Fürstenfeldbruck:Seit 44 Jahren aktiv für Frieden und Menschenrechte

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Inge Ammon im Erzählcafé in der Bücherei Aumühle in Fürstenfeldbruck. (Foto: Günther Reger)

Inge Ammon berichtet im Erzählcafé von ihrem Engagement für Flüchtlinge und gegen Apartheid und Atomwaffen.

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Es hat eine Weile gedauert, bis Inge Ammon sich politisch engagierte. Von 1978 an protestiert sie gegen die Apartheid in Südafrika. Dann wird sie zur Friedensaktivistin, ist 1986 bei der Seniorenblockade der US-amerikanischen Atomraketen in Mutlangen dabei. "Ich war lange Zeit die brave Hausfrau - die brave Pfarrersfrau", berichtet die Mutter von vier Kindern in der Reihe "Erzählcafé" der Brucker Stadtbibliothek. "Ich war ja noch nicht aufgewacht."

Inge Ammon ist ein Glücksfall für das Format. Sie erzählt ihre Lebensgeschichte konzentriert zwei Stunden lang. Die 40 Besucherinnen und Besucher sind fasziniert und verabschieden sie mit viel Applaus. Ammon hat Plakate, Schriftstücke, Schals und Tücher aus ihrem ereignisreichen Leben mitgebracht. Ganz vorne hängt das lila Halstuch vom evangelischen Kirchentag 1983, mit dem der Protest gegen die Stationierung der Pershing II-Atomraketen in Deutschland ausgedrückt wurde. "Umkehr zum Leben" steht darauf, eine Hand, die aus einer Kirche kommt, schiebt die Rakete weg.

Mit 91 Jahren ist Inge Ammon noch immer aktiv

Geboren in Ostpreußen, ist Ammon inzwischen 91 Jahre alt. Sie ist noch immer politisch aktiv als Mitglied in Organisationen von Attac bis Amnesty International, tritt im Livestream-Kanal des "FFB-Aktivstudios" auf, will sich nicht mit einer ungerechten Welt abfinden. Seit 2015 engagiert sie sich für Flüchtlinge in Bruck, stellt ihnen in ihrem Haus freie Zimmer zur Verfügung.

Als junges Mädchen muss sie im Februar 1945 aus Ostpreußen flüchten. Erst im September 1946 endet die Flucht bei einer Tante in Bad Godesberg. Dort arbeitet sie als Lehrerin "mit 50 bis 60 Kindern in riesengroßen Klassen". Aufgewachsen ist Ammon in einem christlichen Elternhaus. "Wertorientiert, konservativ, aber auch sehr sozial war der Vater", sagt sie. Der Vater hatte auf dem Gut ein Kino eingerichtet. "Jede Woche kam mit dem Milchauto ein neuer DEFA-Film."

Festes Gottvertrauen begleitet sie bis heute. 1958 heiratet sie den evangelischen Pfarrer Peter Ammon, der von 1968 bis 1977 Militärseelsorger am Brucker Fliegerhorst war. Seitdem wohnt Inge Ammon in der Kreisstadt. Sie musste nach ihrer Heirat ihren Beruf aufgeben. Ihr Mann stirbt 2012.

2021 nimmt Inge Ammon an einer Mahnwache anlässlich des Inkrafttretens des Atomwaffenverbotsvertrags teil. (Foto: Leonhard Simon)

"1978 wachte ich auf", erzählt Amon. "Und mein Mann ist mit aufgewacht." Sie besucht Südafrika und beteiligt sich 1987 beim Kirchentag in Frankfurt an einem "Menschenteppich" vor der Deutschen Bank, die damals noch Geschäfte mit dem Apartheid-Regime macht. Ammon sagt: "Da mussten die Kunden über uns drübersteigen." Als sie 1989 auf dem Münchner Marienplatz einen Aufruf zur Sitzblockade vor dem Giftgaslager in Fischbach verteilt, sitzt sie bis Mitternacht in der Ettstraße in Haft, wegen "Anstiftung zu einer rechtswidrigen Tat". Gegen den Bußgeldbescheid über 500 Mark wehrt sie sich erfolgreich. "Gelitten haben die Kinder, weil Mutter etwas unordentlich war", sagt sie im Erzählcafé über ihre 44 Jahre als Aktivistin. Das lässt die Zuhörer schmunzeln.

"Empathie, Fantasie und langer Atem", sind Ammons Antrieb. Sie wirbt noch für das Berufsbild Friedensfachkraft an der Akademie in Königswinter. Womöglich kann Inge Ammon viele weitere aktive Jahre anhängen - ihre Cousine Erika ist 104 Jahre alt.

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