Germering:Vom Modellprojekt zum Erfolgsmodell

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Seit 20 Jahren gibt es "Simba", ein Angebot des Sozialdienst Germering. Zur Feier kamen Klienten und Ehrenamtliche in den Amadeussaal der Stadthalle. (Foto: Leonhard Simon)

"Simba" hilft seit 20 Jahren älteren Menschen in Germering, länger in den eigenen vier Wänden zu leben. Was Ehrenamtliche und Klienten erzählen.

Von Ingrid Hügenell, Germering

Menschen, die im Alter in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben möchten, schaffen das oft länger, wenn sie Hilfe bekommen. "Beim Rasenmähen, bei der Fahrt zum Arzt oder Friseur, beim Entsorgen des Plastikmülls", erklärt Sophie Schumacher, Dritte Bürgermeisterin (Grüne), bei der Feier zum 20-jährigen Bestehen von Simba. Simba, das bedeutet "Sicherheit im Alter, betreut zu Hause" und ist ein Angebot des Sozialdiensts Germering. Gegen monatliche Pauschalen in unterschiedlicher Höhe können Senioren bestimmte Dienstleistungen oder Beratung buchen, eben Fahrdienste oder persönliche Besuche. Der Hausnotruf ist immer dabei. Für Schumacher steht Simba auch für "Mein Germering lässt mich nicht im Regen stehen", einer der Slogans der Stadt.

Die Idee zu Simba habe die 2018 gestorbene Sozialpolitikerin Friedl Off schon Jahre vor der Gründung gehabt, sagt Schumacher. "Sie hat damit aber keine offenen Türen eingerannt." Erst als eine Befragung von Senioren in Germering einen eindeutigen Bedarf ergab, "ging es plötzlich schnell". Als Simba 2002 begann, wurde es als Pilotprojekt vom Sozialministerium unterstützt. Andere Gemeinden nahmen es sich zum Vorbild, etwa Gilching, Puchheim und Gröbenzell.

Stadträtin Sonja Thiele (CSU) war schon bei der Gründung von Simba dabei, feiert natürlich das Jubiläum mit und berichtet von den Anfängen des Hilfsangebots. (Foto: Leonhard Simon)

Ein "Gespür für den Zeitgeist und ein offenes Ohr für die Senioren" bescheinigt Stadträtin Sonja Thiele (CSU) ihrer Parteifreundin Friedl Off. Thiele war bei der Gründung von Simba dabei, "ein richtungsweisendes Erfolgsmodell", nennt sie es, das den Sozialdienst Germering über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt gemacht habe. Dabei sei es für die Klienten keineswegs einfach, fremde Menschen in die Wohnung zu lassen, weiß Thiele. "Man muss ein Vertrauensverhältnis aufbauen."

In den 20 Jahren des Bestehens haben sich die Anforderungen an das Angebot geändert. "Viel Hilfe wird nun von den ambulanten Pflegediensten geleistet", sagt Annette Zaus. Dafür hätten sich neue, oft sehr individuelle Bedarfe und Bedürfnisse entwickelt. Zaus leitet Simba seit 2017. Im Angebot sind nun auch Kaffeenachmittage, Spieletreffs und Ausflüge für die Klienten. Da auch die 25 Ehrenamtlichen "die tragenden Säulen", Aufmerksamkeit und Wertschätzung brauchen gibt es für sie ebenfalls Angebote: regelmäßige Treffen und Schulungen sowie Aufwandsentschädigungen.

Mehr als 100 ältere Menschen werden momentan Zaus zufolge betreut. Dabei sind manche Ehrenamtlichen nicht unbedingt jünger als die Klienten. Bei der Feier sitzen alle bunt gemischt an den Tischen, trinken Kaffee, Wein oder Bier, essen Kuchen und Schnittchen und lauschen dem Gedicht von Monika Pinzer, die nicht nur die Geschichte Simbas in witzigen Reimen zusammenfassen kann, sondern auch sehr viel organisatorische Arbeit leistet.

Einer, der herzlich über die Reime lachen kann, ist Killi Brekner, 73. Er ist seit 2017 bei Simba dabei. Warum? "Weil ich Zeit habe und nicht gerne nichts tue", sagt er. "Wenn man nichts tut, verrostet man." Brekner ist Diplom-Ingenieur und hat bei Siemens gearbeitet. Er lebt alleine. Seine Tochter habe für ihn beim Sozialdienst nachgefragt, ob er dort tätig werden könnte, berichtet er.

