Kabarett:Der Alltag, der ist lustig

Lesezeit: 2 min

"Es gibt Phasen, da ist da oben Leerlauf", scherzt Michl Müller im Brucker Stadtsaal über den schweigsamen Mann. (Foto: Günther Reger)

Michl Müller spielt gekonnt mit dem Wiedererkennungseffekt beim Publikum

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Oh, jetzt wird's klassisch bei Michl Müller. Der riesige bedruckte Vorhang als Bühnenbild legt das nahe. Spielt er jetzt den Romeo von der Julia? Nein, das Thema des Abends "Michl Müller . . . nicht Shakespeare" markiert den roten Faden. Wie viele absurde Themen der Alltag zu bieten hat, merkt man erst, wenn Müller, 45, aus Bad Kissingen, wieder im Lande ist. Immer noch findet er neue Situationen, die dem Publikum nur allzu bekannt sind, und wieder bearbeitet er sie nach allen Regeln der Kunst. Nicht nur das: Er bietet sie so lustig dar, dass Dauerlachen stattfindet. So war es wieder im restlos ausverkauften Brucker Stadtsaal.

Müllers "Baumarkt-Berater" scheint eben der zu sein, den wir letzte Woche vergeblich um Rat gefragt haben. Und wer hätte nicht schon mit einem kaputten Handy im Laden gestanden? Mit "Backup from the Cloud" bringt Michl Müller unsere Verzweiflung auf den Punkt. Und wer hätte keine Erfahrungen mit der Telekom-Hotline und ihrer nervigen Diddeldidu-Warteschleife von 100 Minuten? Besser als der Kabarettist kann man das Elend nicht darstellen, und auch nicht die Misere, die man erlebt, wenn man dem Rat folgt: "Man muss halt mal den Anbieter wechseln!", denn dieser Satz, meint der temperamentvolle Unterfranke aus der Rhön, sei ebenso daneben wie der angeblich fachliche Rat bei unzureichenden Löhnen und Renten: "Man muss vorsorgen".

Das Publikum soll aber auch kräftig über sich selbst lachen. Die amüsanten Ausführungen zu Themen wie "Liebesschlösser", deren Menge inzwischen Brücken zum Einsturz bringt, Selfie und Smoothie, E-Zigaretten und Shisha-Bars oder Globuli sind wohl die netteste Art der Publikumsbeschimpfung, die man je erlebt hat. Das Dauergelächter im Publikum ist warmherzig, selbstironisch und immer versöhnlich; nur einmal gerät es eher zum schenkelklopfenden Kreischen. Dabei hätte der sonst so fantasievolle Künstler ausufernde Unterhosen-Betrachtungen nicht nötig. Er hat Besseres zu bieten, nicht nur die in die heutige Zeit übersetzte Balkon-Liebesszene zwischen Romeo und Julia.

Der Kabarettist, der von sich sagt: "Ich bin halt ein Lustiger", agiert im angedeuteten klassischen Bühnenbild und kommuniziert mit Shakespeares Totenschädel. Der behauptet auf Sächsisch, kein Angelsachse zu sein, sondern lediglich ein angelnder Sachse. Müller baut - wie immer sehr dosiert - auch politisches Kabarett ein. Er parodiert Merkel gleich mehrmals mit typischer Handbewegung; Gauland und Weidel von der AfD sind der "Opa und seine Pflegerin" oder Schröder "der Gasableser vom Putin". Müller streut zur Abwechslung Lieder ein und bringt den Saal jedes Mal dazu, den Refrain mitzusingen. Die Zugaben geraten zum umjubelten Michl-Müller-Medley von der Ingwerreibe bis zum "Vollwärmeschutz der Liebe". In Hochform ist er, wenn er Beobachtungen zu männer- und frauentypischen Verhalten detailliert erläutert. Hier erkennt sich das Publikum sofort wieder. Beliebte Frauenfrage: "An was denkst Du?" Männer denken nicht immer, weiß Müller. "Es gibt Phasen, da ist da oben Leerlauf", umschreibt er männliche Sprachlosigkeit ganz wunderbar. Rundum wunderbar ist schließlich auch der ganze Abend.

© SZ vom 27.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: