Fürstenfeldbruck:"Am Anfang macht man viele Fehler"

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Christian Schmitt, vor der Orgel der Bamberger Symphoniker, betreut eben dort eine Konzertreihe und ist ansonsten komplett freiberuflich unterwegs. (Foto: Michael Trippel/oh)

Christian Schmitt hat einen Beruf, den es so eigentlich nicht gibt. Der 40-Jährige ist freier Konzertorganist und gehört zu den gefragtesten Musikern an seinem Instrument. Vor seinen beiden Auftritten im Landkreis spricht er über seine Karriere, besondere Instrumente und die Wichtigkeit von Wettbewerben

Interview von Florian J. Haamann, Gröbenzell

Christian Schmitt gehört zu den gefragtesten Organisten in Deutschland. Der 40-Jährige hat bereits zahlreiche Wettbewerbe gewonnen, 2013 wurde er mit dem Echo-Klassik ausgezeichnet. Seitdem tritt er bis zu 70 Mal im Jahr auf der ganzen Welt auf. An diesem Wochenende ist er gleich zweimal im Landkreis zu hören: am Samstag in Gröbenzell und am Sonntag in Fürstenfeld.

SZ: Herr Schmitt, Sie haben schon auf unzähligen Orgeln gespielt. Dennoch ist das Instrument in Gröbenzell etwas Besonders. Haben Sie sich schon darauf vorbereitet?

Christian Schmitt: Ich weiß natürlich, dass es eine sehr ungewöhnliche Orgel ist, ein ganz tolles Projekt und eine Innovation für die Orgelwelt. Aber wie sonst auch, lasse ich mich von dem Instrument vor Ort überraschen. Ich bin sehr gespannt darauf, wie es klingt. Wichtig ist natürlich auch, dass man sich mit dem Veranstalter bei der Programmgestaltung abspricht. Er weiß nicht nur, was zum Instrument passen könnte, sondern auch, was zum Publikum vor Ort passt.

Wie schwierig ist es, sich in kurzer Zeit an ein neues Instrument zu gewöhnen?

Ich spiele ja ungefähr 70 Konzerte im Jahr, auf verschiedensten Instrumenten in der ganzen Welt, also bin ich das gewohnt. Es gehört einfach zur Professionalität, dass man sich relativ schnell auf ein Instrument einstellen kann. Was mir dabei hilft, sind die vielen Wettbewerbe, die ich früher gespielt habe. Da war es auch Pflicht, innerhalb von zwei Stunden ein Programm von 45 Minuten zu proben. Das war ein gutes Training.

Wie sieht ihr Einspielprozedere denn konkret aus?

Normalerweise ist es so, dass ich jedes Register der Orgel kurz anspiele, um einen Eindruck vom Klang zu kriegen. Als nächstes versuche ich dann ein Gefühl für die Mischfähigkeit der Register zu bekommen. Damit ich merke, was wie zusammen passt, wie ich ein schönes Crescendo gestalten kann. Das sind Dinge, mit denen man sich am Anfang beschäftigt. Und dann gehe ich in die einzelnen Werke rein.

Welche Werke haben Sie denn für das Konzert in Gröbenzell ausgewählt?

Das Programm gibt verschiedene Epochen wieder. Wichtig ist mir immer, dass ich an modernen Orgeln auch moderne Stücke mit rein nehme. Diesmal spiele ich etwas von Messiaen und Pärt, Werke also, in denen auch speziellere Klänge auftauchen. Dazu gibt es romantische Klänge und natürlich - das gehört bei der Orgel einfach dazu und wird auch erwartet von den Besuchern - Bach. Der gehört einfach zur Orgel, wie guter Wein zu gutem Essen. Ich werde auch ein bisschen moderieren, um den Zuhörern das Verständnis zu erleichtern.

Macht es für Sie einen Unterschied ob sie beispielsweise in Wien oder eben in Gröbenzell spielen?

Das ist natürlich etwas ganz anders. Aber vor allem akustisch. Man muss sich immer komplett neu auf den jeweiligen Ort einlassen und sich individuell vorbereiten. Es gibt ja Kathedralen mit acht Sekunden Hall.

Sie sind Leiter der Bamberger Orgelreihe. Haben Sie sonst feste Engagements?

Ich bin seit mehreren Jahren ganz frei unterwegs, bis auf die Reihe, die ich seit zwei Jahren verantworte. Das sind aber nur vier Konzerte pro Saison. Dort haben wir es geschafft, dass die Orgel auch solistisch im Abo des Orchesters auftaucht. Das ist natürlich toll, weil es einen ganz anderen Hörerkreis erschließt. Wir hatten schon einmal in zwei Konzerten fast 3000 Zuhörer. Das ist natürlich wichtig für unser Instrument, gute Werbung zu machen.

Ansonsten sind Sie aber als freier Konzertorganist unterwegs. War das eine bewusste Entscheidung?

Ich habe ganz traditionell Kirchenmusik studiert und die Konzertreife gemacht. Aber ich habe sehr früh auch Wettbewerbe gespielt und ein paar Preise gewonnen. Dann hat man die Wahl, ob man eine Stelle annimmt oder es doch frei zu probieren. Da sich das relativ schnell gut entwickelt hat, bin ich dabei geblieben. Anfangs waren es 30 Konzerte im Jahr, jetzt sind es 70. Dabei gibt es den Beruf des Konzertorganisten eigentlich gar nicht. Ich bin da also in etwas hineingeraten, bei dem mir niemand sagen konnte, mach es so oder so. Man muss es dann einfach probieren, genau wie bei Konzertpianisten. Aber wenn man keinen großen Wettbewerb gewinnt, ist es wirklich schwer, an Engagements zu kommen.

Aber wenn man es wie Sie geschafft hat, ist es wahrscheinlich toll, auf der ganzen Welt spielen zu können.

Es ist einfach ein ganz anderes Leben. Ich habe ja auch als Kirchenmusiker gearbeitet und weiß, was es bedeutet acht Messen pro Woche zu spielen oder an einem Sonntag gleich vier. Das ist die Tradition aus der ich komme und in die ich auch zurück gehen könnte. Aber so wie es jetzt ist, finde ich es natürlich unglaublich spannend und interessant. Vor allem, weil ich oft an Orten spielen kann, an die man als Kirchenorganist so nur schwer hinkommt.

Klingt aber auch nach einer Menge Stress. Gibt es nicht manchmal den Wunsch, es etwas ruhiger angehen zu lassen?

Naja, das Ruhige kann und muss man sich selbst einteilen. Auch das muss man erst lernen. Dass man eben nicht 15 verschiedene Programme im Monat spielen kann. Am Anfang macht man da viele Fehler, aber mit 40 weiß man dann schon, was man sich zumuten kann und was nicht.

Sie spielen ja nicht nur auf der ganzen Welt, sondern haben immer wieder auch Stellen als Gastdozent. Wie würden Sie denn die internationale Orgelszene beschreiben?

Gerade in den nordischen Ländern gibt es einen großen Bedarf an Programmen für die Konzerthallen. Genauso ist es in China. Da wurden beispielsweise in den vergangenen fünf Jahren sechs neue Klais-Orgeln gebaut, in Shanghai gibt es eine neue Rieger-Orgel, die doppelt so groß ist wie die in Gröbenzell. Aber die Instrumente werden nur selten gespielt, ich habe dort im vergangenen Oktober das einzige Konzert der Saison gespielt. Es ist natürlich ein Problem, wenn man solche großen Instrumente da stehen hat und dann wird dort nichts gemacht, außer alle zwei Jahre eine Wartung, die 25 000 Euro kostet. Das ist, als ob man sich ein teures Auto kauft und es nur in die Garage stellt. Da muss mit der Zeit noch ein Bewusstsein dafür entstehen, dass Orgeln nicht nur visuell, sondern auch klanglich einiges bewirken können.

Und wie steht es um den Nachwuchs?

Das Niveau ist in einigen Ländern sehr hoch, beispielsweise in Japan, Rumänien oder Ukraine. Aber auch in Deutschland gibt es teilweise sehr gute junge Leute, wie man bei den Wettbewerben immer wieder sieht. Wichtig ist aber, dass sie dann auch eine Plattform bekommen, denn die gibt es nicht automatisch. Wir lassen in Bamberg beispielsweise auch jede Saison junge Leute spielen, die einen Wettbewerb gewonnen haben. Es gibt auch Wettbewerbe, die sich neu ausrichten und statt einem Preisgeld Konzertmöglichkeiten ausloben. Die Frage ist nur, gehen diese jungen Menschen dann das Risiko ein, sich auf die freiberufliche Schiene zu wagen?

Was raten Sie den jungen Leuten denn?

Wenn mich jemand nach meiner Meinung fragt, sage ich immer, dass es eine Grundvoraussetzung ist, einen großen Wettbewerb zu gewinnen. Nur so werden sie auf dem Markt bekannt, die Leuten können sie hören und sagen, Mensch, der ist so toll, den möchte ich noch einmal erleben. Wichtig ist auch, dass man sich ein Netzwerk aufbaut. Ich glaube, es kommt nicht so sehr auf das Spiel an, weil das Niveau sowieso hoch ist, sondern darauf, wie gut man es schafft, sich eine Karriere aufzubauen.

Christian Schmitt, "Organ meets great classics", Samstag, 20. August, von 20 Uhr an im Stockwerk Gröbenzell. Der Eintritt kostet 23,80 Euro. Am Sonntag, 21. August, spielt er dann von 12.10 Uhr an bei einem Konzert an beiden Orgeln der Brucker Klosterkirche.

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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