Killi Brekner übernimmt als Ehrenamtlicher Fahrdienste und kleinere Reparaturen. (Foto: Ingrid Hügenell/oh)

Als Ehrenamtlicher übernimmt er seither Fahrdienste bei Simba. Er fährt Leute zu Ärzten, zur Physiotherapie oder ins Krankenhaus, nach Fürstenfeldbruck, Starnberg, Gilching oder nach München, auch zum Einkaufen oder zu den Mittagessen, die Simba anbietet. "Das ist alles gut eingespielt. Annette Zaus informiert mich, fragt, ob ich Zeit habe, und dann kommt der Auftrag per Mail."

Fünf bis sechs Einsätze hat er pro Woche, und er übernimmt auch kleinere Reparaturen. Mit der Aufgabe sei er sehr zufrieden, sagt Brekner. "Das ist eine sinnvolle Tätigkeit, und ich bekomme große Anerkennung." Außerdem Kontakte durch die Treffen der Ehrenamtlichen beim Stammtisch und beim Abendessen, das monatlich stattfindet.

Den Fahrdienst und gesellige Unternehmungen, das schätzt Lore Sellenk an Simba. (Foto: Leonhard Simon)

An seinem Tisch sitzt bei der 20-Jahr-Feier Lore Sellenk, 88, die seit zehn Jahren in Germering-Harthaus lebt. Als Hobbys gibt sie Wandern, Garteln und Klavierspielen an, dazu rate ihr der Arzt, damit sie geistig und körperlich fit bleibe. "Und ich bin bei Simba", sagt sie. "Wenn ich in Not bin, ruf' ich da an." Trotz des ärztlichen Rats ist die muntere alte Dame schon etwas vergesslich geworden, deshalb ergänzt Brekner, welche Angebote Lore Sellenk sonst noch wahrnimmt: das Mittagessen, den Spieletreff und auch den Fahrdienst. Daher kennen sich die beiden.

Als Hannelore Fesenmeier, 73, vor elf Jahren aus München nach Germering zog, hat sie sich gleich bei Simba angemeldet. Dass es den Sozialdienst und Simba gibt, hatte sie bei der Neubürgerversammlung erfahren. "Die Jugend lebt in Berlin, ich bin hier ganz alleine", sagt sie. "Ich habe das gemacht, damit ich Hilfe bekomme, wenn was sein sollte." Und tatsächlich brauchte sie vor drei Jahren wegen einer plötzlichen Erkrankung akut Hilfe. Die bekam sie von Brekner und einem weiteren Ehrenamtlichen. "Sie haben mich zum Arzt gefahren, mich begleitet, für mich eingekauft, einen Rollator besorgt. Es war eine schlechte Zeit."

Als es ihr gesundheitlich schlecht ging, hat Hannelore Fesenmeier die Unterstützung sehr geschätzt. (Foto: Leonhard Simon)

Nun ist Fesenmeier wieder fit. Sie ist auch selbst ehrenamtlich aktiv: Früher als Kassierin beim SPD-Ortsverein und noch im Vorstand der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für soziale Fragen. "Das Administrative liegt mir", sagt sie. Die Ausflüge mit Simba und die einmal pro Monat angebotenen gemeinsamen Mittagessen schätze sie sehr "um Leute kennenzulernen". Und sie ist voll des Lobs für Annette Zaus: "Die macht das mit einer Hingabe, bemüht sich um jeden Einzelnen und motiviert die Leute" - die Ehrenamtlichen ebenso wie die Klienten.

Ursula Patzak, 71, hat Anfang 2002 bei Simba angefangen, als das Ganze noch im Stadium des Modellprojekts war. Damals habe sie von ihrer Firma ein lukratives Angebot für einen Abfindungsvertrag erhalten und angenommen. Eine Freundin machte sie auf die Möglichkeit aufmerksam, beim Sozialdienst tätig zu werden. "Ich bin eine Gesellschaftsdame", sagt sie und lacht.

Ursula Patzak besucht als Ehrenamtliche einmal pro Woche eine alte Dame. (Foto: Ingrid Hügenell/oh)

Einmal die Woche besucht sie eine 93 Jahre alte Dame, die zu Hause wohnt, und plaudert mit ihr. Seit fünf Jahren kennen sich die beiden, und Patzak passt auch auf, dass es der alten Dame gut geht. Als wegen der Corona-Pandemie Besuche nicht möglich waren, hielt sie Telefonkontakt. An den Treffen der Ehrenamtlichen nehme sie gerne teil, auch weil sie dort immer wieder Neues lerne. Über die Begegnungen mit den "älteren Herrschaften" sagt sie: "Das ist sehr bereichernd. Man erfährt so viel, man könnte Bücher schreiben."

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