SZ-Serie "Ortsgedächtnis", Folge 21:Schätze unter Spinnweben

Lesezeit: 3 Min.

Regalweise Aktenordner: das Archiv im Rathaus von Hattenhofen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Im Gemeindearchiv von Hattenhofen wird aus personellen Gründen derzeit nur abgelegt und abgeheftet. Wer im Rathaus die Treppe hinabsteigt, findet aber hinter einer verschlossenen Kellertür spannende Dokumente.

Von Manfred Amann, Hattenhofen

Als die Gemeinde Hattenhofen im Jahr 2015 ihre erste urkundliche Erwähnung 950 Jahren zuvor feiert, kann man sich in einer Ausstellung anhand alter Dokumente, Presseberichte, Aufzeichnungen, Fotos und einiger erhaltener Fundstücke aus der Region in die Geschichte des Ortes am Haspelmoor vertiefen. Wo die Ausstellungstücke, die wichtigen Urkunden und die alten Schriftstücke hingekommen sind, weiß Franz Robeller nicht. Unumwunden gibt der ehrenamtliche Bürgermeister zu, dass es aktuell in der Gemeinde auch niemanden gibt, der sich um solche Dinge kümmert, und dass es so etwas wie eine professionelle Archivierung auch nicht gibt. Bis vor einigen Jahren habe sich noch Stefan Pfannes als Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft Mammendorf (VG) und als Kreisarchivpfleger um die Einhaltung eines Ordnungssystems gekümmert. Seit Pfannes aber Geschäftsführer in der Gemeindeverwaltung Egenhofen ist, werde nur noch abgelegt.

Wer sich für die Geschichte des Ortes im ländlichen Westen des Landkreises interessiert, findet jedoch umfassende Informationen in dem Buch "Hattenhofen - Geschichte und Geschichten", das anlässlich des Jubiläums von der Gemeinde herausgegeben wurde. Darin ist unter anderem zu lesen, dass Hattenhofen um 1900 nur 385 Einwohner zählte. Mittlerweile ist die Zahl der Einwohner auf rund 1600 angewachsen. Eine weitere Fundgrube für an der Ortsgeschichte Interessierte ist der im Jahre 2018 von Toni Drexler, Siegfried Hagspiel und Naturfotograf Robert Hoiß aufgelegte Bild- und Textband "Das Haspelmoor - Geschichten(n) einer Landschaft und ihrer Bewohner".

Das Moor, an dessen Rand sich vom Jahr 1848 an mit dem Bau der Bahnlinie Augsburg - München die gleichnamige Siedlung entwickelte, gehört seit dem Erlass des Gemeindeediktes von 1818 zu Hattenhofen. Die Themen im Buch reichen von den ältesten Steinzeitfunden der Region und frühen Kultivierungsversuchen über die erste spektakuläre Durchquerung des Moores beim Bau der Bahnlinie bis zu der Torf-Industrieanlage, die als "Torfstreu- und Mullewerk" weithin bekannt war. Von den harten Lebensbedingungen der Menschen erzählen Berichte über die Torfarbeiter, über das Lager für russische Kriegsgefangene und über die verheerende Bombardierung am Ende des Zweiten Weltkrieges.

Elisabeth Trappmann mit einer Luftaufnahme aus dem Jahr 1983. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Es gibt Schätze, die noch nicht gehoben wurden. Im Keller des Rathauses befindet sich ein etwa 20 Quadratmeter großer Raum, in dem vor allem Schriftstücke gelagert werden, die aus der Zeit vor 1978 stammen. "Wir wurden damals Mitglied der VG", erzählt Elisabeth Trappmann. Seither würden alle Dokumente dort aufgehoben, wo sie entstanden sind und gebraucht werden, nämlich in der VG. "Was im Gemeinderat oder hier im Rathaus anfällt oder gebraucht wird, heben wir oben in den Büros auf", weiß die Zweite Bürgermeisterin.

