Die Frage treibt das Land seit 2015 um, das Ringen um eine Antwort dauert an. Wie umgehen mit der Zuwanderung? Begrenzen, fordern die einen. Die anderen wollen das partout nicht, betonen das Recht auf Asyl, fordern Integration. Eine Lösung liefert erwartungsgemäß auch die Diskussion in der TV-Sendung "Jetzt red i" nicht, die am Mittwochabend live aus der Fürstenfeldbrucker Marthabräuhalle übertragen wurde. Auch dort: dieselbe Lagerbildung.
Alle Vorschläge, Forderungen, Argumente, die vorgebracht werden, hat man vielfach gehört in den vergangenen Jahren. Tilmann Schöberl, routinierter Moderator der Sendung, geht freundlich-bestimmt dazwischen, wenn manche Ausführung zu lange gerät. Er ist es auch, der das Publikum, das sich zuvor anmelden sollte, vor der Sendung ein wenig auf den Ablauf einstimmt. Jeder dürfe mitdiskutieren, sagt er, allerdings sei die Sendung nur 60 Minuten lang.
Das Interieur hat der veranstaltende Bayerische Rundfunk selbst mitgebracht: Das Publikum sitzt auf den Stufen einer im Halbrund gestalteten Tribüne. Premiere hatte die Kulisse 2016 ebenfalls in der Marthabräuhalle. Das Erscheinungsbild der Live-Sendung ist seither stets das gleiche. Wiedererkennungseffekt. Während die 20-Uhr-Tagesschau auf Monitoren zu sehen ist, werden noch die letzten Staubreste vom Boden gekehrt. Schöberl zieht sein Sakko an und weist auf bereits herrschende 27 Grad Raumtemperatur hin. Unter den Scheinwerfern, vermutet er, werde man demnächst die 30 Grad knacken.
Viele Hände gehen hoch
Viele Hände gehen hoch, als Schöberl das Publikum aufruft, seine Fragen zu stellen. Auch Fürstenfeldbrucks Landrat Thomas Karmasin (CSU), der als Präsident des Bayerischen Landkreistags inzwischen die Interessen aller bayerischen Landräte bündelt, wird zu einem Statement aufgefordert. Die Landräte hatten zuletzt mehrfach auf die Überforderung der Kommunen durch immer mehr Flüchtlinge hingewiesen. Moderator Schöberl hat Zahlen dazu: Im Vorjahr seien 20 500 Asylsuchende nach Bayern gekommen, heuer seien es allein im ersten Quartal bereits 16 000 gewesen.
Es sei nicht im Sinne des Asylrechts, dass Menschen, die nach langen Verfahren abgelehnt werden, dann doch bleiben, betont Karmasin: "Die Grundidee ist: Wer kein Asyl bekommt, geht!" Weil dem aber in der Realität nicht so ist, berichtet Karmasin davon, dass der Landkreis Fürstenfeldbruck nun "ein Zelt nach dem anderen aufstellt, das nächste am Landratsamt, dann auf einem Schulparkplatz". Auch sei mittlerweile eine "gigantische Infrastruktur" geschaffen worden mit Integrationslotsen, Ansprechpartnern bei der Caritas, mehr Personal.
Argumentative Unterstützung erhält er von Peter Muck (CSU), Zweiter Bürgermeister in Mammendorf. "Wir sind an der Grenze dessen, was wir leisten können." So habe die Gemeinde derzeit keine Möglichkeit mehr, Flüchtlingskinder in Kindergarten oder Schule unterzubringen. Ulrike Scharf (CSU), bayerische Sozialministerin und in der Sendung als Gast auf dem Podium, fordert deshalb: "Wir müssen die Zuwanderung steuern und begrenzen und in der EU besser verteilen." Integration könne nur bei weniger Zuwanderung gelingen, betont sie: "Wir brauchen eine Vorprüfung direkt vor Ort". An den EU-Außengrenzen, soll das heißen.
Neben ihr sitzt Thomas von Sarnowski, einer der beiden Landesvorsitzenden der Grünen. Auch er wünscht sich eine europäische Verteilung. Dass es dazu kommt, glaubt er allerdings nicht. Auf Nachfrage von Tilmann Schöberl räumt er ein, dass, wenn Asyl nicht gewährt würde, "kein Recht auf Asyl da ist" und deshalb zurückgeführt werden müsse. Die Antwort geht irgendwie unter.
Dann ist die Rede von viel zu lange dauernden Asylverfahren, von Wohnungsnot und Arbeitsverboten. Dabei "funktioniert Integration am besten, wenn man den Leuten Arbeit gibt", sagt der Gräfelfinger Malermeister Andreas Romanow und bekommt dafür den lautesten Applaus an diesem Abend. Er selbst habe sowohl gute als auch schlechte Erfahrungen mit Geflüchteten in seinem Betrieb gemacht, erzählt er: schlechte bis hin zur Messerstecherei und gute zum Beispiel mit einem Mann, der erst seinen Meister und dann sich selbständig gemacht und nun vier Mitarbeiter angestellt hat. Wo der Geflüchtete herkommt, das sei ihm egal, sagt Romanow. Wichtig sei allein, ob er Ziele habe. Das Potenzial dieser Menschen zu heben und damit dem Fachkräftemangel zu begegnen sei besser "als nach Brasilien zu fliegen", sagt eine Frau in Anspielung auf eine Reise von Mitgliedern der Ampelregierung, die kürzlich in Südamerika Fachkräfte anwerben wollten.
Nicht über die Geflüchteten, sondern mit ihnen zu reden, fordert eine junge Frau, die sich als Psychologiestudentin und in der IT-Branche arbeitend vorstellt und 2014 nach Deutschland geflüchtet ist. Ein Mann, der aus Afghanistan stammt, meldet sich zu Wort. Integration sei im Prinzip einfach, findet er: die Sprache lernen und die Gesetze akzeptieren. "Aber es ist keine Einbahnstraße", ergänzt er noch: "Ich erwarte von den Deutschen, sich auch gegenüber uns zu integrieren."