Musikalische Talente:Zwischen Leidenschaft und Leistungsdruck

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Hilfestellung: Um die Pedale eines Flügels bedienen zu können, benötigen Kinder ein Podest. (Foto: Marco Einfeldt)

Vier junge Musikerinnen aus dem Landkreis stehen im Bundesfinale von "Jugend musiziert". Weshalb sie so viel üben und was ihnen Wettbewerbe bedeuten.

Von Charlotte Geier, Fürstenfeldbruck

Für den russischen Komponisten Igor Strawinsky bedingte die Kontrolle die Freiheit, zumindest in der Kunst: "Je mehr die Kunst kontrolliert, begrenzt und gearbeitet ist, umso freier ist sie", sagte er 1939 an der Harvard-Universität bei einer Vorlesungsreihe. Um von ihrer Kunst auf verschiedenen Instrumenten zu überzeugen, benötigen auch die Teilnehmer des Bundeswettbewerbs "Jugend musiziert" viel technische Kontrolle. Vier Teilnehmerinnen aus dem Landkreis stehen im Finale des nationalen Wettbewerbs, der am Donnerstag in Zwickau beginnt.

Sissi Yang, Pianistin

Zeitintensiver Teil des Lebens: Sissi Yang am Flügel. (Foto: privat)

Wie oft sie schon bei "Jugend musiziert" mitgemacht habe, weiß Sissi Yang nicht mehr; beim ersten Mal war sie vielleicht acht. Mit dem Klavier auf jeden Fall schon viele Male, einmal ist sie auch als Geigerin in der Kategorie Violine solo angetreten. Warum tut man sich das an, die monatelange Vorbereitung, das Reisen, die Bewertung? Am Ende gewinnt man nicht einmal Geld, sondern einzig Ruhm und Ehre. "Es ist hilfreich, ein Ziel zu haben, auf das ich hinarbeite und dann qualifiziertes Feedback zu bekommen", erklärt die Abiturientin aus Fürstenfeldbruck, die bereits Jungstudentin im Fach Klavier am Mozarteum in Salzburg ist.

"Klar ist die Wettbewerbssituation stressig und alles hängt von der Jury ab. Bei einem Musikwettbewerb kann man die Leistungen eben nicht so objektiv messen wie in manchen Sportarten. Manchmal habe ich auch Kritik bekommen, die ich weder objektiv noch konstruktiv fand, aber das gehört einfach dazu. Für mich überwiegt das Positive und es großartig, über den Wettbewerb den persönlichen Fortschritt zu dokumentieren. Deswegen mache ich immer wieder mit", sagt Yang. Druck verspüre sie primär durch die Erwartung an sich selbst: "Ich will meine bestmögliche Leistung bringen, meine Stücke sollen technisch und musikalisch sitzen", sagt sie. Besonders freut sie sich auf die Erste Etüde "Wasserfall" von Frédéric Chopin aus ihrem Programm - das Stück liege ihr so gut in den Fingern und mache schlichtweg Spaß.

Zur Vorbereitung auf den Wettbewerb übt die 18-Jährige täglich, manchmal bis zu sechs Stunden. "Neben der Schule ist Klavier schon der zeitintensivste Teil meines Lebens", sagt sie, "aber ich versuche eine Balance zu finden und auch noch anderen Aktivitäten nachzugehen." Am meisten freut Yang sich darauf, in Zwickau ihre Freunde und Bekannten zu treffen, die sich wie sie für Musik begeistern, und die Atmosphäre beim Wettbewerb aufzusaugen: "Bei der Wertung werde ich nervös sein, aber der Moment danach - der ist am besten."

Marisol Gruhn, Geigerin

Geigenensemble für den Wettbewerb (von links): Marisol Gruhn, Alaina Kocialkowski und Coralie Spude. (Foto: privat)

Marisol Gruhn aus Olching fährt zum ersten Mal zum Bundeswettbewerb und ist schon sehr gespannt auf diese Erfahrung. Trotz ihres jungen Alters, sie ist erst zwölf, kann sie bereits auf eine bemerkenswerte Wettbewerbshistorie zurückblicken: Schon fünf Mal hat sie bei "Jugend musiziert" mitgemacht, zwei Mal als Pianistin, drei Mal als Geigerin. Dieses Jahr tritt sie in der Kategorie Streicherensemble mit zwei anderen Geigerinnen an. Das Ensemble wurde für den Wettbewerb von ihrer Geigenlehrerin Simone Burger-Michielsen gegründet. "Ich mache lieber im Ensemble mit als in der Solokategorie, weil zusammen macht es einfach mehr Spaß", sagt die Schülerin, die seit fünf Jahren Geige und seit acht Jahren Klavier spielt.

Obwohl das Ensemble seine Stücke schon seit Monaten probt, werden sie der jungen Olchingerin nicht langweilig - "weil man immer etwas Neues entdeckt und dazu lernt. Es geht immer noch besser", sagt sie. Normalerweise übe sie ein bis zwei Stunden Geige pro Tag und eine Stunde Klavier. Die Geige möge sie aber aktuell ein bisschen lieber, weil man da im Orchester spielen könne und ihr das viel Freude bereite.

