Fürstenfeldbruck/Dachau:Gemeinsamer Triumph

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Mehr als 3000 Menschen demonstrierten im März 1989 in Geiselbullach gegen die Wiederaufbereitungsanlage. (Foto: Toni Heigl)

Die Protestbewegung gegen die Wiederaufbereitungsanlage für Aluminiumsalzschlacke in Geiselbullach feiert 25. Jubiläum. Erfolgreich verhinderten Bürgerinitiativen, Politiker und Naturschützer den Bau

Von Walter Gierlich, Fürstenfeldbruck/Dachau

An den erfolgreichen Kampf gegen die atomare Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf können sich wohl die meisten Bayern erinnern. Zumal erst 2014 ganz groß an das 25. Jubiläum des Sieges der Bürgerinitiativen und Naturschützer über die mächtige Atomlobby im Jahr 1989 erinnert wurde. Weitgehend in Vergessenheit geraten ist hingegen der jahrelange Kampf um eine andere - nicht so gefährliche, aber ebenfalls gesundheitsschädliche - Wiederaufarbeitungsanlage (WAA), dessen glückliches Ende sich in diesem Sommer zum 25. Mal jährt: 1991 kam das Aus für die geplante Wiederaufarbeitungsanlage für Aluminiumsalzschlacke in Geiselbullach an der Grenze zwischen den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck. Das erstmals 1985 öffentlich gemachte Vorhaben sollte neben der Müllverbrennungsanlage der beiden Landkreise errichtet werden.

Es war ein Schock für die Bürger der heutigen Stadt Olching, auf deren Gebiet der Standort der WAA liegen sollte, und auch für die Nachbarn im südlichen Landkreis Dachau, als im August 1987 das Raumord-nungsverfahren für die geplante Anlage der Firma Süddeutsche Aluminium-Salzschlacke-Aufbereitungsgesellschaft mbH (Sasag) mit einem positiven Bescheid endete. Die Sasag, die zur Emmeringer Alu-Schmelze Sommer und einem Frankfurter Mitgesellschafter gehörte, wollte in Geiselbullach laut Raumordnungsunterlagen jährlich 116 000 Tonnen Material recyceln, "darunter 80 000 Tonnen Aluminium-Salzschlacke, 17 500 Tonnen minderwertige Krätze und 18 500 Tonnen Krätzestaub".

Das Gelände, das die Sasag vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds erworben hatte, erschien dem Unternehmen gleich aus mehreren Gründen für Reststoffverwertung hervorragend geeignet. Zum einen befand sich im nahen Emmering der Hauptsitz der Firma Sommer, zum anderen führt die Autobahn München-Stuttgart vorbei, deren Anschlussstelle Dachau-Fürstenfeldbruck in unmittelbarer Nähe liegt. Weitere und vielleicht entscheidende Motive dürften die Deponie im Sulzemooser Ortsteil Wiedenzhausen, auf der Sommer Salzschlacke lagerte, und die erhoffte Nutzung der Abwärme aus der benachbarten Müllverbrennungsanlage gewesen sein.

Doch rasch formierte sich Widerstand gegen das Vorhaben der Sasag von Bürgerinitiativen, kirchlichen Gruppierungen, dem Bund Naturschutz, dem Mieterverein und - anders als bei der WAA Wackersdorf - örtlichen Politikern aller Parteien einschließlich der CSU. Von einem völlig falschen Standort war die Rede, weil das Projekt das Landschaftsschutzgebiet Amperauen tangiert hätte. Zudem gab es vor allem in Olching Befürchtungen wegen einer nicht mehr hinzunehmenden Verkehrsbelastung. Besonders starker Protest gegen die Alu-Anlage erhob sich in den östlich angrenzenden Kommunen Bergkirchen und Karlsfeld, die wegen der meist vorherrschenden Westwinde Angst vor Luftverschmutzung durch Staubemissionen hatten. Allein die Karlsfelder CSU überreichte ihrem Parteifreund, dem damaligen bayerischen Umweltminister Alfred Dick, Anfang 1988 Tausende Protestunterschrif-ten.

Der frühere Landrat Hansjörg Christmann (CSU) übergab dem Vizepräsidenten der Regierung von Oberbayern, die das Genehmigungsverfahren durchführte, exakt 12 113 Unterschriften gegen das WAA-Projekt, welche die Aktionsgemeinschaft "Ärzte und Apotheker gegen die Sasag" gesammelt hatten. Die mehr als 60 Mediziner und Pharmazeuten befürchteten wegen der Emissionen eine Zunahme von chronischen Atemwegserkrankungen in der Landkreisbevölkerung. Im kleinen Bergkirchner Ortsteil Feldgeding stellten sich bis Anfang 1988 insgesamt 1500 Bürger gegen das Vorhaben in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Und der damalige Bergkirchner Bürgermeister Hubert Huber (CSU) rief bei einer Veranstaltung der Katholischen Landvolkbewegung im März 1988 sogar aus: "Wir werden etwas tun, und wenn's bis zur Sabotage geht!" Allerdings schränkte er dann doch ein: "Sprengen wollen wir sie nicht."

Als das Planfeststellungsverfahren im Frühjahr 1989 anlief, stellten die Stadt Dachau, die Gemeinden Karlsfeld und Bergkirchen sowie der Bund Naturschutz vorgedruckte Formulare mit Ablehnungsbegründungen zur Verfügung, so dass Tausende Einwendungen bei der Regierung von Oberbayern eingingen. Das Genehmigungsverfahren zog sich hin, die Regierung als federführende Behörde prüfte Antragsunterlagen und Einwendungen, und prüfte, und prüfte . . .

Im Sommer 1991 hörte man dann erste Gerüchte, dass das ganze Verfahren ebenso enden könnte wie das WAA-Projekt in Wackersdorf, nämlich mit einem Rückzieher der Betreiber. Die Firma Sommer hatte nämlich kurzfristig einen Erörterungstermin platzen lassen. Es folgte zunächst ein Dementi von Sasag-Geschäftsführer Hermann Sommer, ehe schließlich doch das Ende verkündet wurde. In mageren vier Zeilen teilte der Sasag-Anwalt der Regierung von Oberbayern mit, dass das Projekt "nicht weiterverfolgt" und der Planfeststellungsantrag zurückgezogen werde. Anders als in Wackersdorf, wo bis zum Aus umgerechnet rund fünf Milliarden Euro bereits verbaut waren, hatte es in Geiselbullach wenigstens noch keinen Spatenstich für die WAA gegeben.

Die Firma Sommer, Hauptgesellschafter der Sasag, die ihre geplante Alu-Recyclinganlage bis zum Schluss als Beitrag zum Umweltschutz bezeichnet hatte, meldete Ende 1992 Insolvenz an. Bis 2004 dauerte später die Sanierung des Firmengeländes in Emmering. Die Schlacke-Deponie in Wiedenzhausen, die ein Geschäftsmann erwarb und gegen heftige Bürgerproteste zu einer Sondermüll-Deponie ausbaute, blieb noch jahrelang in Betrieb. Sie wurde erst 2003 endgültig verfüllt, abgedichtet und rekultiviert.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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