Ukraine-Flüchtlinge:Gastgeber verschulden sich

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Mitarbeiter des Asylhelferkreises nehmen in der Budriohalle in Eichenau die Daten der Geflüchteten auf. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Weil die Anmeldung der Geflüchteten aus der Ukraine nur schleppende vorankommt, fordern Bürgermeister und Asylhelfer das Landratsamt dazu auf, das Verfahren zu beschleunigen. Derweil wird privat geholfen.

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Es dauere zu lange, bis mittellose Geflüchtete aus der Ukraine Geld vom Landratsamt bekommen, weshalb Privatleute einspringen müssen, kritisieren Asylhelfer und Bürgermeister. Der Kreis der Asylhelfer-Initiativen appelliert deshalb an die Kreisbehörde, das Verfahren zu beschleunigen. Das Landratsamt weist die Vorwürfe zurück. Wer Hilfe beantrage, bekomme innerhalb einer Woche einen Termin und das Geld zurückerstattet, sagt Pressesprecherin Ines Roellecke.

Knapp 1500 Geflüchtete aus der Ukraine hatte das Landratsamt am Donnerstag registriert. Mehr als 1200 von ihnen sind bei Privatleuten untergekommen, 275 Menschen leben in Unterkünften der Kreisbehörde in Adelshofen, Eichenau, Olching und Gelbenholzen, wo sie versorgt werden. Die anderen sind oft auf ihre Gastgeber angewiesen, von denen manche inzwischen viel Geld ausgegeben haben, wie Asylhelfer berichten.

"Die Auszahlung von Geld und medizinische Hilfe für die ukrainischen Geflüchteten und ihre Gastgeberfamilien muss deutlich beschleunigt werden", heißt es in dem Appell der Koordinatoren von Asylhelferkreisen aus zehn Kommunen. Viele Geflüchtete hätten keine finanziellen Reserven mehr und die Gastfamilien müssten entlastet werden, manche hätten sich sogar schon privat verschuldet. Die Helfer fürchten, dass aufgrund solcher Erfahrungen die Bereitschaft von Privatleuten, Ukrainer aufzunehmen, drastisch sinken werde. Sie fordern deshalb "unbürokratische Vorschusszahlungen".

In Eichenau haben Ehrenamtliche des Freundeskreises Wischgorod und des Asylhelferkreises am Donnerstag vor der Budriohalle eine "Massendatenerfassung" von Geflüchteten vorgenommen. Diese wurden vom Landratsamt nach ihrer Registrierung aus der Unterkunft in Maisach dorthin verlegt. Die Ehrenamtlichen kümmern sich um die Anmeldung bei der Gemeinde und im Landratsamt und eröffnen Konten bei der Sparkasse, damit das Geld schneller überwiesen werden kann. Damit solle der bürokratische Vorgang beschleunigt werden, sagt Hans Sautmann vom Asylhelferkreis.

Die Kreisbehörde weist die Kritik zurück. Das Landratsamt sei nicht darauf vorbereitet gewesen, dass innerhalb weniger Wochen Tausende Menschen ankommen, dafür könne man kein Personal vorhalten, sagt Roellecke. Derzeit würden Beschäftigte aus allen Abteilungen in der Ausländerbehörde eingesetzt, aber gerade, wenn es ums Geld gehe, sei Fachwissen erforderlich.

Dabei müssen die Ukrainer zwei verschiedene Verfahren absolvieren. Sie haben zwar ein Visum, müssen sich jedoch im Ausländerzentralregister registriert lassen. Sie können sich online melden, erhalten ein Antragsformular geschickt sowie eine Liste der notwendigen Unterlagen, die sie zum Termin im Amt mitbringen müssen, der zeitnah vereinbart werde. Sobald dieser Vorgang abgeschlossen ist, können Geflüchtete online Unterstützung beim Landratsamt beantragen. "Momentan liegt eine Woche zwischen Antragstellung und einem Termin bei uns", betont Rollecke. Ist der Antrag bewilligt, wird Geld rückwirkend ausgezahlt, bis zu dem Tag, an dem das Hilfsgesuch eingegangen ist. Für die Zeit vor Antragstellung besteht kein Anspruch.

Deshalb könne es einige Wochen dauern, bis Geld fließt und nicht alles werde erstattet, moniert Birgitta Klemenz (CSU), derzeit amtierende Dritte Bürgermeisterin von Bruck. Sie verweist auf Erfahrungen mit Ukrainern, die der Pfarrverband aufgenommen habe, sowie der Corona-Nachbarschaftshilfe, die sich um Geflüchtete kümmert, die in der Unterkunft in der Hasenheide leben. Klemenz hat eine finanzielle Unterstützung der Nachbarschaftshilfe angeordnet. "Es darf nicht sein, dass die Initiative in eine Schieflage gerät, weil sie eine Arbeit leistet, die das Landratsamt tun müsste", sagt die Bürgermeisterin. "Man muss das Verfahren vereinfachen und komprimieren", fordert sie.

Ähnlich sieht es der Puchheimer Bürgermeister. "Wir drängen darauf, dass die Unterstützung durch das Landratsamt zügig vorwärtsgeht", sagt Norbert Seidl (SPD). In der Stadt seien bislang etwa 100 Ukrainer untergekommen, die meisten bei Gastfamilien. Die Kommune lege Geld aus dem Bürgerfonds aus, um in Notfällen zu helfen. Außerdem biete die Stadt Beratung an und habe eine Impfaktion in der Planie organisiert. Sorgen bereitet dem Bürgermeister die mittel- und langfristige Unterbringung der Geflüchteten. "Die Wohnzimmercouch ist irgendwann keine Lösung mehr", sagt Seidl.

Die Aussage der Asylhelfer, wonach Anspruch auf medizinische Behandlungen erst mit Erhalt des Aufenthaltstitels bestehe, wies Roellecke als falsch zurück. Notfälle würden sofort bearbeitet und die Betroffenen bekämen eine Bescheinigung. Bei der Ankunft der Flüchtlinge in Maisach sei ein ukrainisch sprechender Arzt anwesend gewesen, für dringende Unterstützungen und unbürokratische medizinische Soforthilfe. Etliche Ärzte hätten sich zur Verfügung gestellt, auch das Impfzentrum hilft mit. Die Flüchtlinge würden auf Corona getestet und ihnen werde ein Impfangebot unterbreitet, sagt Roellecke.

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