Klimaschutz:Müllberge in der Wildnis

Lesezeit: 2 min

In Deutschland wird viel Müll gesammelt und getrennt, auch Plastikmüll. Das Problem ist damit freilich nicht behoben. (Foto: Johannes Simon)

Im Gröbenzeller Kino wird der Umweltfilm "Matter out of Place" gezeigt und die Frage aufgeworfen, ob der einzelne überhaupt etwas tun kann gegen die Vermüllung.

Von Til Antonie Wiesbeck, Gröbenzell

"Dieser Geruch!", wundert sich Ariane Zuber vom Bund Naturschutz Gröbenzell mit einer Mischung aus Ekel und Faszination in der Stimme. "Man hatte wirklich manchmal den Eindruck, man riecht den Müll." Dabei ist im Kinosaal in den Gröbenlichtspielen nichts, was den Gestank hervorrufen könnte. Vielmehr lösten die schonungslosen Aufnahmen des Dokumentarfilms "Matter out of Place" von menschengemachten Müllmassen, die in vielen Winkeln der Erde ansonsten unberührt anmutende Wildnis beschmutzen, bei ihr die Sinneswahrnehmung aus.

Nach 106 Minuten Film hat sich auch bei den etwa 20 Zuschauerinnen und Zuschauern das Ausmaß des Problems eingebrannt. Daher verwundert es nicht, dass sich die anschließende Diskussion mit Ariane Zuber, dem Umwelthistoriker Jonas Stuck und dem Filmregisseur Stephan Bleek, der im Rahmen der diesjährigen bundesweiten Dokumentarfilmtage "Let's Dok" das Programm für Bayern auf die Beine gestellt hat, überwiegend um die Frage dreht, wer verantwortlich ist und wie man das Müllproblem in Griff bekommen kann.

Lösungen bietet der Film des österreichischen Regisseurs Nikolaus Geyrhalter nicht. Stattdessen konfrontiert er das Publikum mit einer Tragik, die aufgrund ihres Ausmaßes unumkehrbar scheint. Die statischen Landschaftsaufnahmen haben das Potenzial, mit ihrer paradoxen Mischung aus atemberaubender Schönheit und abstoßender Verschmutzung die Betrachter zu schockieren.

Angesichts der schier überwältigenden Müllmassen halten viele der Anwesenden Anstrengungen Einzelner für vergeblich. Mit Blick auf eine Szene, in der Taucher in aufwendiger Arbeit Plastikmüll, Metall und einen Autoreifen aus dem Meer bergen, klagt ein Besucher: "Solche Bemühungen im Kleinen werden doch von der Gesamtsituation ad absurdum geführt. Allein der Online-Handel und die Rückgabequoten: Da bräuchten wir doch eine ganz andere Herangehensweise."

Große Chancen, die Welt wieder sauber zu kriegen, sieht auch der Umwelthistoriker Stuck nicht: "Wir leben in einer permanent polluted, einer dauerhaft verschmutzten Welt. Die Idee, zum Status Null zurückzukehren, habe ich aufgegeben." Die Frage sei, wie man mit der Situation umgeht, die man jetzt hat: "Und da ist das Engagement der Taucher doch ehrenwert."

"Ansätze von oben", also von staatlicher Seite, fordern daher viele der Anwesenden zur Bekämpfung des Müllproblems. Die gibt es laut Jonas Stuck auch vereinzelt. Aktuell nennt er ein globales Plastikabkommen, an dem die Vereinten Nationen arbeiteten. Für eine Verbesserung der Situation sei aber auch die Zivilgesellschaft gefragt. Ein Beispiel, wo sie mit Staaten zusammengewirkt habe, sei das Basler Übereinkommen, das seit den Neunzigerjahren den Export von Giftmüll in andere Länder reguliert. Die Umweltorganisation Greenpeace hatte Ende der Achtzigerjahre eine Kampagne gegen solche Exporte geführt, das Übereinkommen verabschiedet haben schließlich die Vereinten Nationen.

Auf lange Sicht sehen viele die Hersteller in der Verantwortung. Laut Regisseur Stephan Bleek sind sie es, die primär hinter Trends wie Fast Fashion stecken: "Sie produzieren Drei-Euro-Kleidung, entwickeln im Monatstakt neue Moden und unverkaufte Modelle werden rausgeschmissen. Das sind groteske Entwicklungen." Aufgrund der Auswirkungen von Müll auf Mensch und Natur, von denen viele noch gar nicht genau bekannt seien, rechnet Jonas Stuck in Zukunft aber mit einem Kurswechsel der Hersteller: "Bisher geht die Lebenserwartung rauf. Das wird sich ändern." Er erwarte, dass dann auch Unternehmen umdenken.

Bleek weist jedoch auch auf die Verantwortung der Konsumenten hin. Deshalb müsse man, "wo immer es geht, versuchen, Verpackungen zu vermeiden". Es gehe auch darum, eigene Entscheidungen zu überdenken, sagt Stuck: "Nur so wird sich irgendetwas auf kurze Sicht ändern können." Hierin sind sich alle Anwesenden einig. In Gröbenzell gibt es laut Ariane Zuber deshalb einige Projekte zur Müllvermeidung. Dazu zählt auch ein Repair-Café.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKlimaschutz
:Ampermoos braucht mehr Wasser

Moore sind wichtig im Kampf gegen den Klimawandel. Doch fast alle sind zu trocken - auch das Niedermoor zwischen Grafrath und Kottgeisering.

Von Ingrid Hügenell

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: