Flüchtlingspolitik:Landratsamt prüft Bau von Zeltstädten

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Wird es so auch im Landkreis Fürstenfeldbruck? Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt schaut im Oktober 2015 ein Flüchtling in Berlin aus einem beheizten Zelt. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Es lassen sich kaum mehr Unterkünfte für Geflüchtete finden. Landrat Thomas Karmasin kündigt deshalb außergewöhnliche Maßnahmen an. Auch Beschlagnahmungen sind möglich.

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Die Unterbringung von Geflüchteten im Landkreis wird immer schwieriger. Im Landratsamt hält man deshalb auch den Aufbau von Zelten nicht mehr für ausgeschlossen. Parallel prüft die Kreisverwaltung mögliche Standorte für Wohncontainer, um den zugewanderten Menschen eine Bleibe zu verschaffen. Es werde alles versucht, um Beschlagnahmungen zu vermeiden, heißt es dazu aus dem Landratsamt.

Dennoch bleibt die Beschlagnahmung von Immobilien eine Option. Landrat Thomas Karmasin (CSU) hatte schon vor zwei Monaten mit der Mitteilung aufgeschreckt, dies in Erwägung zu ziehen, weil andere Möglichkeiten fehlten. In Frage kämen Gewerbeimmobilien wie leer stehende Hallen, allerdings keine Privatwohnungen oder Privathäuser. Dass privat genutzter Wohnraum nicht beschlagnahmt werde, wird in einer Pressemitteilung des Landratsamtes jetzt noch einmal eigens betont.

Der Amperpark in Emmering steht im neuen Jahr nicht mehr zur Verfügung

Der Landkreis steht unter Handlungsdruck. Die Kapazität an Unterkunftsplätzen gilt als "weitestgehend erschöpft", wie das Landratsamt schreibt. Jede Woche werden dem Landkreis dennoch etwa 50 Geflüchtete zugeteilt. In den dezentralen Unterkünften des staatlichen Landratsamtes sind derzeit knapp 2000 Personen untergebracht zuzüglich weiterer 80 Personen in einer staatlichen Gemeinschaftsunterkunft in Germering, die der Regierung von Oberbayern untersteht. In der Dependance der Ankereinrichtung auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck befinden sich nach Auskunft der Regierung von Oberbayern noch einmal etwas mehr als 1000 Personen, damit ist sie voll. 280 Plätze fallen künftig weg, weil der Amperpark in Emmering - eine ehemalige Tennissportanlage, die die Eigentümer nun bebauen wollen - vom neuen Jahr an nicht mehr zur Verfügung steht. Weil dort zuletzt auch noch die Heizung ausgefallen war, wurde ein Großteil der dort Untergebrachten bereits verlegt. Für die übrigen organisiert das staatliche Landratsamt derzeit ebenfalls neue Quartiere.

In der alten Schule an der Heckenstraße sollen im Erdgeschoss Geflüchtete unterkommen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Eine neue Alternative fand sich jetzt in Olching mit der Schule an der Heckenstraße, deren Erdgeschoss bisher nicht oder nur eingeschränkt genutzt wird. Bereits in den Jahren 2014 und 2015 waren dort unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Laut Landratsamt können dort kurzfristig etwa 30 Plätze geschaffen werden. Die Stadt Olching hatte der Kreisbehörde das Objekt angeboten. Olchings Bürgermeister Andreas Magg (SPD), der auch Kreisrat ist, hatte vor wenigen Tagen in der Kreistagssitzung Karmasins aktuelle Klage über fehlende Unterbringungsmöglichkeiten gehört.

Bis Mitte Januar muss voraussichtlich für weitere 150 Personen eine Bleibe geschaffen werden. Auch mögliche Beschlagnahmungen von Immobilien hat das Landratsamt inzwischen geprüft und weist nun darauf hin, dass sie "nur als allerletztes Mittel zur Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben zulässig" seien. Dabei wurde auch geprüft, ob die Maßnahme verhältnismäßig ist, und berücksichtigt, ob es sich um öffentliches oder privates Eigentum handelt. Privat genutzten Wohnraum will das Landratsamt nicht beschlagnahmen, öffentliche Liegenschaften sind hierbei für die Behörde mit einem geringeren rechtlichen Risiko verbunden. Das Landratsamt macht darauf aufmerksam, dass die Eigentümer bei Beschlagnahmungen ein Recht auf Entschädigungsleistungen haben, zum Beispiel den entgangenen Mietzins oder Zahlungen für Schäden, die von dort Wohnenden verursacht wurden.

Auch Wohncontainer könnten eine Lösung sein

Derzeit prüft das Landratsamt auch, ob große, beheizbare Hallen, Versammlungsstätten oder Gewerbeobjekte für eine Unterbringung umgerüstet und mit Sanitäreinrichtungen ausgestattet werden können und welche Standorte sich für die Aufstellung von Wohncontainern oder Zelten eignen könnten. Zelte gebe es auch in Berlin oder München, sagt Karmasin der SZ, wenngleich er um deren Problematik im Winter weiß und er sie "energetisch eigentlich für unverantwortbar" hält. Auf den Messeparkplätzen in München-Riem stehen bereits Zelte, in Berlin werden solche auf dem Areal des alten Flughafens Tegel errichtet. Die Lösung ist hier wie dort aus der Not geboren, es gibt anderweitig keine Unterkünfte. Noch einmal Schulturnhallen für die Unterbringung von Geflüchteten nutzen wie 2015 und sie dem Schulsport entziehen, möchte Karmasin nicht.

Über das Problem fehlender Quartiere, das Fürstenfeldbrucks Landrat auch als Präsident des Bayerischen Landkreistags bereits thematisiert hatte, klagen auch Landkreise in anderen Bundesländern. Martina Schweinsburg (CDU), seit 1994 Landrätin im Fürstenfeldbrucker Partnerlandkreis Greiz und Präsidentin des Thüringischen Landkreistags, erinnert in einem Interview für das Branchenorgan "Der Landkreis: Zeitschrift für kommunale Selbstverwaltung" daran, dass die Landkreise "spätestens seit 2015 mit der ersten Flüchtlingswelle im Krisenmodus" seien: Die Kommunen forderten deshalb von Bund und Land "genau die Unterstützung, die die dort beschlossene Flüchtlingspolitik für uns umsetzbar macht". In ihrer Kritik an der Bundespolitik ist sie sich einig mit Thomas Karmasin. Schweinsburg sagt: "Zurzeit erscheint es mir besonders weltfremd, immer wieder tolle Versprechen zu machen, ohne die finanziellen und logistischen Konsequenzen für die jeweiligen Aufgabenträger zu bedenken." Auch Bernd Woide (CDU), Landrat in Fulda, ehemaliger Präsident des Hessischen Landkreistags und jetzt dessen Vizepräsident, betont: "Wir haben unsere Kapazitätsgrenzen erreicht. Wir brauchen eine Begrenzung des Flüchtlingszuzugs."

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