Jahresrückblick:Das Ende der "Hexe"

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Auf einem Adventskalender von Lilli Kammerl, gezeichnet Anfang der Neunzigerjahre, bleibt die inzwischen abgerissene Gröbenzeller Bahnhofsgaststätte, das Kultlokal "Hexe", noch in Erinnerung. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Nach jahrzehntelangem Ringen um den Erhalt wird die ehemalige Bahnhofswirtschaft in Gröbenzell abgerissen. Unterschriftensammlung und Demo können nicht verhindern, dass das geschichtsträchtige Gebäude aus dem Ortsbild verschwindet

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Alle Proteste, Demonstrationen und Unterschriftensammlungen, ob online oder auf wahrhaftigtem Papier, haben am Ende nichts genützt: Im November rücken die Bagger der "Hexe" zu Leibe. Und nach wenigen Tagen ist von der früheren Wirtschaft am S-Bahnhof in Gröbenzell, die Vereinsgründungen und die für den Ort so bedeutende Gemeindeerhebung miterlebt hat und die in den letzten Jahrzehnten zu einem Treffpunkt für Jugendliche und Junggebliebene mit Kultcharakter geworden war, nur noch ein Haufen Schutt übrig geblieben.

Selbst wenn man jetzt, etwa einen Monat nach dem Abriss mit der S-Bahn fährt, erlebt man in Gröbenzell oft noch Reaktionen von Menschen aus den verschiedensten Altersklassen, die bis dahin offenbar noch nichts von dem öffentlich viel diskutierten Ende des Kultlokals mitbekommen hatten und dem klaffenden Loch mitten im Zentrum des Ortes zum ersten Mal mit Ratlosigkeit und Entsetzen begegnen. Für jene mehrere Hundert beziehungsweise ein paar Tausend Menschen, die für den Erhalt der Bahnhofswirtschaft eingetreten waren, ihre Unterschrift dafür gegeben und vielleicht sogar mitdemonstriert hatten, verliert die Gemeinde am Gröbenbach damit nicht nur einen Treffpunkt. Für viele war der 1929 errichtete Bau "ortsbildprägend", gab er Gröbenzell doch ein ganz eigenes unverwechselbares Aussehen - im Unterschied zu vielen gesichtslosen Vorstädten mit dem Einheitsbrei moderner Architektur.

Beispiele von charakteristischen Gebäuden, die abgerissen werden für lukrativere Nutzungen, gibt es etliche, man findet sie wohl in jeder Ortschaft: der Klosterwirt in Grafrath oder das zunehmend verfallende, alte Bauernhaus mit den blauen Fensterläden in Emmering oder - in ähnlich desolatem Zustand - die sogenannte Riedl-Villa in Maisach. Bei Letzterer diskutierte der Gemeinderat zumindest darüber, das trotz aller Verfallsspuren durchaus noch Attraktivität besitzende Gebäude in ein Kulturgebäude zu verwandeln; ähnliche Denkansätze gab es in Gröbenzell für die ehemalige Bahnhofswirtschaft.

Was dabei herauskommen kann, wenn ein kommunales Parlament den Mut zur Sanierung aufbringt, lässt sich wunderbar betrachten im Kulturzentrum Olching am Mühlbach oder auch dem Veranstaltungsforum Fürstenfeld. Beide Gebäude-Ensembles mussten mit erheblichem Aufwand saniert werden. In beiden Fällen äußerten die Kritiker im Vorfeld Befürchtungen, die veranschlagten Kosten könnten ins Unendliche steigen und der Bedarf für so viel Raum für kulturelle Veranstaltungen sei schlicht nicht gegeben. Weit mehr als zehn Jahre nach ihrer Eröffnung sind das Veranstaltungsforum Fürstenfeld wie das Kom in Olching zwei gut etablierte Räumlichkeiten für kulturelle Veranstaltungen. Ihre einzigartige Architektur verleiht den Events einen stilvollen Rahmen und lockt auch Besucher von weiter her.

© SZ vom 31.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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