Gröbenzell:Das Haus der unbequemen Bürger

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Die Alte Schule in Gröbenzell mit Restaurant, Vereinsräumen und Ortsmuseum. (Foto: Jana Islinger)

Vor 25 Jahren rettet eine Gröbenzeller Initiative die Alte Schule vor dem Abriss. Obwohl ein Votum des Gemeinderates zunächst etwas völlig anderes vorsieht.

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Seit Langem bemüht sich die Gemeinde Gröbenzell mit Städteplanern und hohen Zuschüssen um ein Konzept für die Entwicklung des Ortszentrums. In diese hoffnungsvoll angekündigte Aufbruchsphase fiel der Abriss der ehemaligen Bahnhofswirtschaft. Also der Verlust eines der letzten die Ortsmitte prägenden Gebäudes, in dem sich Generationen von Gröbenzellern seit Gründung der Siedlung trafen. Bei einem Vortrag und einer Ausstellung mit dem Titel "25 Jahre Rettung der Alten Schule" hat Elisabeth Kammerl kürzlich im Bürgerhaus aufgezeigt, was es neben guten Planern für eine gelungene Gestaltung des öffentlichen Raums braucht: couragierte Bürgerinnen und Bürger.

Also Menschen, die etwas Selbstverständliches tun und sich für die Bewahrung von Gebäuden einsetzen, die ihren Lebensraum prägen. Deshalb wurde der Abend des Heimatvereins Gröbenhüter zu einem Lehrstück gelungener Bürgerbeteiligung, bei dem der "Idealismus siegte". So etwas braucht Zivilcourage, Engagement und Energie. Die 90 Jahre alte Elisabeth Kammerl steckt trotz ihres hohen Alters noch voller Energie. Das ließ ahnen, wie couragiert sie 1993 mit Ursula Hatzinger eine Bürgerinitiative zur Rettung der Schule gründete. Sie berichtete nüchtern und sachlich, ganz ohne Pathos.

Als 1993 Überlegungen öffentlich wurden, mit dem Abriss der Schule Platz für ein Sozialzentrum zu schaffen, war laut Kammerl eines klar: Man muss sich für das Schulhaus einsetzen. Also wurde am Küchentisch umgehend die Gründung der BI ausgeheckt. Das sei die einzige Chance gewesen, das Blatt zu wenden. Das Nutzungskonzept der BI für das damals 75 Jahre alte, neubarocke Haus sah im Erdgeschoss eine Gaststätte, im ersten Stock Vereinsräume und unterm Dach ein Heimatmuseum vor. Damals ahnte niemand, dass das später umgesetzt werden sollte.

Der Historische Verein Gröbenzell erinnert mit einer Veranstaltung an die Rettung der Alten Schule vor 25 Jahren. Im Zentrum steht ein Vortrag von Elisabeth Kammerl (Mitte) und eine kleine Ausstellung. (Foto: Jana Islinger)

Dann startete die BI eine Werbekampagne bei Vereinen. Der Interessenverein, der die Gemeindegründung mit betrieben hatte, war nicht zu gewinnen. Im Vorstand des Ökumenischen Sozialdienstes, der das auf dem Schulareal geplante Sozialzentrum beziehen sollte, erlitt die BI eine "herbe Niederlag'". Kammerl weiß, woran das lag. Viele hielten das durch hässliche Anbauten verschandelte und heruntergekommene Gebäude für nicht erhaltenswert.

Umso positiver reagierten die Künstler. Bei ihnen sei die Bereitschaft groß gewesen mitzumachen. Keine drei Wochen nach Gründung eröffnete die BI eine Ausstellung, bei der Kreisheimatpfleger Alexander Zeh Lichtbilder von renovierten Dorfschulen zeigte. Obwohl das Landratsamt den Abbruch bereits genehmigt hatte, zeigte sich der Gemeinderat kulant. Er beschloss, zu einer Bürgerversammlung zur Gestaltung der Ortsmitte einzuladen. Aber im Ausschreibungstext für den Architektenwettbewerb legte man den Beteiligten eine Planung ohne Alte Schule nahe.

Obwohl, wie Kammerl erläuterte, im Rathaus weiter die Abbruchbefürworter überwogen, blieb die BI unbeirrt. So wurden für eine zweite Ausstellung 300 Stofftaschen mit dem Logo der Alten Schule bedruckt und Schulgeschichten gesammelt, die Rundfunksprecher Wolf Euba vorlas.

Am Wettbewerb beteiligten sich 72 Architekten. Dessen Ergebnis war für die BI ein "harter Schlag". Der Sieger und die drei Nächstplatzierten planten ohne Schule. Nur der fünfte Preisträger sah deren Erhalt vor. "Wir geben nicht auf", hieß es dazu bei der BI. Ein strahlender Bürgermeister, Bernd Rieder, hatte sich bei der Präsentation der Siegermodelle jedoch zu früh über das Votum der Jury gefreut.

Die Kehrtwende begann bei der Bürgerversammlung. Dort stimmten 115 Gröbenzellerinnen und Gröbenzeller für den fünften Preis und folgten damit der BI. Nur acht waren dagegen. Danach kam es bei der entscheidenden Gemeinderatssitzung zu einer "Sensation". Das Gremium folgte ebenfalls der BI. Dazu sollten die Pläne des ersten und fünften Preisträgers überarbeitet werden. "Wir waren glücklich", so Kammerl, "die lebenswerte, unverwechselbare Mitte unserer Heimat Gröbenzell mit Kirche zu bewahren".

Umgebaut und saniert wird die Alte Schule 1997. (Foto: Ortwin Scheider/Archiv Landratsamt Fürstenfeldbruck)

Nach Abschluss der vier Millionen Mark teuren Renovierungsarbeiten löste sich die BI auf. Doch ihr Geist wirkt weiter. Schließlich ging der historische Verein "Die Gröbenhüter" aus ihren Aktivitäten hervor. So mancher lernte dazu. Unter ihnen der neue stellvertretende Vorsitzende der Gröbenhüter, Michael Jaumann. "Ich war ein Verfechter des Abrisses", bekannte er. Aber er habe seine Meinung geändert. Um zu ergänzen, "heute würden wir das Haus verfallen lassen", weil der Gemeinde das Geld fehlt. Den Grund hierfür, den teuren Rathausbau, sprach er nicht an.

Die Diskussion und ergänzende Berichte des SPD-Gemeinderats Peter Falk und des ehemaligen Geschäftsleitenden Rathausbeamten Rudi Ulrich zeigten, wie groß das Interesse an Heimatgeschichte ist. Die rund 100 Gäste, von denen jede oder jeder Fünfte noch in der Alten Schule unterrichtet worden waren, dankten mit starkem Applaus.

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