Fürstenfeldbruck:"Grenzenlose Freude"

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Clownin Susie Wimmer gibt kranken und traumatisierten Menschen das Lachen zurück - und empfindet das selbst als einzigartiges Geschenk. Zu sehen in Walter Steffens neuem Film "Joy in Iran"

Interview Von Benjamin Emonts

An diesem Freitag präsentiert der Seeshaupter Filmemacher Walter Steffen seinen Dokumentarfilm "Joy in Iran" im Brucker Lichtspielhaus. Er erzählt die Geschichte von drei "Clowns ohne Grenzen", die von Deutschland in den Iran reisen, um Hunderte Flüchtlinge, Straßenkinder und geistig behinderte Jugendliche zu erheitern. Und das funktioniert auch. Die Weilheimerin Susie Wimmer, die als Clownin schon bis nach Indien und Nepal gereist ist, bringt die Kinder zum Lachen. Sie wird ebenfalls an diesem Freitag im Lichtspielhaus dabei sein. Beginn ist um 18 Uhr.

SZ: Frau Wimmer, wie wird man zu einer Clownin?

Susie Wimmer: Ich war darstellende Künstlerin und hab das wahnsinnig geliebt. Aber irgendwann hat mir etwas gefehlt. Es war der direkte Kontakt zum Publikum, der direkte Kontakt zum Menschen im Hier und Jetzt. Bekannte haben mir dann von den Clowns erzählt, die in die Krankenhäuser gehen. Ich dachte erst, ich kann das nicht und mag das nicht. Ich dachte mir: Kranke Kinder im Krankenhaus, das halte ich nicht aus. Und kranke Senioren noch viel weniger. Das Ganze hat dann zwei Jahre in mir gearbeitet, ich habe weiter geforscht. An einem Punkt wusste ich dann plötzlich: Mit den "Klinik-Clowns" geht mein Weg weiter. Wie das genau kam, weiß ich nicht.

Ihr Einsatzgebiet sind inzwischen nicht nur Kliniken, sondern auch Krisengebiete in der ganzen Welt...

Ja, wir Clowns ohne Grenzen reisen weltweit ehrenamtlich in Krisengebiete, um dort vor allem für Kinder zu spielen. Wir sind insgesamt 20 Gruppen in Deutschland und haben mittlerweile mehr als 20 Länder bereist.

Aus psychologischer Sicht: Was unterscheidet den Clown vom gemeinen Volk?

Der Clown scheitert freudvoll und lässt sich dabei anschauen. Jeder Clown ist einzigartig, für mich ist er der menschlichste Mensch. Er ist vollkommen lesbar. Er gibt sich die Erlaubnis, der zu sein, der er ist. Und er gibt die gleiche Erlaubnis anderen und bekommt sie von ihnen zurück. Er zeigt seine Emotionen für alle offen. Er ist aufrichtig und wahrhaftig.

Die Kinder im Film lachen sich bei Ihren Auftritten reihenweise kaputt. Was bedeutet Lachen für Sie?

Es ist in unserem Universum die schönste Art, zusammen zu sein. Es ist etwas, das man teilt. Lachen braucht weder Sprache noch Worte. Und neurologisch gesehen, setzen sich die Nervenzellen im Hirn wieder auf Null. Es wird gut belüftet durchs Lachen.

Warum ist Lachen für Kinder in Krisengebieten so wichtig?

Menschen in Krisengebieten verlieren erst mal die Erinnerung daran, dass es auch etwas anderes gibt außer Leid und Schmerz und Trauer und Elend. Aber die spielerische Fantasie, die Leichtigkeit in ihnen ist eigentlich da. Wir erinnern die Kinder wieder daran und bringen sie damit in Verbindung. Denn wenn ich froh bin, wenn ich viel Glück und Kraft und Energie habe, dann habe ich auch etwas, worauf ich zurückgreifen kann, wenn es mal nicht gut läuft.

Besonders zu Beginn der Auftritte setzen Sie immer wieder Musik ein, Ihr Kollege Andreas Schock spielt auf der Ukulele oder Sie singen. Welche Rolle spielt die Musik, um die Kinder zu erheitern?

Musik hat eine ganz bestimmte Schwingungsfrequenz, die jeden Menschen berührt - die allermeisten angenehm. Sie braucht keine Sprache und erreicht die Menschen bei ihrer Emotion. Sie öffnen sich. Wenn ich zum Beispiel Plastiktüte spiele und dazu jodle, lachen sich die Kinder auf der ganzen Welt kaputt. Die finden das irgendwie ungewöhnlich.

Plastiktüte spielen?

Na ja, man kann rhythmisch rascheln oder knallen mit einer Plastiktüte. Die Kinder finden das lustig.

