Prozess:Folgenschwere Nähe zur Stieftochter

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Ein 41-jähriger Weilheimer muss sich vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck wegen sexuellen Missbrauchs verantworten. Er bestreitet die Vorwürfe, zieht seinen Einspruch gegen den Strafbefehl am Ende der vierstündigen Verhandlung aber zurück und akzeptiert das Urteil

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Vier Stunden wurde vor dem Brucker Amtsgericht verhandelt, dann zog der Angeklagte seinen Einspruch gegen den Strafbefehl zurück. Der Weilheimer, der zum Tatzeitpunkt noch in Fürstenfeldbruck lebte, akzeptierte damit eine zwölfmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen zweifachem sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen. Zuvor wurde nicht nur lange über den Tathergang diskutiert, sondern auch über das Vorgehen der Weilheimer Polizei während des ersten Verhörs des Angeklagten. Denn die Verteidigungsstrategie konzentrierte sich darauf, dass dessen Aussagen wesentlich zugespitzter festgehalten worden sein sollen, als sie im Gespräch geäußert wurden - und ihn damit schlechter darstehen ließen, als er selbst seine Handlungen verstand.

Denn was die Staatsanwaltschaft als sexuellen Missbrauch wertete, war in den Augen des Angeklagten lediglich ein normales Kuscheln mit der Stieftochter. Rückblickend, erklärte er, seien dabei vielleicht Grenzen im Sinne des Rechts überschritten worden, sein Verhalten sei für ihn aber zu keinem Zeitpunkt sexuell oder erregend gewesen. Wie alt die Stieftochter zur Tatzeit war, konnte nicht geklärt werden, da sie in ihrer Aussage bei der Polizei von zwei Ereignissen zwischen 2006 und 2010 gesprochen hat. Vor Gericht wollte das 1998 geborene Mädchen nicht aussagen.

In der angesprochenen Zeit arbeitete der heute 41-Jährige Nachtschicht und schlief tagsüber auf einem Couch-Bett im Wohnzimmer der Familie. Dabei sei es immer wieder vorgekommen, dass seine Stieftochter zu ihm ins Bett gekommen ist, um mit ihm zu kuscheln. Wie das genau abgelaufen ist, davon waren im Gericht verschiedene Versionen zu hören: Die des Verhörprotokolls und die im Verlauf der Stunden leicht variierende Variante des Angeklagten. Im Protokoll heißt es, es sei durchaus vorgekommen, dass er zu Beginn des Kuschelns eine "Morgenlatte" gehabt habe, die die Stieftochter dann auch gespürt hat. Vor Gericht betonte er, dass er damit gemeint habe, dass die Stieftochter möglicherweise etwas gemerkt haben könnte, weil es ja nicht ungewöhnlich sei, dass der Penis im Schlaf teilweise oder ganz erigiert ist. Mitbekommen habe er davon aber nie etwas, weil er selbst ja geschlafen habe und erst während des Kuschelns aufgewacht sei. Im Protokoll heißt es auch, er habe zugelassen, dass das Mädchen seinen Penis berührt, vor Gericht bestritt er dies.

Unbestritten dagegen blieb, dass er die Stieftochter beim Kuscheln auch berührt hat. Und natürlich sei es möglich, dass seine große Hand etwa beim Streicheln der Schulter auch die Brust berührt oder beim Streicheln des Bauches auch den Intimbereich gestreift habe. Überhaupt sei es ganz normal gewesen, sich überall zu berühren. Er erinnerte sich auch eine Situation in der die Stieftochter seine Hand in ihren Schritt gelegt hat. Allerdings habe er die Hand sofort weggezogen und dem Mädchen erklärt, dass er "nicht ihr Liebhaber sei, sondern ihr Vater". Ansonsten habe er mit ihr nie über das Kuscheln gesprochen oder verhindert, dass sie zum ihm ins Bett kommt.

Vor der Anzeige hatte die Stieftochter dem Angeklagten eine Kurznachricht zukommen lassen, in der sie erklärte, dass sie sich an Dinge von früher erinnere und wenn er ihr keine 500 Euro zahle, gehe sie damit zur Polizei. Die Ex-Frau des 41-Jährigen erklärte vor Gericht, dass sie sich nicht vorstellen könne, dass er jemals etwas Falsches mit ihren Kindern gemacht habe. Vielmehr hätten ihr die Tochter und auch deren Bruder immer wieder erklärt, wie gut der Stiefvater doch mit ihnen umgehe. Die Frau erzählte auch noch, dass die Tochter ihren Stiefvater regelrecht geliebt habe und sehr eifersüchtig gewesen sei, als er nach der Scheidung 2015 eine neue Partnerin gefunden habe. Die Tochter musste daraufhin sogar wegen Depressionen behandelt werden.

Bleibt noch die Diskussion über das Verhalten der Polizei. Der Angeklagte betonte mehrmals, dass er im Verhör unter Druck gesetzt wurde und vieles von dem, was im Protokoll stand, nicht so gesagt habe. Deshalb hatte er das Dokument auch nicht unterschrieben. In seiner Zeugenaussage bestätigte einer der Polizisten, dass einige Aussagen auf Vorhalt entstanden seien, also durch eine Ja-Antwort auf eine Frage des Polizisten. So wohl auch der Satz "Ich war kurz davor, den größten Fehler meines Lebens zu machen: meine Stieftochter vaginal zu vergewaltigen, mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben". Es könne schon sein, dass sein Kollege diese Wortwahl benutzt hat, aber der Angeklagte habe ja nicht dagegen protestiert.

Trotzdem zeigte sich der Staatsanwalt davon überzeugt, dass alleine das, was der Angeklagte vor Gericht zugegeben hat, für eine Verurteilung ausreicht. Nach einer 45-minütigen Unterbrechung in der sich erst Anwalt, Staatsanwalt und Richter und dann Anwalt und Angeklagter berieten, zog der 41-Jährige seinen Einspruch zurück und akzeptierte den Strafbefehl.

© SZ vom 02.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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