Fürstenfeldbruck/Maisach:Eine Basis für die Tierschützer

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Erstmals hält der Landkreis 66 000 Euro bereit für Vereine, die Tiere aufnehmen und vermitteln. Damit honoriert er deren wichtige Arbeit. Denn in Corona-Zeiten ist auch die Spendenakquise schwieriger geworden

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck/Maisach

Dieses Kätzchen hat einen Kuschelplatz im Tierquartier in Überacker gefunden. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das kleine Kätzchen war richtig abgemagert. Es schien "verzweifelt auf der Suche nach Fressbarem zu sein", erinnern sich die Tierschützer. Eine Frau hatte das Kätzchen abends auf einem Radweg nahe des Egenhofener Ortsteils Wenigmünchen aufgegriffen und ins Auto gepackt, um es zu den Tierfreunden Brucker Land zu bringen. Ängstlich suchte das Kätzchen Schutz und "arbeitete sich in die Verkleidung unterhalb des Handschuhfachs", berichten die Tierschützer. Es landete schließlich hinter dem Lenkrad, und weil die Tierfreunde Brucker Land im Kreise ihrer Helfer einen Automechaniker haben, der die nötigen Teile abschraubte, konnte das Kätzchen befreit werden. Sie nennen es Yaris.

Es sind die Geschichten wie diese, die die Tierschutzvereine immer wieder erleben. Tiere streunen, gehen verloren, werden abgegeben, ausgesetzt. Und dann? Wenn sie gefunden werden, kümmern sich in der Regel Tierschutzvereine um sie. Wie viel Arbeit dahintersteckt, erfahren Außenstehende selten. Dabei sind für Fundtiere eigentlich die Kommunen zuständig. Die Einsicht, dass Tierschutzvereine den Städten und Gemeinden diese Arbeit bisher weitgehend unentgeltlich abgenommen haben, dies aber wiederum die Vereine vor Probleme stellt, hat sich nun langsam auch bei den Politikern im Fürstenfeldbrucker Kreistag durchgesetzt. 65 800 Euro wurden für das laufende Jahr in den Kreishaushalt aufgenommen, um die Vereine bei der Aufnahme und Vermittlung der Tiere zu unterstützen.

Man könne damit "eine vernünftige Basis schaffen für den Tierschutz", sagte jüngst Maisachs Bürgermeister und CSU-Kreisrat Hans Seidl. Die Summe sei "ein Einstieg in Aufgaben, die wir pflichtgemäß erfüllen sollen". Seidl hatte die Probleme vor zwei Jahren hautnah mitbekommen. Die Tierfreunde Brucker Land betreiben im Maisacher Ortsteil Überacker eine Auffangstation, der vormalige Vorstand beklagte, dass er ohne finanzielle Förderung durch die Kommunen diese nicht weiter betreiben könne, und stieg aus.

Das Problem: Die meisten Kommunen ducken sich weg und lassen die ihnen auferlegte Aufgabe der Fundtieraufnahme geräuschlos von den Vereinen erledigen, die meisten zahlen noch nicht einmal dafür. Seidl versucht seither, das Problembewusstsein seiner Kollegen zu schärfen. Mit dem ersten Erfolg, dass der Kreistag vor einem Jahr verabredete, dass auch der Landkreis einen finanziellen Beitrag leisten solle. Denn nicht nur die Kommunen, auch der Landkreis ist betroffen, weniger durch Fundtiere, sondern dann, wenn das Kreisveterinäramt Tiere aus schlechter Haltung wegnehmen oder illegal eingeführte Hundewelpen unterbringen muss. Wie Amtsleiter Hans-Werner Merk der SZ berichtet, wurde jüngst ein aus Bulgarien eingeführter Mops mit drei Welpen aufgefunden. Ein Welpe, der noch zu klein war für den Transport, starb in der Tierklinik. Die anderen wurden in einem Tierheim außerhalb des Landkreises untergebracht. Aus nicht artgerechter Haltung nahm das Veterinäramt 2019 eigenen Angaben zufolge sechs Hunde, acht Reptilien, fünf Kleinsäuger und einen Vogel heraus. Die Kosten müssten eigentlich die bisherigen Besitzer tragen, doch das sei häufig schwierig, weiß Merk. Weil es im Landkreis kein Tierheim gebe, das alle Tierarten aufnehmen könne, "ist es bei jedem Fall ein großes Problem für uns, die Tiere ordentlich unterzubringen", sagt Merk. Er hält die Einrichtung eines Tierheims für den Landkreis Fürstenfeldbruck für notwendig, eine konzertierte Aktion aller Tierschutzvereine würde er sich dazu wünschen.

