Prämierung künstlerischer Vielfalt:Der Krieg, die Nacht und der Bonsai

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Landrat Thomas Karmasin freut sich mit den drei Erstplatzierten des Jugendkulturpreises Fürstenfeldbruck: Fatbardha Aliti (von links), Tim-Luca Roth und Damian Martin. (Foto: Landratsamt Fürstenfeldbruck)

Die Gewinner des ersten Jugendkulturpreises Fürstenfeldbruck beeindrucken Jury und Publikum. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch handwerkliche Professionalität und inhaltliche Bedeutsamkeit aus.

Von Christian Hufnagel, Fürstenfeldbruck

Die Jugend von heute - sie ist auch nicht schlechter als die von gestern, auch wenn Altvordere gerne zur eigenen Ehre etwas ganz anderes behaupten wollen. Doch durch alle Zeitläufe hindurch scheinen viele Eigenschaften Bestand zu haben wie ein kritischer Geist, ein kreatives Gespür, ein kolossales Gefühl. Dieses Umtriebige vereint sich in diesem unruhigen Alter offenbar zu einem ewig wild blühenden Frühlingserwachen, das sich an so vielem furchtbar schmerzt und das in den Linderungsversuchen ganz großartige Ergebnisse hervorbringt. Der erste Jugendkulturpreis Fürstenfeldbruck mag ein beeindruckendes Abbild dafür gezeitigt haben.

Er war vom Jugendkreistag ausgeschrieben worden. Der Aufruf zur Teilnahme erfolgte an junge Menschen im Alter zwischen 14 und 25 Jahren. Im Inhalt wie in der Form waren alle frei. Und die 18 Einsendungen spiegelten dann das Spektrum wider, was Jugendliche für gewöhnlich so bewegt und bedrängt - vom peinvollen Suchen und Finden des eigenen Weges hin zur Anklage (geo-)politischer Ereignisse in der Welt. Die Gefäße hierfür stammten aus allen Künsten: vom selbst komponierten Protestlied "How can we deny ist?" (Lara und Andrej) über Raphaels Materialcollage aus Kronkorken "Tongue of Resistance", einer wunderbaren Adaption des Zungen-Logos der Rolling Stones, hin zu Sophies Poetry Slam "Episch sein", einer wehmütig sprachsensiblen Hymne an "die schönste Umarmung meines Lebens".

Im Schrecken des Ukraine-Krieges gemalt: Fatbardha Aliti gewinnt mit ihrem Bild "Manipulation der Manipulation" den dritten Platz. (Foto: Landratsamt Fürstenfeldbruck)

Es ist also nur rechtens, dass Landrat Thomas Karmasin bei der Preisverleihung vor rund 100 Gästen im großen Sitzungssaal ins Schwärmen geriet und feststellte: "Wirklich alle eingereichten Werke sind kreativ und vielfältig", sagte der Hausherr und lobte weiter: "Es ist schön zu sehen, dass junge Leute Freude an Kunst und Kultur haben und sich in diesen Bereichen mit Herzblut engagieren." Im Besonderen mag diese Laudatio für die drei Erstplatzierten des mit insgesamt 2000 Euro dotierten Jugendkulturpreises Fürstenfeldbruck gelten.

Eine allgemeingültige bildnerische Anklage des Krieges als Heimsuchung des Menschen hat Fatbardha Aliti in ihrem Gemälde "Manipulation der Manipulation" (dritter Platz) geschaffen. Soldaten und Panzer bewegen sich auf ein kleines Mädchen zu, das sich ihnen in den Weg stellt und das Luftballons in den Farben der Ukraine in der Hand hält. Die militärische Bedrohung hängt an Fäden, die an großen Händen enden, die aus dem Himmel ragen. Und diese Akteure wiederum sind auch nur die Opfer eines übergeordneten Marionettenspielers. Doppelt ferngesteuert sind eben jene, die für einen Befehlsgeber ein blutiges Handwerk ausführen müssen.

Mit seiner Skulptur "Bonsai Tree of Hope" erringt Tim-Luca Roth den zweiten Platz. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ein Gegenstück des Friedens hat indes Tim-Luca Roth mit seiner Skulptur "Bonsai Tree of Hope" geschaffen. Der 16-jährige Gymnasiast aus Puchheim wickelte aus Draht in einer wahren Sisyphos-Arbeit erst einen Stamm und dann farbige Blüten und entwickelte daraus einen künstlichen Miniaturbaum mit einem fast schwebenden Charakter: "Hier zeigte er großes Geschick und Geduld, eine derartig filigrane und aufwendige Skulptur anzufertigen", lautete das Urteil der Jury.

Die Moderatorinnen Mirjam Rasmus (links) und Luna Morina präsentieren den Jugendkulturpreisträger Damian Martin. (Foto: Christian Hufnagel)

Von gleicher Professionalität ist das Werk des ersten Jugendkulturpreisträgers. Er habe ein "super zentrales Thema der Jugend von heute", nämlich den Weg zu sich selbst, mit sehr bewegender Schreibkraft umgesetzt, würdigten die Moderatorinnen Mirjam Rasmus und Luna Morina bei der Prämierung den Brucker Gymnasiasten Damian Martin, bevor dieser ans Mikrophon schritt und mit seinem mehrgliedrigen Gedicht "Schlaflose Nacht" das Publikum in eben dieses Dilemma, in diesen Aufruhr unbändiger Gedanken führte: Stürmische Hetz' versetzt mich in Schrecken/ mein Kopf seit jeher ihr Jagdrevier / ihr boshafter Blick er haftet an mir / nachts kann ich mich nicht verstecken.

Mit feinsilbriger Wortgewalt und poetischer Präzision jagt das 16-jährige Dichtertalent seine Zuhörer durch diese dunkle Ecke der Seele, getrieben von einer Frage, die alterslos scheint: Wer bin ich wie war ich was werde ich sein? / Die Nacht ist die Zeit zum Denken. Und wer am Ende eine Antwort findet, dem dürfte eines für sein Leben gewiss sein: eine gute Nacht.

Sieger-Gedicht

Schlaflose Nacht

Wilde Tiere sind meine Gedanken / nächtliche Jagd, lechzender Zahn / im Geiste stark, im nächtlichen Wahn / folgen sie mir verfolgen mich / mit wahnsinn'gen Augen mit kranken.

Stürmische Hetz' versetzt mich / in Schrecken / mein Kopf seit jeher ihr Jagdrevier / ihr boshafter Blick er haftet an mir / nachts kann ich mich nicht verstecken.

In manchen Nächten ist es mir / als drohen sie mich zu fressen / dann hol' ich mir Stift und Papier.

O Tinte, Strick der Gedanken / Auf dem Papier da sind sie schwach; / Die Nacht verbracht' ich trotzdem wach.

Damian Martin

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