Coralie Hoever, Cellistin

Als Quartett ins Finale (von links): Samuel Voiler, Aricella Schäfer, Coralie Hoever und Alisa Trofymchuk. (Foto: privat)

Coralie Hoever liebt den Klang des Cellos. Als Kind kam sie über ihre Mutter, die Cellistin bei den Münchner Philharmonikern ist, mit dem Instrument und der klassischen Musik in Kontakt. Die 15-Jährige absolviert ihren fünften "Jugend musiziert"-Wettbewerb in der Kategorie Streichquartett. Auf dem Programm stehen Stücke von Debussy, Beethoven und Schostakowitsch. "Ich mag das Programm, weil es verschiedene Facetten hat. Debussys Musik ist impressionistisch, Beethovens Stück traurig und klar und bei Schostakowitsch kann man einfach reinhauen", erzählt die Zehntklässlerin aus Gröbenzell. Am liebsten mag sie aber Debussy, denn da gibt es spannende Spielarten und Klangfarben.

Ihr Quartett hat die Schülerin über das Puchheimer Jugendkammerorchester gefunden, in dem alle Quartettmitglieder Mitglied sind. Hoever kennt die Vor- und Nachteile des Ensemblespielens: "Das Schöne daran ist, dass man zusammen Musik macht. Das gibt mir Sicherheit. Und man kann sich gegenseitig wieder hochziehen, wenn man einen schlechten Tag hat. Genauso können sich aber auch negative Stimmungen übertragen", berichtet sie. Zur Vorbereitung auf die finale Wettbewerbsrunde probt das Quartett regelmäßig.

Auch an mehreren Kammermusikmeisterkursen, zum Beispiel der Kammermusikwerkstatt des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, haben die Musiker schon teilgenommen. Ganz wichtig sei es dabei auch, immer wieder andere Stücke als das Wettbewerbsprogramm zu spielen, sagt die junge Cellistin. "Ich versuche mir immer zu sagen: Ich spiele es jetzt wie beim ersten Mal, mit derselben Motivation, derselben Neugierde, demselben Enthusiasmus, aber das ist nicht immer leicht." Druck kennt sie freilich auch - den könne man nicht vermeiden, denn natürlich ist eine gute Bewertung, mit der alle zufrieden sind, das Ziel. "Aber ich versuche mich nicht zu stressen. Man spürt das als Zuhörer, wenn jemand verbissen ist und das kommt nicht gut rüber. Ich versuche, den ganzen Wettbewerb mit Freude zu nehmen."

Franziska Frank, Flötistin

Virtuos auf der Blockflöte: Franziska Frank (links) und Marie Werner. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Seit ihrem vierten Lebensjahr spielt Franziska Frank Blockflöte. Auch für die junge Bruckerin ist es nicht der erste Musikwettbewerb: Schon vier Mal hat sie bei "Jugend musiziert" in verschiedenen Kategorien mitgemacht, die jedes Jahr für die Instrumentengruppen wechseln. Mit ihrer Duo-Partnerin, der Blockflötistin Emma Marie Werner aus München, spielt sie dieses Jahr in der Ensemblewertung. Auf dem Programm stehen Duette von Johann Joachim Quantz sowie ein Stück des deutschen Komponisten Sören Sieg. Der noch lebende Komponist - ein im Kontext mit klassischer Musik wohl bemerkenswerter Fakt - hat den beiden Flötistinnen sogar einen Workshop zu seinem Stück gegeben. "Das war spannend und hilfreich, seine Intentionen zu den Noten zu hören. Es hat uns als Interpretinnen sehr geholfen", erzählt die 16-Jährige.

Über Kommentare, wie die Blockflöte sei ein "Instrument für Kinder", die danach ein "richtiges Instrument" lernen, und "nicht so anspruchsvoll", kann die Schülerin nur milde lächeln. "Die Blockflöte ist genauso leicht oder schwer wie jedes andere Instrument. Es stellen sich dieselben Fragen bezüglich Phrasierung, Tonqualität und Artikulation. Mir macht es Spaß und ich würde nicht umsteigen wollen."

Den Musikwettbewerb begleitet Frank nicht nur als Teilnehmerin: Sie schreibt auch ihre Seminararbeit im Rahmen der Oberstufe über den Wettbewerb, der 1963 ins Leben gerufen wurde, um den damals raren künstlerischen Nachwuchs zu fördern. Welcher Forschungsfrage sie nachgehen wird, weiß sie noch nicht, besonders wichtig ist ihr jedenfalls, das Spannungsverhältnis zwischen Leistungsdruck und Leidenschaft aufzuzeigen, auch vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Erfahrung. "Ich habe schon öfter Bewertungen erfahren, die ich unfair fand. Ich finde es ganz wichtig, Wert auf den Prozess zu legen, nicht auf das Ergebnis - das ist nur eine Momentaufnahme", meint die Schülerin. "Nur so kann man als Künstlerin langfristig vom Wettbewerb profitieren."

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