Fürstenfeldbruck:Die Bürger rüsten auf

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Pfefferspray, CS-Gas und Gaspistolen sind neuerdings Verkaufsschlager. Vor allem Frauen wollen sich bewaffnen. Fachleute warnen allerdings vor einem trügerischen Sicherheitsgefühl

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Die Bürger fühlen sich verunsichert. Und wollen sich bewaffnen. Anders lässt sich nicht erklären, dass die Zahl der erteilten kleinen Waffenscheine im Vorjahr im Vergleich zu 2014 fast um das Dreifache gestiegen ist. Und der Anteil der Frauen, die sich bewaffnen, stark zugenommen hat. Auch Pfefferspray, eigentlich nur zur Abwehr von Tieren erlaubt, und CS-Gas fragen die Menschen plötzlich so stark nach, dass es zu Lieferengpässen kommt. Das erhöhte Sicherheitsbedürfnis steht offenbar in Zusammenhang mit den vielen Asylbewerbern. Experten warnen allerdings vor dem Gebrauch von Abwehrsprays oder dem Mitführen von Waffenattrappen, da das im Ernstfall zu einer Eskalation der Gewalt und auch eigenen Verletzungen führen kann.

2014 hat Ulrich Dax aus der Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung im Landratsamt 41 Personen einen kleinen Waffenschein erteilt. Im Vorjahr waren es 110, im soeben begonnenen Jahr bereits 41, weitere 21 Anträge liegen vor. Der kleine Waffenschein umfasst sogenannte SRS-Waffen, also Schreckstoff-, Reizstoff und Signalwaffen. Seit so viele Flüchtlinge in den Landkreis kommen, habe das Bedürfnis der Bürger nach Sicherheit deutlich zugenommen, sagt der Sachbearbeiter mit bald 20 Jahren Berufserfahrung. Ein solches Interesse habe er bislang noch nie erlebt. "Zurzeit kriege ich mindestens zehn Anrufe pro Tag." Auf eine bestimmte Personengruppe ist das Interesse nicht beschränkt. Was Dax aber aufgefallen ist: "Es sind wesentlich mehr Frauen als früher." 2014 seien es noch 90 Prozent Männer gewesen, inzwischen dürfe sich das Geschlechterverhältnis nahezu angeglichen haben, schätzt Dax.

Dax und Michael Fischer, Pressesprecher der Brucker Polizeiinspektion, warnen vor einem falschen Sicherheitsgefühl, das Abwehrsprays oder auch Waffenattrappen vermitteln können. Der Mann aus dem Landratsamt spricht von einem "vermeintlichen Sicherheitsgefühl, das auch nach hinten losgehen kann". Denn zunächst muss man die Waffe im richtigen Moment zur Hand haben. Bei Sprays ist zudem die Windrichtung zu beachten. Außerdem: "Es gibt Leute, die fast nicht darauf reagieren", etwa weil sie alkoholisiert sind, sagt Fischer. Und was, wenn der Angreifer selbst bewaffnet ist und die eigene Gaspistole für eine echte Schusswaffe hält? "Meine Botschaft ist, sich zweimal überlegen, ob man sich ein waffenähnliches Mittel zulegt", betont der Polizeibeamte. Und wenn es ein Abwehrspray ist, sollte es unbedingt das PTB-Siegel der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt tragen. Andere Pfeffersprays könnten einen Verstoß gegen das Waffengesetz bedeuten. Dax empfiehlt alternativ einen sogenannten Schrillalarm. Das Gerät verletzt nicht, macht aber ohrenbetäubenden Lärm, der viele Angreifer durch den Überraschungseffekt vertreibt.

Den Käufern von CS-Gas und Pfefferspray allerdings scheint der Gedanke noch nicht gekommen zu sein, dass ihr Erwerb sie selbst gefährden könnte. Sonst wäre wohl die Nachfrage nicht so groß. "Die Leute kaufen Pfefferspray, sie kaufen Gaspistolen, dass die Lieferanten nicht hinterherkommen", berichtet ein Ladeninhaber aus Fürstenfeldbruck, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Das Interesse sei 2015 mit den vielen Flüchtlingen stark angewachsen. Dass die Kunden deshalb plötzlich eine Waffe kaufen wollten, hat der Brucker in mehreren Gesprächen mit Kunden erfahren, die sich selbst, ihre Frauen oder Kinder beschützen wollten. Das Aufrüsten begann schon vor der Silvesternacht, als in Köln Hunderte Frauen sexuell genötigt und bestohlen wurden. Doch die Nachfrage sei seither noch einmal angestiegen, sagt der Brucker: "Köln merkt man definitiv."

Dass zu Beginn des neuen Jahres noch mehr Pfefferspray verkauft worden sei, kann Florian Korbginski nicht bestätigen. Der Marktleiter vom Brucker Hagebaumarkt beschreibt die Nachfrage nach Pfefferspray "nur zur Tierabwehr" als gleichbleibend hoch, etwa seit Oktober. Dieses Interesse ist aber auch für ihn neu: "Ich bin jetzt 20 Jahre im Baumarkt, nach Pfefferspray hat mich früher keiner gefragt."

© SZ vom 30.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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