Ernährung:Einkaufen per App

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Heidemarie Hirschfelder (links) und Bernadette Peis (rechts) stellen die unterschiedlichen Stationen des digitalen Ernährungsparcours vor. Lisa Ayernschmalz begibt sich mittels VR-Glasses auf eine virtuelle Reise durch den menschlichen Körper. (Foto: Günther Reger)

Die Landwirtschaftsschule zeigt, welchen Einfluss die Digitalisierung künftig auf die Ernährungsgewohnheiten haben kann. Das Informationsangebot wird hauptsächlich von Fachberaterinnen angenommen, die ihr Wissen an junge Familien oder Schüler weitergeben

Von Marisa Gierlinger, Fürstenfeldbruck

Essensanlieferung per Drohne, Roboter als Einkaufshilfen oder kontaktloses Zahlen am Beispiel des ersten Amazon-Go-Supermarkts. Ein Beamer projiziert an eine Wand der Brucker Landwirtschaftsschule verschiedene digitale Innovationen, die unser Einkaufsverhalten in den nächsten Jahren revolutionieren könnten. Auf den Tischen daneben werden verschiedene Apps für Ernährung und Bewegung präsentiert - geprüft und ausgewählt vom "Kompetenzzentrum für Ernährung". Es galt, bestimmten Kriterien zu entsprechen: Datenschutzfreundlich mussten sie sein, kostenlos und dabei unabhängige Verbraucherinformationen bieten.

Die Zeiten sind längst vorbei, in denen man dem uns umgebenden medialen Unterhaltungskomplex pauschal eine Mitschuld an mangelhafter körperlicher Fitness oder unausgewogener Ernährung zuschreiben konnte. Wie für alles andere auch gibt es digitale Möglichkeiten wie Sand am Meer, die sich der körperlichen und gesundheitlichen Optimierung widmen. Einige der neuen Möglichkeiten stellt das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Rahmen der Bayerischen Ernährungstage vor. Diesjähriges Thema: Digitalisierung.

Der kleine Parcours, der in dem Raum der Landwirtschaftsschule aufgebaut ist, soll Aufschluss über verschiedene Themen geben. Wie digital lebe ich jetzt schon? Wie kann ich mein Smartphone produktiv einsetzen - zu Hause, beim Einkaufen oder für die Ernährungsplanung? Was war noch mal der Unterschied zwischen Couscous und Bulgur - und was kann man überhaupt damit anfangen? Die App: "Zu gut für die Tonne", etwa soll einen bewussten Umgang mit Lebensmitteln vermitteln und zeigen, was man mit unterschiedlichen Resten noch alles anstellen kann. "Es müssen nicht immer die Bratkartoffeln sein", sagt Heidemarie Hirschfelder. "Man kann zum Beispiel auch einen leckeren Aufstrich aus übrigen Kartoffeln machen."

Hirschfelder ist die Verantwortliche für den Aktionstag "Ernährung im digitalen Zeitalter". Sie zeigt sich etwas enttäuscht darüber, dass nicht so viele Interessierte gekommen sind, wie erhofft. Insbesondere die Zielgruppe, die man versucht habe zu erreichen, junge Eltern ist dann doch ausgeblieben. "Ich glaube, dass die Bevölkerung bei dem Thema zum Teil gesättigt ist. Und viele haben auch Scheu." Dabei gäbe es hier einiges zu lernen. Es gibt einen eigenen Informationsstand mit vielen Materialien zu Ernährung vor und während der Schwangerschaft, zur Verpflegung in Kindertagesstätten und Grundschulen. Auch die vom Ministerium abgesegneten Apps seien oft bessere Alternativen, als sich in der Vielzahl der teils gewinngetriebenen Angebote selbst zurechtzufinden. Lifestyle, Trends, attraktives Äußeres, kohlehydratarme Diäten - das seien häufig die Schwerpunkte der Nutzer. "Weiter gehen die meisten nicht", bedauert Hirschfelder.

Gekommen sind an diesem Tag ausschließlich Frauen. Die meisten von ihnen sind untereinander beruflich vernetzt und in verschiedenen Fachzentren für das Landratsamt tätig. Das hier erworbene Wissen dient ihnen als fachlicher Hintergrund oder zur späteren Vermittlung an die jeweiligen Klienten. Die 49 Jahre alte Ernährungsberaterin Christine Weiß bedient eines der ausliegenden Tablets, um sich eine interaktive Ernährungspyramide anzusehen. Sie will sich informieren, um die App danach Schülern in ihren Kursen vorzustellen. Bewegungsreferentin Mirjam Hilliges' Ziel ist es wiederum, Eltern aufzuklären. Privat verwendet die 46-Jährige wenig Apps, auch das Handy hat sie nicht immer dabei. Sie findet es dennoch wichtig, mit der jungen Generation auf Augenhöhe zu bleiben, was die Wege der Vermittlung betrifft. "Man muss sich auch als Eltern informieren, um positiv in die Nutzung einzuwirken", findet Hilliges. Und verwechselt kurz darauf zu ihrem eigenen Amusement QR- und Barcode. Ein Auge hat sie vor allem auf die zur Verfügung stehenden VR-Glasses geworfen. "Die will ich später unbedingt ausprobieren."

Im Moment hat die virtuelle Brille noch Lisa Ayernschmalz auf. Das Gerät auf dem Kopf sitzt sie konzentriert auf einem Stuhl, dreht und kippt den Kopf hin und her. Während des vierminütigen interaktiven Durchgangs durch die Organe manövriert man sich mit Blicken allein durch einen virtuellen menschlichen Körper. "Es ist verrückt", sagt die 26-Jährige. "Man ist wirklich mittendrin. Man kann in die Lunge reinzoomen und die Bläschen sehen. Oder man schwimmt mit den Blutkörperchen und lernt, wie sich Bewegung und Ernährung auf einen gesunden Herzmuskel auswirken." Ayernschmalz arbeitet im Regionalmanagement des Landratsamts und beschäftigt sich gerade mit lokaler Nahversorgung. Die vornehmlich infrastrukturellen Themen will sie hier durch fachliche Hintergründe erweitern. Die Vermittlung durch den virtuellen Rundgang ist für sie eine gelungene Idee.

Christine Weiß probiert mittlerweile einen der vorbereiteten Bulgursalate mit Petersilie. "Das ist interessant für meine Wildkräuterkurse. Statt Petersilie kann man Giersch verwenden." Privat genießt auch sie das digitale Leben mit Vorsicht. Sie spricht vom zellulären Stress, dem Suchtfaktor. Digitaler Mittel bedient sie sich nach eigenen Worten nur sehr gezielt - ist aber in diesem Fall für das Angebot dankbar.

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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