Germering:Wertschätzung und Menschenwürde am Ende des Lebens

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Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek im Gespräch mit einer Pflegefachkraft im Germeringer Hospiz. (Foto: Jana Islinger)

Gesundheitsminister Klaus Holetschek besucht das Germeringer Hospiz. Er verspricht, sich der Probleme durch eine Gesetzesreform anzunehmen.

Von Ingrid Hügenell, Germering

"Das Entscheidende sind die Menschen, die hier arbeiten", sagt Klaus Holetschek und geht ins Stationszimmer, um mit der Pflegekraft zu sprechen. Der bayerische Gesundheitsminister ist im Germeringer Hospiz zu Besuch, und man merkt ihm an, dass ihm das Thema am Herzen liegt. Das Gespräch mit der Pflegekraft ist ihm wichtiger als der Eintrag ins Goldene Buch der Stadt, das Oberbürgermeister Andreas Haas mitgebracht hat.

Seine Mutter sei vom Hospizverein begleitet worden, als sie vor einem Jahr gestorben sei, berichtet der Minister. Die Versorgung schätzte er. Die palliative Versorgung nennt er die "Antwort auf assistierte Suizide".

Später wird er noch alleine ins Zimmer eines Gastes gehen, einer Frau Mitte 50, die hier ihre letzten Tage und Wochen erlebt, und eine ganze Weile mit ihr sprechen. "Eine schöne Geste", nennt Hospizleiterin Tina Lamprecht das. Holetschek, so erfährt man, besucht immer wieder Hospize, und immer besucht er dabei jemanden. Im Germeringer Hospiz gibt es keine Patienten, die Menschen, die hier einziehen, sind Gäste. Sie werden auch nicht behandelt, sondern begleitet, bis sie sterben, und können dabei ihrem eigenen Tagesablauf folgen.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (ganz rechts) beim Besuch im Hospiz in der Gesprächsrunde mit Tina Lamprecht (von links), Christina Spann, Gabriele Off-Nesselhauf, Christine Dempert, Andreas Haas, Benjamin Miskowitsch und Sina Muscholl. (Foto: Jana Islinger)

Wobei: Seit einem Jahr ist das Haus in Betrieb, und zwei Gäste konnten es seither wieder verlassen - nicht geheilt, aber soweit gebessert, dass sie nach Hause konnten. Das berichtet Lamprecht, die zusammen mit Christina Spann das Haus leitet. "Da sieht man, was Aufmerksamkeit ausmacht", sagt Lamprecht. Dass jeder Gast ein Einzelzimmer habe, dass jemand komme, wenn der Gast klingelt, und zwar gleich, das mache einen großen Unterschied.

Damit ist die Besuchergruppe, zu der außer Holetschek und Haas auch die Bezirksrätin Gabriele Off-Nesselhauf und Landtagsabgeordneter Benjamin Miskowitsch (alle CSU) gehören, schon beim überwölbenden Thema: Der Situation in der Pflege und Fachkräftemangel.

Lamprecht freut sich, dass der Minister beim Rundgang durch das Haus immer wieder das Gespräch mit den Pflegefachkräften sucht. Das drücke Wertschätzung aus, und daran fehle es sonst, sagt sie. Das Germeringer Hospiz habe aber keine Probleme, Fachkräfte zu finden. "Ich kann hier so arbeiten, wie ich das möchte und warum ich den Beruf mal gelernt habe" - das höre sie oft von den Pflegekräften. Viele sähen das Hospiz als letzte Chance, bevor sie den Beruf verlassen.

Der Raum der Stille hat eine neue Tapete erhalten. Hier können Angehörige und Gäste, aber auch Mitarbeiter Ruhe finden, und hier finden auch die wöchentlichen Abschiedsrituale der Mitarbeiter statt. (Foto: Jana Islinger)

Anderswo bleibe meist nicht genug Zeit, um sich wirklich um die Menschen zu kümmern, das frustriere viele. "Hier sagen die Pflegekräfte, sie gehen abends reicher heraus als sie morgens hereinkommen", sagt Lamprecht. Fast alle kommen aus Germering oder dem Umkreis, weshalb bisher niemand eine der Dienstwohnungen in Anspruch genommen habe.

Das Hospiz ist momentan mit zehn Gästen voll belegt. "Eigentlich bräuchte es nochmal ein Hospiz im Landkreis", folgert die Germeringer Bezirksrätin Off-Nesselhauf. Lamprecht widerspricht nicht direkt, sagt aber: "Wir müssen die palliative Versorgung auch anders denken." Viele Sterbende, gerade im ländlichen Raum, wollten lieber in ihrem Umfeld bleiben als 50 Kilometer weit weg in ein Hospiz zu ziehen. Für diese Menschen wären eine ambulante palliative Versorgung oder Palliativ-WGs eine gute Alternative.

Der Minister hat auch eine Fachfrau zum Besuch mitgebracht: Christine Dempert, als Referatsleiterin im Gesundheitsministerium zuständig für Hospize. "Wir müssen kleinteiliger denken", sagt sie, und Holetschek ergänzt: "Es braucht passgenaue Lösungen." Stationäre Hospize sollten nur der letzte Ausweg sein, sagt Dempert, aber Palliativ-WGs, die sie lieber "Lebens-WGs" nennt, würden von den Kassen nicht finanziert.

Trotz aller positiven Entwicklung des Hospizes: Auch der Germeringer Hospizverein hat Probleme, wie Geschäftsführerin Sina Muscholl bei der Schlussrunde sagt. Zum einen nehme auch in der Großen Kreisstadt die Bereitschaft ab, ehrenamtlich tätig zu werden.

Zum anderen fürchte sie, dass die Novellierung des bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetz PflewoqG die Finanzierung der Hospize gefährden könnte. Denn es werde nicht mehr zwischen anderen Unterbringungsformen und Hospizen unterschieden.

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Ins Germeringer Hospiz kommen Menschen in ihren letzten Lebenswochen. Die Mitarbeiter dort tun alles, um ihren Gästen und deren Angehörigen noch einmal soviel bewusste Zeit und Freude wie möglich zu schenken. Ein Besuch.

Von Florian J. Haamann

Der Hospizverein fürchtet weiteren Verwaltungsaufwand

Hospize sind aber im Gegensatz zu Pflegeheimen auf Spenden angewiesen, sie werden nicht vollständig von den Kassen finanziert. Nun sei vorgesehen, dass Spenden von einer Höhe von 35 Euro an von der Heimaufsicht genehmigt werden müssten. Das würde einen sehr großen Verwaltungsaufwand mit sich bringen, warnt Muscholl.

Gewährleistet sein müsse weiter, dass Hospize bei der Qualitätssicherung durch die Heimaufsicht nach einheitlichen Maßstäben bewertet würden und nicht, wie im Landkreis, nach Maßstäben für die Intensivpflege. Ein weiteres Problem spricht Tina Lamprecht an: Auch Hospize bräuchten nach dem Gesetz Gästefürsprecher. "Die müssten wir aber jede Woche neu wählen", denn viele Gäste seien nicht lange im Hospiz.

Holetschek versichert, die Ausführungsbestimmungen seien das Entscheidende, und bittet Muscholl, ihr zweiseitiges Positionspapier per E-Mail ins Ministerium zu schicken. Schließlich, so sagt er, solle es weniger Bürokratie geben und nicht mehr. "Die Menschenwürde ist der Maßstab." Zum Schluss überreichte er noch die Florence-Nightingale-Medaille des bayerischen Gesundheitsministeriums als Anerkennung der Leistungen des Hauses.

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