Fürstenfeldbruck:Wie aus dem Ei gepellt

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Das Runde muss ans Eckige: Das Service-Ei am Landratsamt Fürstenfeldbruck beinhaltet im Erdgeschoss eine Bürgerservicestelle und darüber Büros für die Kreisverwaltung. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Servicezentrum ist der schönste Anbau am Landratsamt. Seit 20 Jahren ist es die erste Anlaufstelle für die Bürger

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Es gibt kaum eine Behörde, die ihre Arbeit heutzutage nicht als bürgerfreundlich und publikumsnah einschätzen würde. Gerne wird der Servicecharakter betont, als wäre der nicht eigentlich seit Ende des Obrigkeitsstaats selbstverständlich. Der Bürger, so der Tenor, werde mit offenen Armen in den Ämtern empfangen und jedes seiner Anliegen stets zeitnah und freundlich bearbeitet. Ob das immer gelingt, sei dahingestellt. Den Versuch, den Zugang für seine Bürgerinnen und Bürger niederschwellig zu gestalten, unternahm der Landkreis Fürstenfeldbruck vor nunmehr genau zwanzig Jahren, indem er ein eigenes Bürgerservicezentrum schuf und dafür einen Anbau an das Landratsamt errichtete. Als "Service-Ei" wurde der Anbau ob seiner elliptischen Form bekannt.

Seit 1. Februar 2002 ist das Bürgerservicezentrum als eine der ersten Einrichtungen dieser Art in einem Landratsamt in Bayern in Betrieb. Die Mitarbeiter dort nehmen Anregungen, Wünsche, Beschwerden und Anträge aller Art entgegen und leiten sie an die entsprechende hausinterne Abteilung weiter, was wiederum diese vor direktem Publikumszugang schützt. Angelegenheiten unterschiedlichster Art lassen sich dort auch direkt erledigen. Es sei damals eine "Riesenaufbruchsstimmung" entstanden, erinnert sich der heute zuständige Referatsleiter Morawetz, man wollte das "angestaubte Behördenimage aufpolieren" und dem Bürger und Antragsteller fortan als Kunden begegnen.

Das damals vom Germeringer Architekturbüro Gerum und Haake errichtete Bauwerk möbelte nicht nur den Eingangsbereich zum Hauptgebäude des Landratsamts auf, sondern im Zuge des modernen, gläsernen Neubaus wurde gleich auch die ehedem ebenso hässliche wie riesige Beton-Außentreppe mitentfernt. Das aus ebenso reichlich Beton bestehende Hauptgebäude aus den Siebzigerjahren durfte einige Jahre in durchaus ordentlich-saniertem Zustand daneben stehen, ehe es zuletzt einen weiteren Anbau erhielt - diesmal im Garten -, der über oberirdischen Parkdecks thront, dem Gesamtensemble unnötige Wucht verleiht und dem Gesamteindruck eher abträglich ist. Vergleichsweise filigran kommt indes die Architektur des Service-Eis daher, auch noch zwanzig Jahre nach dessen Entstehung.

Das Gelbe vom Ei: das Servicezentrum im Inneren (Foto: Carmen Voxbrunner)

Welche Dienstleistungen sich für das Servicezentrum eignen, erarbeitete das Team seinerzeit gemeinsam mit den einzelnen Fachstellen im Haus. Kriterien dafür waren und sind, dass es sich vor allem um "in großer Stückzahl anfallende Aufgaben" handeln muss, wie es aus dem Landratsamt heißt, "die direkten Kundenkontakt haben, jedoch keine Aktenhaltung oder Nacharbeit erfordern": der Verkauf von Restmüllsäcken zum Beispiel, die Beglaubigung von Zeugnissen, die Ausgabe von neuen Führerscheinen und der Umtausch der alten. Auch Dinge, die auf dem Amtsgelände gefunden wurden, werden dort aufbewahrt, und in diesen Tagen auch viele, viele Fragen zu Corona-Angelegenheiten beantwortet. Als erste Anlaufstelle sei es im Landratsamt nicht mehr wegzudenken, heißt es dort. Man sehe sich als "Bürgerhilfsstelle", sagt Morawetz.