Der Weg in den Keller ist alles andere als einladend. Als Trappmann die Tür aufsperrt, schlägt einem ein leicht modriger Geruch entgegen, und in manchen Ecken bewegen sich Spinnennetze im Luftzug; ein deutliches Zeichen, dass sich hier schon seit Längerem niemand mehr aufgehalten hat.

Abendfüllende Lektüre: Gesetzestexte und Verordnungsblätter. (Foto: Carmen Voxbrunner)

An den langen Betonwänden stehen Regale, in denen circa 50 Ordner mit farbigen und teils vergilbten Rückenschildern und Beschriftungen wie "Kindergarten", "Straßen- und Kanalbau" oder "Wasserversorgung" aufgereiht sind. Daneben stehen eine Sammlung von Gesetzes- und Verordnungsblättern aus dem Jahr 1911 und mehrere Bände des Polizei-Strafgesetzbuches für das Königreich Bayern aus dem Jahre 1861. Auf einem Tisch liegen ein Kalender und ein Fotobuch vom Jahr des Jubiläums der ersten urkundlichen Erwähnung als "Hattanhouan" in einer Traditionsnotiz des Hochstifts Brixen. Eine kleine, nach außen hin unscheinbare "Schatzkammer" verbirgt sich in einem grauen Blechschrank.

Elisabeth Trappmann mit historischen Schriften. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Zunächst bringt Elisabeth Trappmann ein Postauslaufbuch aus dem Jahre 1979 zum Vorschein. Immer wieder stößt sie auf die Unterschrift von Benno Heinrich, der von 1971 bis 1990 in Hattenhofen Bürgermeister war. "Das war mein Vater, auf diese Weise an ihn erinnert zu werden, ist auch nicht alltäglich", stellt sie nachdenklich fest und merkt an, dass es durchaus lohnend sein könnte, dass sich jemand mit den alten Akten auseinandersetzt. Im Schrank finden sie noch ein "Sollverzeichnis über freiwillige Spenden für das Kriegerdenkmal 1956" sowie etliche Beschlussbücher und Protokolle aus Gemeinderatssitzungen von 1889 bis 1904. Daraus ersichtlich ist zum Beispiel, dass eine Gemeindeversammlung, zu der alle Bürger geladen waren, am 9. Juni 1901 den Beschluss des Gemeinderates bestätigte, dass "heuer das Vieh nicht ins Obermoos getrieben werden darf, sondern stattdessen der Grasschnitt versteigert wird". Zudem taucht ein "Verzeichnis der Einhebung der Gemeindeumlagen 1919/1920" auf, mit namentlicher Auflistung, wer wieviel gezahlt hat.

Die Notiz über einen Lokalbieraufschlag. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Rätsel gibt ein Hefter auf, auf dem schwer leserlich "Einnahmen 1897 Lokalbieraufschlag" zu lesen ist und der offensichtlich wiedergibt, welche Beträge auf der Basis des im Dezember 1889 erlassenen neuen Malzaufschlaggesetzes für Bayern von den Bauern erhoben wurden. In einem grauen, abgegriffenen Band "Grundstücksverwaltung 1893" ist ganz deutlich auf dem Gemeindestempel "Königreich Bayern" zu lesen. "Das sind alles interessante Dokumente", findet Trappmann. Da die älteren Dokumente per Hand in Sütterlin geschrieben sind, müsste man jemanden finden, der das lesen kann und auch bereit ist, das zu übersetzen, sagt sie. Für die Gemeinde wäre es am besten, einen Ehramtlichen zu gewinnen. Zu überlegen sei aber auch, ob man jemanden in geringfügiger Beschäftigung beauftragen sollte. Unter dem Kellerfenster in einer Pappkiste entdeckt Trappmann dann alte Bebauungspläne, einen Lageplan vom Kanalsystem und ein Luftbild aus dem Jahre 1983. "Das sollte man irgendwo aufhängen, zum Verstauben ist es eigentlich zu schade", findet sie.

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