalisches Nachwuchstalent. Ihre Leidenschaft gilt aber nicht nur der Geige, sondern auch dem Geschichtenerzählen.

Von Ekaterina Kel, Gröbenzell

Ihre Lieblingsfarben sind blau, grün und türkis und ihre beste Freundin heißt Sonja - der Anfang einer Geschichte, wie er über viele elfjährige Mädchen lauten könnte. Dass Maya Wichert eine ungewöhnlich Gabe hat - absolutes Gehör - und mit vier Jahren ihre erste Geige in der Hand hielt, erahnt man erst an den Namen, die sie ihren Wellensittichen gegeben hat: Mozart und Fridolin. Genau dieses Nebeneinander aus gradliniger Klassik und verspielter Eigentümlichkeit wie im Fall der Wellensittich-Namen ist es, die auch Maya insgesamt auszeichnet. Weil die junge Gröbenzellerin sich in den vergangenen Jahren zur vielversprechenden Nachwuchsgeigerin entwickelt hat und damit ein hervorragendes Beispiel für erstklassiges musikalisches Talent im Landkreis ist, ist sie für den Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung nominiert.

Ihre sieben Jahre ältere Schwester Liho war es, die Maya ursprünglich auf den Geschmack gebracht hat. Sie fing mit Geige an und übte fleißig, Maya saß oft beim Unterricht und hat zugehört. "Der Klang hat mir sehr gut gefallen", erzählt Maya und schaut zu ihrer Mutter, Maho Wichert. Sie ist in den Neunzigern aus Japan nach Karlsruhe gekommen, um Literatur zu studieren. An der Uni lernte sie ihren späteren Mann Jörg kennen. Ihren beiden Töchtern hat Maho das Japanisch mitgegeben, mit ihrer Mutter reden sie Japanisch, daheim verstehe er manchmal nichts, erzählt Jörg Wichert und lächelt sanft. Heute lebt die Familie in einem Einfamilienhaus in Gröbenzell, vor der Einfahrt das schwarze Auto des Herstellers, bei dem Jörg Wichert mittlerweile als Ingenieur angestellt ist. "Wir haben gar keine Ahnung von Musik" geben die Eltern zu.

Als sie vier Jahre alt war, hat Maya mit Geigenunterricht angefangen, zuerst bei Simone, später bei Peter Michielsen, die eine Musikschule in Puchheim betreiben und ausdrücklich die Förderung junger Musiktalente im Landkreis im Blick haben. Seitdem spielte Maya schon in mehreren Konzerten die Solopartien, letztens auch mit einem Sinfonieorchester bei einem Wettbewerb in Italien. Zahlreiche Meisterkurse bei "Geigengöttinnen" wie Ana Chumachenco oder Julia Fischer stehen auf Mayas musikalischem Lebenslauf, den ein Nachwuchstalent vorzeigen muss, wenn es sich für Wettbewerbe bewirbt. Mayas letzte Krönung war der erste Preis des Bundeswettbewerbs von Jugend musiziert im Streicher-Ensemble - eine ruhmreiche Auszeichnung. Doch Maya zeigt keine besondere Ehrfurcht, wenn sie von all dem erzählt. Klar sei es "eine große Ehre" und klinge "cool", wenn sie mit einem Orchester spielen dürfe. Und klar schwärme sie über ihr großes Idol, Geigerin der Weltklasse Julia Fischer. Aber neben der Musik habe sie noch andere Leidenschaften. "Ich schreibe gern Geschichten", erzählt die Elfjährige und zeigt beim Lächeln ihre großen Zähne. "Außerdem tanze ich Flamenco und interessiere mich für Step Dance." Wenn sie musiziere, erzähle sie Geschichten. "Beim Spielen konzentriere ich mich auf die Geschichte, die ich transportieren will. Für jedes Stück habe ich eine konkrete Vorstellung. Die versuche ich dann in die Musik einzubauen", erklärt Maya. Deshalb klingt ihr Spiel auch so organisch, als wäre es das konsequenteste Mittel, um ein Bild vor ihrem geistigen Auge auftauchen zu lassen. Auf die Technik achte sie bei ihren Auftritten dagegen nicht mehr so sehr, auf die sei verlass, schließlich sind mehrere Wochen intensive Arbeit an Intonation und Ausdruck vorweggegangen.

Im Moment übt Maya ein Stück des französischen Romantikers Camille Saint-Saëns, das er für den Violinisten Pablo de Sarasate geschrieben. In ein paar Wochen spielt sie es mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim am Bodensee. Sie kann jederzeit zum Spiel ansetzen. Nur noch Händewaschen - "das sollte ich immer vorher machen" - dann spielt sie drauf los.

Der melancholische Anfang hält nicht lange an, schon muss sich Maya ins Zeug legen, um den wilden Tanz der Noten mit ihren kleinen Fingern nachzuzeichnen. Später erzählt sie, sie stelle sich dabei Seiltänzer und Akrobaten auf einer Luftschaukel vor, die hin- und herschwingen. Und wenn sie Glück habe, dann können ihre Zuhörer die Gestalten ihrer Fantasie auch sehen.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: