Energiewende:"Windkraft sollte mehr sein als ein Lippenbekenntnis"

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Ziel-21-Vorsitzender Gottfried Obermair bezweifelt, dass der Landkreis seine selbst gesteckten Ziele beim Klimaschutz erreicht

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Ostern steht im christlichen Glauben nicht nur für Auferstehung, sondern wird auch interpretiert als Appell zur Bewahrung der Schöpfung. Einen zentralen Beitrag hat hier der Klimaschutz zu leisten. Deshalb hat sich der Landkreis Fürstenfeldbruck das Ziel gesetzt, bis 2030 komplett auf nachhaltige Energieträger umzustellen. Ein Teil der Energie soll eingespart, der verbleibende Teil aus regenerativen Quellen erzeugt werden. Gottfried Obermair hat vor eineinhalb Jahren die Leitung des Klimawendevereins Ziel 21 übernommen. Er erklärt, wo der Landkreis steht.

SZ: Also, Herr Obermair, wie sieht's nun aus mit dem Klimaschutz im Landkreis?

Gottfried Obermair: Schwierige Frage, denn mit genauen Zahlen lässt sich das kaum belegen. Auch deshalb hat der Kreistag jüngst ein Gutachten in Auftrag gegeben. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass es eigentlich nicht so gut aussieht. Es müsste besser aussehen. Das fängt schon bei der Politik an. Denken Sie mal dran, welchen Stellenwert Umweltschutz und Energiewende bei den Koalitionshandlungen hatten.

Erste Pläne für Carsharing mit E-Mobilen, wie es sich Gottfried Obermair wünscht, gibt es im Landkreis bereits, so etwa in Fürstenfeldbruck. (Foto: Andreas Prost/Imago)

Keinen besonders großen.

Richtig. Und das, obwohl auch hier in Bayern die Bevölkerung wächst und mit ihr der Energiebedarf. In ganz Bayern gibt es vier Anfragen für den Bau von Windrädern. Ganze vier! Das sagt doch schon alles. Andererseits gibt es auch ein paar ermutigende Signale. Auf Regionalmessen tauschen wir von Ziel 21 alte Glühbirnen gegen moderne und sparsame LED-Lampen aus. Da sagen uns die Leute oft: Brauchen wir gar nicht mehr, wir haben daheim schon komplett umgestellt.

Das ist aber ein bisschen wenig, wenn immer mehr der Menschen im dicken Geländewagen zur Messe fahren.

Auch wieder richtig. Natürlich müssen wir alle uns noch viel stärker an die eigene Nase fassen in unserem Alltag. Nur das Gewissen zu beruhigen, ist ein bisschen wenig. Wäre schon schön, wenn die Windkraft nicht nur ein Lippenbekenntnis ist und man die zwar wortreich begrüßt, sich dann aber gegen den Bau neuer Anlagen zur Wehr setzt, weil man die nicht schön findet. Alle müssen zur Energiewende beitragen. Da gehört das Windrad ebenso dazu wie zum Beispiel der vierspurige Ausbau der Bahnlinie München-Augsburg. Veränderungen in der Landschaft durch die Energiewende müssen einerseits verträglich sein und sich andererseits auf viele Schultern verteilen. Und das ist schließlich um Längen besser als zum Beispiel der Braunkohletagebau mit all seinen katastrophalen Folgen für die Landschaft, die Umweltverschmutzung und das Klima.

Der Germerswanger Gottfried Obermair, 58, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist Solarfachberater sowie Gemeinde- und Kreisrat der Freien Wähler, für die er im Landtag für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. (Foto: Johannes Simon)

Welchen Beitrag leistet Ziel 21?

Wir setzen in diesem Jahr vor allem auf Umweltbildung und wollen noch aktiver auf die Schulen zugehen. Wir arbeiten gerade an einem begleitenden Energieunterricht für dritte und vierte Klassen. Wenn sich das im Juni bewährt, wollen wir das Angebot auf den ganzen Landkreis ausdehnen. Am Gymnasium Olching stehen Biogasanlagen im Blickpunkt, mit dem Puchheimer Gymnasium führt eine Energie-Radtour an die Orte der Erzeugung Erneuerbarer Energien im Landkreis, um einen Praxisbezug herzustellen.

Wie könnte man die Klimawende im Landkreis besser in Schwung bringen?

Eine Möglichkeit wäre es, Ziel 21 zur Energieagentur auszubauen. Dafür müsste man im Vorfeld sicherlich mehr Geld in die Hand nehmen. Für größere Vorhaben könnten andererseits zum Beispiel im Bildungssektor Fördermittel von Bund und Land in Anspruch genommen werden. Immerhin ist es uns gelungen, die Zahl der mit uns kooperierenden Handwerksbetriebe in den vergangenen 18 Monaten in etwa zu verdreifachen. Und auch unsere Energieberatung wird inzwischen besser nachgefragt. Ganz aktuell planen wir Informationsveranstaltungen zur Fotovoltaik, da sich bei uns Anfragen nach Fotovoltaik in Verbindung mit Eigenverbrauch, Speicherung und E-Mobilität erfreulicherweise häufen. Fotovoltaik ist in den letzten Jahren leider etwas ins Hintertreffen geraten.

Klingt ja nicht schlecht, wenn man das eigene Elektroauto mit dem selbst erzeugten Strom antreibt. Müssten aber nicht gerade da die Persönlichkeiten mit gutem Beispiel vorangehen? Warum fährt der Landrat kein Elektroauto?

Das müssen Sie ihn selbst fragen. Aber es ist schon richtig, dass bekannte Persönlichkeiten mit gutem Vorbild vorangehen sollten. Und Elektromobilität macht übrigens auch Spaß. Auch ich habe mir ein Elektroauto angeschafft und es ist tatsächlich ein tolles Auto. Es hat zwar nur hundert Kilometer Reichweite. Aber meistens ist man mit so einem Kleinwagen ohnehin auf Kurzstrecken unterwegs, und somit reicht eine Ladung für eine Woche. Und nachts oder am Sonntag kann man das Auto an die Steckdose hängen. Manche Gemeinden oder Städte haben schon Elektroautos im Fuhrpark. Noch ein Schritt weiter wäre es, wenn man die im Zuge von Carsharing zum Beispiel an Abenden oder Wochenenden auch den Bürgern zugänglich machen könnte - allein schon deswegen, um die auf den Geschmack zu bringen und zu zeigen, dass das gut funktioniert.

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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