Museumstag:"In Bayern wird vor allem die Zeit der Bajuwaren nachgefragt"

Museumstag: Bunt gewandet durchs Mittelalter (von links): Sabine Nagl, Christine Lindele, Marlene Dürrwaechter und Martin Dürrwaechter.

Bunt gewandet durchs Mittelalter (von links): Sabine Nagl, Christine Lindele, Marlene Dürrwaechter und Martin Dürrwaechter.

(Foto: privat)

Martin Dürrwaechter erklärt, warum es ihm und den Mitgliedern von "Nors Farandi" Freude bereitet, das Leben im Mittelalter nachzuempfinden.

Interview von Charlotte Geier, Germering

Am Sonntag, dem internationalen Museumstag, erweckt die historische Darstellungsgruppe Nors Farandi im Germeringer Rathauspark das frühe Mittelalter wieder zum Leben. Von 10 bis 17 Uhr können die Besucher bei mittelalterlichen Handwerkstechniken zusehen, mit den Darstellern diskutieren und ihnen Fragen über das Leben im Mittelalter stellen. Mitbegründer von Nors Farandi, der ehemalige Germeringer Martin Dürrwaechter, der mittlerweile in Warngau wohnt, spricht über seine Begeisterung für Geschichte und die historische Darstellung im SZ-Interview.

SZ: Was genau stellt Nors Farandi dar?

Martin Dürrwaechter: Hauptsächlich bilden wir die bajuwarische Lebensweise aus dem sechsten und siebten Jahrhundert ab. Daneben bieten wir auch Darstellungen aus der Römer- und Hallstattzeit an. Ganz am Anfang haben wir vor allem die Wikingerzeit dargestellt, daher auch unser Name: Nors Farandi bedeutet eigentlich "Reisende aus dem Norden". In Bayern wird aber vor allem die Zeit der Bajuwaren nachgefragt. Neben der Veranschaulichung von Lebensweise und Tracht liegt der Schwerpunkt in der Ausübung historischen Handwerks sowie die Herstellung von Gebrauchs- und Alltagsgegenständen. Hierzu zählt zum Beispiel die Herstellung von bunten Glasperlen mit einem Lehmofen, das Töpfern von Tonwaren sowie textile Arbeiten wie zum Beispiel die Herstellung von Kleidung.

Museumstag: Martin Dürrwaechter

Martin Dürrwaechter

(Foto: privat)

Wie ist Ihre Gruppe entstanden?

Ich persönlich hatte schon immer ein sehr großes Interesse an Geschichte und hatte mich vor Nors Farandi in Germering als Grabungshelfer engagiert. Meine Frau Christine war davor in einer Wikingerdarstellergruppe und als ich sie kennenlernte, wollten wir eine eigene Gruppe gründen. Wir haben beide eine große Passion für Geschichte und sind handwerklich interessiert. Nors Farandi wurde dann 2008 mit unserer gemeinsamen Freundin Sabine und unserer Tochter Marlene ins Leben gerufen. In die Gruppe können wir unser historisches Interesse einbringen und unser Wissen weitergeben, was uns sehr große Freude bereitet.

Auf welchen Veranstaltungen ist Ihre Gruppe vertreten?

Pro Jahr machen wir bis zu zehn Veranstaltungen in und um München, manchmal auch in Österreich. Meistens sind wir im Rahmen von Museumsveranstaltungen vertreten und vermitteln Besuchern Wissen über das frühe Mittelalter und zeigen mittelalterliche Handwerkskunst. Früher haben wir auch an Mittelaltermärkten teilgenommen, mittlerweile machen wir das aber nicht mehr. Dort geht es doch mehr um Entertainment und weniger um eine akkurate historische Darstellung, die Nors Farandi sehr wichtig ist.

Ist Nors Farandi Ihr Hauptberuf?

Nein, jeder von uns hat einen Hauptberuf, von der Gruppe allein könnten wir nicht leben. Sabine ist IT-Expertin, Christine ist Rechtsanwaltsfachangestellte und ich arbeite als Konstrukteur im Luftfahrtbereich.

Wie informieren Sie sich und wie können Sie eine authentische historische Darstellung gewährleisten?

Eine historisch korrekte und möglichst authentische Darstellung ist äußerst schwierig, eine zu hundert Prozent authentische unmöglich. Denn es gibt aus der Bajuwarenzeit, anders als aus der Römerzeit, so gut wie keine schriftlichen Überlieferungen, schon gar nicht vom alltäglichen Leben der Menschen. Wir lesen viele Bücher zu den jeweiligen Epochen, informieren uns über Museen, besuchen oft Fachbibliotheken, um Grabungsberichte und wissenschaftliche Arbeiten zu lesen. Mangels schriftlicher Überlieferungen kann man sich bei den Bajuwaren oft nur darauf beziehen, was man gefunden hat wie etwa Grabbeigaben. Außerdem kann es helfen, sich die Nachbarn der Bajuwaren anzusehen, da sie ähnlich wie die Bajuwaren gelebt haben. Die Darstellung bedarf eines gewissen Maßes an Interpretation zwischen den wenigen Tatsachen, die uns die Quellen liefern. Alles in allem ist es eine wirklich aufwendige und zähe Arbeit.

Warum ist es wichtig, sich mit der Bajuwarenzeit zu beschäftigen?

Einerseits erweitert es den Horizont der Besucher und es entsteht ein besseres Verständnis für die historischen Wurzeln unserer Kultur. Die Darstellung in Filmen über das vermeintlich so dunkle Mittelalter, dass die Menschen schmutzige Gesichter hatten und in grauen Lumpen herumliefen, ist beispielsweise größtenteils Quatsch - die Mode damals war ausgesprochen bunt. Andererseits kann die Beschäftigung mit der Vergangenheit auch zu einer Wertschätzung des eigenen Lebens in der heutigen Zeit führen. Im frühen Mittelalter ging es den Menschen meist schlicht darum, zu überleben. Unsere Bedürfnisse in der heutigen Zeit haben sich da verschoben. Ein gutes Beispiel ist die Kleidung: Früher war die Produktion ein höchst aufwendiger Prozess. Heute geht man einfach ins Kaufhaus oder ins Internet und kauft sich neue Sachen, die man schnell wieder wegwirft. Wenn die Besucher diese Diskrepanz erkennen und ihre Privilegien reflektieren, sind sie oft dankbarer für das, was sie haben und schätzen es anders wert.

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