Hildegard Knef:Klägerin und Opfer in einer Person

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Gilla Cremer als Hildegard Knef (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wer war Hildegard Knef, was macht sie heute noch aus? Die Antworten gibt Schauspielerin Gilla Cremer in ihrer Hommage an die große Künstlerin mit "So der so" im Stadtsaal von Fürstenfeldbruck.

Von Jörg Konrad, Fürstenfeldbruck

Wer bei ihr genau hingesehen und zugehört hat, wusste schon immer, dass sie weder Klatsch- noch Schlagertante war. Sie bewegte sich ganz einfach ihrer Zeit voraus, oder anders ausgedrückt, die Zeit war für Hildegard Knef und ihre Kunst und ihre Persönlichkeit einfach noch nicht reif. Sie galt als ebenso starke wie verletzliche Person, die den Nachkriegsmief in Deutschland aufzubrechen versuchte und dafür mit (medial inszenierten) Skandalen und Publikumshäme zahlte.

Allein die Vorstellung, dass Ella Fitzgerald über sie einmal sagte, sie sei die größte Sängerin ohne Stimme, dass kein Geringerer als Cole Porter (!) darauf bestand, für sie zu komponieren, sie selbst die Texte ihrer berührenden und auch provokanten Songs zuerst Englisch schrieb und diese dann erst ins Deutsche übersetzte und dass sie mit Gregory Peck und Ava Gardner in Hollywood filmte, zeigt deutlich, dass es sich um eine Künstlerin mit ganz außergewöhnlichem Charisma handelt.

Gilla Cremer, deutsche Schauspielerin und Produzentin, hat sich schon vor einigen Jahren dem Phänomen Knef genähert und unter der Regie von Hartmut Uhlemann eine bewegende Hommage an dieses Jahrhunderttalent auf die Bühne gebracht. Mit "So oder so" gastierte sie nun in Fürstenfeld.

Erzählt jemand die Geschichte der Knef, dann ist dies auch immer die Geschichte der Medien, die dank dem unruhigen, dem ungeschminkten, dem herausfordernden Leben der Diva Anstand und Moral abgelegt haben und regelrechte Hetzjagden auf sie veranstalteten. Natürlich weiß und spielt Gilla Cremer die Rolle so, wie sie zu erzählen ist - will sie authentisch sein: Hildegard Knef als exaltierte, unbedarfte Künstlerin, die im verspießerten Deutschland jener Jahre logisch zum Opfer wurde. Eben eine starke emanzipierte Frau, die nach Verständnis und Zuwendung sucht und als verletzte Person zurückbleibt.

Und so beginnt das Ein-Personen-Stück - Pardon, am Klavier saß der großartige Gerd Bellmann, der musikalisch sicher durch das Programm führte - dann auch gleich mit einer Meute von Reportern, denen nichts heilig zu sein scheint, die der Knef Fragen stellen, deren Antworten sie im bösartigen Sinn als Nestbeschmutzerin und nationale Schande auslegen. So wird auch Intimstes öffentlich und Erklärungsversuche nicht publiziert.

Gilla Cremer erzählt auf der Bühne das Leben des großen Stars, den explosionsartigen Aufstieg in der Filmbranche, die sie stets begleitende Melancholie, aus der die schönsten, berührendsten deutschsprachigen Chansons entstanden. Die Kremer macht ihre Verletzungen spürbar, zugleich ihre erfrischende Unbedarftheit, die in diesem Metier im Grunde, hinterher wissen wir natürlich alles besser, nur in Abhängigkeit und Not führen kann.

Aber sie konnte sich auch in diesen misslichen Lagen freuen wie ein Kind - über Kleinigkeiten und dann meist mit "Berliner Schnauze".

Am Ende ist sie, trotz Hollywood und Broadway, trotz verdientem Reichtum und zeitweiser Armut, so dass sie nicht einmal in der Lage war, ihre Arztrechnungen zu zahlen, Klägerin und Opfer in Personalunion. Wäre da zum Schluss nicht noch diese grandiose Zusammenarbeit mit dem deutschen Trompeter Till Brönner, mit dem sie ein Album veröffentlichte ("17 Millimeter"), das nach ihren Angaben viel von dem Leid, das ihr angetan wurde, wieder gut machte. "Ich bin vor allen Dingen glücklich, dass ich diese CD gemacht habe", sagte sie in einem Interview mit Till Brönner im Dezember 1999.

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