Fürstenfeldbruck:Ein lautes Servus zum Abschied

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Rotlichtbezirk: Die große Abschluss-Sause in den historischen Räumen von Fürstenfeld. (Foto: Günther Reger)

Die letzte "Red-Lounge"-Party ist so gefragt, dass gar nicht alle in die Veranstaltungstenne hinein dürfen. Wer es geschafft hat, feiert zu dröhnender Elektro-Musik. Alle hoffen, dass es irgendeinen Ersatz geben wird

Von Katharina Knaut, Olching

Klar zeichnen sich die Umrisse des Kloster Fürstenfeld vor dem Nachthimmel ab. Die weißen Mauern, der prächtige, beleuchtete Uhrenturm - jeder Zoll des Gebäudekomplexes verströmt die Mischung von Gediegenheit und Altehrwürdigkeit, die einem Kloster, auch einem ehemaligen, einfach eigen ist. Ein Schein, eine Fassade an diesem Abend. Denn hinter den würdevollen Eingangstoren tanzen die Menschen, es dröhnen die Bässe. Die "Red Lounge", laut Veranstaltern die größte Party des Münchener Westens, findet zum letzten Mal in Fürstenfeldbruck statt.

Das Ereignis findet in der Fürstenfeldbrucker Jugend ein gewaltiges Echo. Schon bei Beginn der Veranstaltung um 22 Uhr reicht die Schlange vom Eingang über den halben Vorplatz des Veranstaltungsforums. Mehr eine Stunde müssen die Partygänger warten, um eingelassen zu werden, teilweise in Rock, Top und hohen Schuhen. Niemand will sich die letzte Feier der Veranstaltungsreihe entgehen lassen, die 15 Jahren der Brucker Jugend alle paar Monate einen Ort für durchtanzte Nächte geboten hat. Entsprechend groß ist das Bedauern über das Ende. Grund war eine Entscheidung des Veranstaltungsforums, die Räume nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Gründe sind unter anderem der Verschleiß am Gebäude, die Kritik durch Anwohner und die Unvereinbarkeit mit anderen Veranstaltungen. Vor allem über die Beschwerden wegen Lärmbelästigung durch Partygäste und Musik schütteln viele den Kopf. "Was für Anwohner denn?", fragt ein junger Mann und weist auf die Umgebung. Er kommt aus Fürstenfeldbruck und versteht die Aufregung nicht. "Wenn die Jugend in München feiern geht und dann von der S-Bahn nach Hause läuft, ist das doch dasselbe." Er bedauert das Ende der Partyreihe sehr. "Es gibt wirklich nichts anderes. Das macht die Gegend hier nicht attraktiver."

Vieles sei geschlossen worden, sagen drei Frauen aus Olching. "Vor allem für Elektromusik gibt es mittlerweile in der Umgebung gar nichts mehr", erklärt eine von ihnen. Alle drei sind über 30. Eine von ihnen war schon bei der Anfangszeit der Red Lounge dabei, als sie sich von einer Privatparty zu einem landkreisweiten Event entwickelte. Zum letzten Abend wollte sie mit ihren Freundinnen noch einmal kommen, obwohl sie schon lange nicht mehr dort war. Alle drei hoffen, dass sich die Bemühungen von den Veranstaltern und einigen Lokalpolitikern auszahlen und die Red Lounge vielleicht doch weiterhin stattfinden kann. Sie wissen auch schon wo: "In der Legends Lounge in Olching!"

Weil die Nostalgie so groß ist, erleben viele die letzte Party dann doch nicht mehr. Von 23.30 Uhr an ist Einlassstopp - zu groß ist der Andrang. Etliche harren zunächst noch aus, dann zerstreut sich die Menge allmählich. Auch die Olchingerinnen geben das Warten schließlich auf. Während draußen der Platz immer leerer wird, kommt drinnen die Party in Fahrt. Ein Schritt durch die Eingangstür zur Tenne, und den Besucher empfängt sofort die charakteristische Klub-Mischung aus lauter Musik, Wärme und dem Geruch nach Trockeneisnebel. Etliche Menschen haben sich auf der Tanzfläche versammelt und bewegen sich zum Spiel des DJs. Die Unterschiede zwischen den Tänzern könnten dabei nicht größer sein: Einige wiegen sich lediglich halbherzig im Takt, andere bewegen ihre Beine in unglaublich erscheinender Geschwindigkeit und Koordination. Die Musik ist rhythmisch, Gesang erklingt selten: Die Area ist den Liebhabern des Elektro vorbehalten.

Hier herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Die einen wenden sich zum Ausgang, in Richtung Außenbereich. Die anderen streben durch den Raum zum nächsten Durchgang. Dort öffnet sich die Tenne zur zweiten, deutlich größeren Hauptarea, dem Herzen der Veranstaltung. Rote Scheinwerfer tauchen die Halle in schummeriges rotes Licht, durchbrochen von dünnen blauen Strahlen, die über die Holzbalken an der Decke blitzen. Drei Bars versorgen die Gäste mit Longdrinks, Shots und alkoholfreien Getränken. Die meisten versammeln sich aber auf der Tanzfläche und bewegen sich zu Liedern aus den Neunzigern, Zweitausendern sowie aktuellen Hits.

Dabei achten die Veranstalter darauf, ihrer - fast schon trotzigen - Ankündigung auf Facebook nachzukommen: "Wir sagen laut servus!", heißt es da. Das Publikum nimmt das begeistert auf, alle scheinen die letzte Veranstaltung auskosten zu wollen. Die Gäste strecken die Hände in die Luft, singen bekannte Textzeilen mit und jubeln, wenn ein bestimmtes Lied angespielt wird. Über allem schweben riesige Leinwände an den Wänden, natürlich in Rot, mit einem geschwungenen, schwarzen "R" darauf - dem Zeichen der Red Lounge.

© SZ vom 07.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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