Landrat Karmasin hätte gerne um ein Stockwerk höher gebaut

In der Entstehungsphase freilich war das Service-Ei politisch durchaus unumstritten, auch wegen seiner Kosten von vier Millionen Euro. Notwendig war schon damals eine Erweiterung des Landratsamtes, weil zusätzlicher Platz benötigt wurde. Und so kamen im Service-Ei auch jede Menge Büros unter. Landrat Thomas Karmasin (CSU), damals gerade fünf Jahre im Amt, hätte das Gebäude ohnehin gerne gleich um ein Stockwerk höher gebaut, doch für diese Idee gab es keine politische Unterstützung.

Akribisch werden seither alle Bearbeitungsvorgänge statistisch erfasst. 2,2 Millionen Kundenkontakte meldet das Servicezentrum für die vergangenen 20 Jahre, seit 2012 ist die Zahl der Kontaktaufnahmen seitens der Bürger um 35 Prozent angewachsen. Das spiegelt sich auch in der Zahl der Telefonanrufe wider: 305 000 Kontakte kamen in den vergangenen zehn Jahren allein übers Telefon zustande, in den ersten zehn Jahren waren es um die 200 000 gewesen.

In diesen Tagen führen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich bis zu 400 Telefonate, hinzu kommen viele E-Mail-Anfragen. Persönlich an der Theke im Foyer des Landratsamts vorzusprechen, ist in der Corona-Pandemie nur nach der 3-G-Regel möglich und wenn vorher ein Termin vereinbart wurde. Dass Flexibilität und Offenheit gegenüber den Bürgern darunter leiden, weiß man in der Kreisbehörde. Auch inhaltlich "drehen sich viele Fragen um Corona", sagt Morawetz. Das Impfzentrum nicht erreicht? Oder die Kontaktbeschränkungen unklar? Solche Fragen landen dann im Servicezentrum. Dort geht es oft auch nur darum, die richtigen Ansprechpartner für die Bürger zu finden.

Das Service-Ei hat als Erweiterung für das Landratsamts-Hauptgebäude nicht ausgereicht. Mittlerweile steht auf dem Gelände ein weiterer Anbau. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Einrichtung eines Bürgerservicezentrums bedeutete Anfang der Zweitausenderjahre in weiten Teilen Neuland bei der Organisation von Verwaltungsabläufen. Es gab so gut wie keine Vorbilder, an denen man sich hätte orientieren können. Heute gilt eine bürgernahe Verwaltung als Standard, nicht immer wird sie erfüllt. Allzu oft arbeiten Behörden - auch wegen vieler Vorgaben - umständlich, Bearbeitungszeiten sind lang. Wer etwa ein Baugesuch einreicht oder ein Auto zulassen möchte, kennt die Probleme. Heute geht es darum, die Verwaltung immer mehr zu digitalisieren und Behördengänge damit zu reduzieren. Eine Bürgerbefragung, die die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung 2019 noch vor der Corona-Pandemie über die Digitalisierung von Bürgerämtern angestellt hat, zeigt indes, dass "der persönliche Zugang mit 83 Prozent nach wie vor den mit Abstand meistgenutzten Kontakt zum Bürgeramt" darstellt, heißt es dort. Der persönliche Kontakt der Bürger zu den Mitarbeitern werde geschätzt, "weil so unmittelbare Nachfragen möglich sind und Sachverhalte schneller geklärt werden können". Vor allem ältere Menschen sind demnach dankbar, Verwaltungsangelegenheiten persönlich abwickeln zu können - weil sie gewöhnlich mehr Schwierigkeiten im Umgang mit neuen Informationstechnologien haben, aber auch "um Entfremdungseffekten" entgegenzuwirken.

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