Fußball-WM:Das große Schweigen

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Beim Public Viewing im Brucker Scala-Kino und Unterhaus löst sich angespannte Erwartung mit dem Schlusspfiff in Entsetzen auf. Deutschland ist bei der WM raus - und das gemeinsame Fußballgucken damit vorbei

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Gemeinsames Fußballgucken impliziert ja stets die Option, gemeinsam zu jubeln. Viele Gelegenheiten hatten die deutschen Fußballfans bei der aktuellen Weltmeisterschaft nicht, und so sitzen die Besucher am Mittwochnachmittag im Brucker Stadtbiergarten am Unterhaus und schweigen vor sich hin. Es herrscht Stille, als das 1:0 für Südkorea fällt. Nur eine Frau lacht ein bisschen höhnisch. Deutschland ist nach einer 0:2-Niederlage im dritten Gruppenspiel ausgeschieden, zum ersten Mal bei einem WM-Turnier schon nach der Vorrunde - als amtierender Weltmeister.

Betretene Mienen: Das Publikum im Brucker Stadtbiergarten am Unterhaus ist skeptisch. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Auf öffentliches Fußballschauen wollen mittlerweile immer weniger Gastwirte verzichten. Seit dem Sommermärchen 2006 gibt es mit jeder WM und EM immer mehr Lokalitäten, die ihre Gäste mit Fußball-Fernsehen umwerben. Die Partie gegen Südkorea war mithin die erste der Deutschen, die nicht auf Samstag oder Sonntag fiel. Entsprechend viele mussten Mittwochnachmittag noch arbeiten.

Erstmals bot das Brucker Scala-Kino Fußball-WM in einem seiner Säle an. Um die 60 Zuschauer waren am Mittwoch dort, Familie Schwarze aus Eichenau auch. Die beiden neun und zwölf Jahre alten Jungs tragen Strohhüte mit schwarz-rot-goldener Banderole. Ihr Vater freut sich auf ein "schönes großes Kinobild". An den beiden ersten Spieltagen waren 150 und 100 Besucher gekommen, die Stimmung beim Last-Minute-Sieg gegen Schweden sei "unglaublich" gewesen, erinnert sich Scala-Geschäftsführer Markus Schmölz. Mit der Resonanz ist er "total zufrieden". Drinnen in Saal vier steht eine handvoll Fans zur Nationalhymne auf, die anderen bleiben gemütlich in ihren Kinosesseln sitzen. Fußball auf der Riesenleinwand ist ein schönes Erlebnis. Die Atmosphäre ist ein bisschen so, wie wenn ein spannender Blockbuster läuft: Das Publikum ist ruhig, zittert mit. Laut hört man TV-Reporter Béla Réthy gegen Ende der ersten Halbzeit sagen, dass das kein schönes Fußballspiel sei.

Im Scala-Kino herrscht bei der Nationalhymne noch Zuversicht. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das hätten die Fans vermutlich noch verziehen, aber ein so frühes Ausscheiden? In der Innenstadt von Fürstenfeldbruck ist um diese Zeit kaum ein Mensch zu sehen. Viele sind im Biergarten am Unterhaus zusammengekommen. Dort hängen unter strohgedeckten Überdachungen zwei Bildschirme, auf die man von verschiedenen Richtungen blicken kann. Nur Vereinzelte tragen ein paar DFB-Devotionalien am Körper. Mit zunehmender Spieldauer und zunehmender Erfolglosigkeit der deutschen Auswahl wirken die Besucher immer frustrierter, da und dort wird gegähnt. Jemand am Tisch witzelt, ob man das TV-Programm denn nicht umschalten könne. Alternativen werden eingebracht: ein Promimagazin oder Werbung - alles offenbar besser als Fußball. Ernst gemeint ist das nicht, schon eher Galgenhumor. Verteidiger Süle erhält Szenenapplaus, als er in Minute 80 rettet. Bei Hummels Chance in der Schlussphase geht ein Raunen durchs Biergartenpublikum, das am lautesten wird, als die Zeitlupe zeigt, wie ein Südkoreaner einen Ball direkt ins Gemächt bekommt und zu Boden geht. Dann das Tor für den Gegner, der Videoassistent, die Bestätigung. Die Ersten gehen heim.

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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