Der Kreistag votierte schließlich einstimmig für die Richtlinie, die die Verwendung der für den Tierschutz vorgesehenen Finanzmittel regeln soll. Nicht alle schienen restlos überzeugt. UBV-Kreisrat Martin Schäfer, der auch Bürgermeister von Gröbenzell ist, schilderte die ihm bekannte Praxis, wonach ein Tier gefunden und behandelt und danach eine Rechnung gestellt werde: "Und jetzt zahlen wir noch mal 100 Euro für einen Hund über den Kreis." Was mit Wildtieren sei, wollte er noch wissen: "Für einen Wellensittich bekommt man jetzt 50 Euro und für einen Eisvogel nichts?" Wildtiere seien nicht betroffen, erklärte ihm in der Sitzung Veterinäramtsleiter Merk, denn "die sind nicht zu vermitteln, sondern werden wieder in die Natur ausgesetzt".

Andrea Mittermeier, seit anderthalb Jahren Vorsitzende der Tierfreunde Brucker Land, ist gerade dabei, die Unterlagen zusammenzustellen, die für die Förderung notwendig sind. Derzeit bewohnen etwa 20 bis 25 Katzen das Tierquartier, wie das Areal in Überacker jetzt heißt. Auffangstation - der bisherige Name - "das klingt so negativ", findet Andrea Mittermeier. Dazu Kaninchen - zuletzt kamen zwölf aus einer Zuchtauflösung hinzu - sowie Tauben, Rennmäuse, Farbratten. Die Tiere werden aufgenommen, versorgt und im Idealfall weitervermittelt.

Zur Unterstützung der vielen Ehrenamtlichen hat der Verein nun eine festangestellte Vollzeitkraft. Doch Corona hat auch das Leben der Tierstationen durcheinander gebracht. Spontane Besuche und Besichtigungen sind derzeit nicht möglich, auch Veranstaltungen und Infostände nicht, auf denen die Tierfreunde Brucker Land sonst über ihre Arbeit informieren und dabei auch Spenden akquirieren. Auf Geld- und Sachspenden aber sind sie zwingend angewiesen. So nutzen sie intensiv die sozialen Medien, um auf ihre Tätigkeit aufmerksam zu machen und um Spenden zu bitten, posten dazu regelmäßig Videos von Kätzchen und Häschen und lassen die User an deren Schicksal teilhaben.

Auch neue Gehege wurden und werden gebaut, ein Rundweg angelegt. Das Hauptaugenmerk aber gilt der Versorgung der Tiere. Die vielen Katzen, das sei schon ein Problem, sagt Mittermeier. Laut Deutschem Tierschutzbund leben allein in Deutschland etwa zwei Millionen Katzen auf der Straße, in Hinterhöfen oder stillgelegten Industriearealen. Sie führen täglich einen harten Überlebenskampf. Das wäre vermeidbar, sagen Tierschützer wie Mittermeier, wenn alle Katzen kastriert würden. So landen eben viele dann im Tierschutz. Wie Yaris.

"Wir sind mit unserem Tierbestand am Maximum", sagt Mittermeier, die die Leitung der Tierfreunde Brucker Land 2019 ohne Tiere übernommen hat. (Foto: Carmen Voxbrunner)
© SZ vom 24.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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