Gauting:Kino wird eröffnet

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Moderner Bau im schlichten Industriestil: das neue Kino am Bahnhof in Gauting. (Foto: Nina Thiel)

Dem Betreiber Matthias Helwig ist die Erleichterung darüber anzusehen, dass er wieder Cineast sein kann

Von Gerhard Summer, Gauting

Der Film war immer sein Lebenstraum. Aber wenn ihn jemand vor 30 Jahren gefragt hätte, ob er Kinobesitzer werden wollte, hätte er nur verwundert, vielleicht sogar ein wenig entrüstet den Kopf geschüttelt. Nun ist Matthias Helwig, 56, sogar Eigentümer eines Lichtspielhauses: Am Donnerstag öffnet nach einer eher abenteuerlichen zweieinhalbjährigen Bauzeit sein drei Millionen Euro teures Arthouse-Center am Bahnhof in Gauting: ein im schlichten Industriestil gehaltener, moderner Bau mit fünf Sälen auf drei Ebenen und 388 Sitzplätzen. Der Komplex samt Restaurant soll mit 6000 Vorstellungen im Jahr etwa 80 000 Besucher aus dem ganzen Würmtal anziehen, also so viele Gäste, wie derzeit sein Breitwand in Starnberg hat.

Und was das Konzept betrifft, setzt Helwig auf die heutzutage gewünschte Vielfalt: eine Mischung, die das Bildungsbürgertum anspricht, aber auch den Massengeschmack bedient, ohne gleich auf ein Programm zu schielen, wie es das Mathäser in München oder das Cineplex in Germering bieten. Denn "das kann ich gar nicht machen, ich bin immer erstaunt, welche Filme es gibt, die ich gar nicht kenne". In dem Gautinger Lichtspielhaus, dem Palast unter seinen Breitwand-Häusern, wird also zum Bundesstart "Inferno" mit Tom Hanks genauso wie Dani Levys "Die Welt der Wunderlichs" und das Roadmovie "American Honey" laufen, aber nicht die vierte Fortsetzung einer amerikanischen Produktion, die sich schon mühsam über den ersten Teil schleppte. Es werden Arthouse- genauso wie Kinderfilme zu sehen sein, es gibt Vorstellungen für Senioren, den Wunschfilm des Monats und Tangoabende. Und Helwigs Kinder- und Jugendfilmfest spielt heuer zum großen Teil in Gauting (von 15. bis 20. November).

Helwig war am Mittwoch bei einem Pressegespräch anzumerken, dass eine Last von seinen Schultern genommen ist: Er sei heute mit dem Gefühl der Erleichterung aufgewacht, sagte er, denn nun sei die Zeit vorbei, da er sich um die Baustelle kümmern müsse, eine finanziell problematische Phase: "Man zahlt und zahlt und zahlt, nimmt aber kein Geld ein." Es sei wichtig gewesen, den Eröffnungstermin festzulegen, und wenn er noch so sportlich gewesen sei, so Helwig weiter, um endlich zu einem Ende zu kommen. Die Baugenehmigung zu erhalten, sei ein "Husarenritt" gewesen. "Aber jetzt können wir uns dem widmen, was wir können, hoffentlich".

Für die Innenausstattung des Kinos mit schlicht olivgrauer Fassade zeichnete Helwig verantwortlich. Er entschied sich für ein puristisches Design: Rauer Beton kontrastiert mit anthrazitfarbenen Flächen, weinroten Wänden und unverblendeten Lüftungsrohren. Die Lampen sind schwarz-golden, die Kinogänger werden auf Industrie-Eichenparkett laufen und auf große Schwarz-Weiß-Fotos aus Filmen wie Chaplins "City Lights", "Manche mögen's heiß" oder "Manhattan" schauen. Die über drei Etagen führende Treppe mit 37 Stufen und Blick auf Bäckerei und Bank soll der "Kommunikationsort" des Hauses werden. Und wer vor oder nach der Vorstellung Hunger oder Durst verspürt, kann sich im hauseigenen Restaurant niederlassen, Ralf Mansour-Agather, Organisator der Französischen Woche in Starnberg, Weingroßhändler und Helwigs Caterer, und Katherina Wrase führen das Lokal. Sie setzen auf eine Küche, die "das Beste aus den Ländern rund ums Mittelmeer vereint", und auf extravagantes Interieur: Lampen aus senegalesischem Umcycling und Möbel mit Feng-Shui-Maßen aus Indonesien.

Die Lounge des neuen Kinos dürfte nicht das Kernstück des Hauses sein, aber der auf einer Wand geschriebene Schlusssatz aus Woody Allens "Manhattan" ist womöglich so etwas wie ein Leitsatz für den Bauherrn gewesen. Als der Gagschreiber Isaac also die blutjunge Tracy fragte, warum sie denn wegziehe, obwohl er sich für sie entschieden habe, sagte seine blutjunge Freundin: "Du musst ein bisschen Vertrauen haben in die Menschen." Helwig ließ dazu passenderweise die Baugeschichte des Kinos, die Probleme mit dem Schallschutz und die vielen Verzögerungen Revue passieren und erwähnte, dass er ein Haus der Familie verkaufen musste, weil die Kosten von zwei auf drei Millionen Euro stiegen. Für ihn sei das Projekt ein "Sprung ins kalte Wasser", schließlich könne er nicht mit Gewissheit sagen, ob am Donnerstag fünf oder 100 Kinogänger kommen. "Du stehst wie vor einer diffusen Nebelbank in den Bergen." Aber womöglich hat Tracy ja recht.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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