Internationaler Museumstag:Ein Tag bei den Bajuwaren

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Beim Museumstag im Germeringer Rathauspark stellt Martin Dürrwaechter Schmuck mit mittelalterlichen Techniken her. (Foto: Jana Islinger)

In Germering bekommen die Besucher einen Eindruck davon, wie die Menschen im sechsten und siebten Jahrhundert gelebt haben - und lernen dabei mehr Wertschätzung für ihre Privilegien.

Von Charlotte Geier, Germering

Der Gräfelfingerin Felicitas Röde ist die Bildung ihrer zwei Kinder wichtig. Die Veranstaltung des Museums Zeit und Raum zum Internationalen Museumstag kommt ihr daher gelegen: Die Mitglieder der historischen Darstellungsgruppe Nors Farandi lassen im Germeringer Rathauspark das frühe Mittelalter lebendig werden. Sie präsentieren sich in selbst angefertigten frühmittelalterlichen Gewändern und zeigen bajuwarische Handwerkskunst aus dem sechsten und siebten Jahrhundert.

Seit 1978 findet der Internationale Museumstag, der auf die Vielfalt und kulturelle Bedeutung der Museen aufmerksam machen soll, jedes Jahr am 18. Mai statt. In Deutschland wird er immer am zweiten oder dritten Sonntag im Mai angeboten. Zahlreiche Museen präsentieren sich an diesem Tag bei meist freiem Eintritt mit besonderen Aktionen wie Sonderführungen, Workshops, Museumsfesten, langen Museumsnächten und digitalen Angeboten.

Die bunten Gewänder und der Geruch von Ruß wecken das Interesse an der Vergangenheit

"Mir ist es wichtig, dass meine Kinder nicht nur durch passiven Konsum von Informationen, sondern auch durch Anfassen und Erleben lernen. Dann prägt sich das Wissen viel besser ein. Dafür sind solche Veranstaltungen super - hier erlebt man die totale Sensorik", sagt die Mutter zweier Söhne im Grundschulalter. "Totale Sensorik" trifft es gut: Wer die kleine Wiese mit den Handwerksstationen betritt, wird direkt von dem mittelalterlichem Flair eingefangen. Die bunten, selbstgenähten Gewänder der Darsteller, der Geruch von Ruß in der Luft der beiden Öfen zum Bronzeguss und zur Glasperlenherstellung wecken Interesse an der Vergangenheit.

Claudia Fischer bereitet frisches Dinkelfladenbrot zu. (Foto: Jana Islinger)
Salz wird im frühen Mittelalter bei der Teigherstellung nicht genutzt - dafür war es zu wertvoll. (Foto: Jana Islinger)
Die Besucher können sich sich vor Ort auch über die damals verwendeten Getreide informieren. (Foto: Jana Islinger)

Selbst bajuwarisch essen kann man beim Aktionstag. Fischer backt Dinkelbrot nach mittelalterlichem Rezept, das mit Bärlauchbutter und Marmelade serviert wird. Dabei wird kein Salz verwendet. "Salz war im frühen Mittelalter extrem wertvoll und wurde primär zur Konservierung eingesetzt", erklärt sie. Auch Vorläufer der Marmelade gab es damals schon in Form von zerdrückten Früchten.

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Interview von Charlotte Geier

In einem Ofen in der Erde wird Metall auf 1083 Grad Celsius erhitzt

Der ehemalige Germeringer Martin Dürrwaechter betreut den Bronzeguss, mit dem im frühen Mittelalter hauptsächlich Schmuck hergestellt wurde. In einem Ofen in der Erde wird das Metall erhitzt - mindestens 1083 Grad Celsius müssen herrschen, damit es schmilzt. Um diese Temperatur zu erreichen, muss mit manuellen Blasebälgen nachgeholfen werden. Die geschmolzene Bronze gießt Dürrwaechter dann in eine Form aus Sand oder Lehm, in der sie zu Amuletten oder Ohrringen erkaltet.

Sabine Nagl demonstriert, wie vor vielen Jahrhunderten getöpfert wurde. (Foto: Jana Islinger)

Der Handweber Peter Böhnlein, der seine Kleidung selbst gewebt hat, zeigt eine historische Leinwandbindung, die längste und älteste Bindung in der Webkunst. "Kleidung herzustellen war im frühen Mittelalter ein sehr aufwendiger und zeitintensiver Prozess", sagt er. "Besonders spannend finde ich dabei, welche Farben damals mit Pflanzenfarbstoffen kreiert werden konnten", sagt der Weber, der eine möglichst historische akkurate Nachbildung der Kleidung anstrebt.

Statt mit Computern beschäftigt sich Sabine Nagl, hauptberuflich IT-Expertin, heute mit dem Töpfern. An ihrer Station stellt sie bajuwarische Tonwaren her und verkauft sie. "Charakteristisch für die bajuwarischen Töpferwaren ist ein Knick im Verlauf der Form", erklärt sie. Nach dem Formen des Tons ritzt und stempelt Nagl kunstvolle Muster in den Ton. Das Bemalen von Ton sei zur Zeit der Bajuwaren unüblich gewesen, verschiedene Farben kreiert sie durch die verschiedene Zusammensetzung des Tons.

Christine Lindele demonstriert, wie mit historischen Mitteln Garn gesponnen wird. (Foto: Jana Islinger)

Felicitas Röde, die selbst historisch sehr interessiert ist und mit ihrer Familie oft Schlösser und Freilichtmuseen besucht, ist begeistert. "Man erfährt immer wieder etwas Neues. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass schon im Jahr 4000 vor Christus gewebt wurde. Außerdem lerne ich durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit den heutigen Lebensstandard viel mehr zu schätzen. Das möchte ich meinen Kindern mitgeben - dass zum Beispiel eine Spülmaschine für die Menschen damals der absolute Luxus gewesen wäre", sagt die studierte Betriebswirtin.

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