Nach den Auftritten suchen die Menschen aus Ihrem Publikum, egal ob alt oder jung, Ihre Nähe und wollen Sie sprechen und umarmen. Sie wirken dabei völlig authentisch, fast schon beseelt. Woher kommt diese Kraft und Nächstenliebe in Ihnen?

Diese Kraft kommt von meiner Mutter. Sie hat mir unglaublich viel Liebe und Vertrauen und Rückhalt in meinem ganzen Leben gegeben. Selbst als ich ein anstrengender Teenager war - sie ist immer zu mir gestanden. Das war das beste Startkapital. Wenn man so in die Welt losgehen darf, dann potenziert sich die Liebe im Prinzip immer mehr. Das was ich bekommen habe, habe ich weitergegeben. Und dann bekommt man selbst wieder immer mehr und gibt es wiederum weiter.

Welche Gefühle löst es in einem aus, wenn diese oft traumatisierten Kinder vor einem sitzen und plötzlich glücklich sind?

Grenzenlose Freude. Totale Wärme. Ein riesengroßer Raum, der sich auftut. Wir treffen uns darin als freie Wesen, egal wo wir her sind, wie alt wir sind oder welche Religion oder Hautfarbe wir haben. Und die Freude schaukelt sich gegenseitig hoch.

In "Joy in Iran" sieht man bedrückende Bilder aus einer Station für geistig behinderte Jugendliche, die auf engstem Raum in Gitterbetten verharren. Wie verarbeiten Sie solche Eindrücke?

Wir machen jeden Abend eine Gesprächsrunde und fragen nach, wie es dem anderen geht. Für unseren Reiseleiter Reza war das am Abend nach Stationsbesuch unglaublich wichtig. Der hatte so etwas noch nie gesehen, den hat es total weggerissen. Weil so etwas natürlich berührt. Daheim können wir aber auch fachkundige Unterstützung vom Institut für Traumatherapie in Anspruch nehmen.

In den Medienberichten über den Iran geht es meist um politische Angelegenheiten, oft erscheint das Land in einem nicht allzu guten Licht. Wie nehmen Sie den Iran und die Menschen dort wahr?

Zum einen ist es eine wunderbare Landschaft und eine alte Hochkultur im Iran. Die Kunst hat in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Die Menschen sind unglaublich aufgeschlossen und gastfreundlich. Sie haben eine hohe Bildung und sind wirklich offen. Als Tourist rufen sie einem auf der Straße zu und fragen, wie es einem geht und wo man herkommt.

Gab es irgendwelche Schwierigkeiten oder Regeln, die sie bei Ihren Auftritten beachten mussten?

Ja, Regeln gibt es ganz klare. Männer und Frauen dürfen sich in der Öffentlichkeit nicht berühren. Frauen dürfen nicht alleine schöne Lieder singen, weil das verführerisch sein könnte. Wir Frauen mussten Haare, Hals und Ohren bedecken. Und auch die Körperumrisse durften sich nicht so deutlich abzeichnen. Ich glaube auch, dass wir von Anfang an mit einem wachsamen Auge begleitet wurden, dass die Behörden wussten, wer wir sind und was wir da tun. Aber nicht unangenehm. Ich fühlte mich zu keinem Zeitpunkt überwacht oder verfolgt.

Sie waren jetzt bereits zum siebten Mal in dem Land. Was haben Sie für ein Bild von den iranischen Frauen bekommen?

Nach dem, was ich gesehen und erlebt habe, scheint es mir, dass die iranischen Frauen normale, arbeitende Menschen in der Bevölkerung sind und höflich und mit Respekt behandelt werden. Ohne die Frauen würde das System dort gar nicht funktionieren. Sie gehen zur Arbeit, sie fahren Auto, studieren und halten sich an bestimmte Regeln, die der Glaube und der Staat vorgeben. Es steht mir nicht zu, ein wertendes Urteil zu haben, ich bin Gast in dem Land.

Sie blicken inzwischen auf fast 2000 Einsätze als Clownin in bayerischen Kliniken zurück, Sie haben etliche Reisen in Krisengebiete auf der ganzen Welt unternommen und haben sich lange Zeit für Sehbehinderte engagiert. Was treibt eine Frau wie Sie an?

Ich schaue mir die Menschen an und denke mir: Schade, dass sie sich nicht so freuen, wie ich mich freue - ich würde ihnen gerne etwas davon abgeben. Schade, dass sie nicht so viel Energie haben, wie ich habe - ich würde sie gerne teilen. Ich biete es einfach an. Denn ich freue mich gerne allein, aber noch lieber mit anderen zusammen.

© SZ vom 18.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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