SZ-Serie: "Hippes von hier":Hundehalsbänder gehen am besten

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Tom Sander liebt die Arbeit mit Leder, gern fertigt er Gürtel an. (Foto: Leonhard Simon)

In seiner Werkstatt in Emmering fertigt Tom Sander aus Leder Gürtel, Geldbeutel und Schlüsselanhänger an. Er hat schon viele Moden erlebt, momentan kaufen Kunden besonders gern Accessoires für ihr Haustier.

Von Peter Bierl, Emmering

Das große Kellerzimmer ist gefüllt mit Regalen und Schubschränken. Dort finden sich Rollen mit Leder, Gürtelschnallen in allen Formen und Größen, Nieten, Perlen und Steine in unterschiedlichen Farben für Verzierungen. Auf einem Schneidetisch liegen spezielle Messer und Scheren, auf den Werkbänken stehen Nähmaschinen, Handstanzen und Spindelpressen. Der große Raum dient als Werkstatt, Lager und Büro. In einem kleinen Vorraum ist der Showroom. Überall duftet es nach Leder. So sehen die Geschäftsräume von Tom Sander aus. Der 62-Jährige hat Wirtschaftsmathematik in Ulm studiert bis nach dem Vordiplom, dann aber aus einer Passion seinen Beruf gemacht.

Seinen ersten Gürtel hat Tom Sander als Kind hergestellt. (Foto: Leonhard Simon)

Freude an Handarbeit

Schon die Eltern waren in der Modebranche tätig, er selbst hatte bereits als Kind viel Freude an Handarbeiten. Einmal hat er sich als Kind im Urlaub auf Ibiza einen Gürtel gekauft, bloß die Schnallen in dem Geschäft gefielen ihm überhaupt nicht, das passende Stück suchte er sich lieber in einem anderen Laden aus. Sein Vater besaß ein Pferd, dazu Werkzeug, um das Zaumzeug zu reparieren. Damit fing Sander an, Gürtel zu verschönern, anfangs mit indianischen Motiven. Die gefallen ihm noch heute am besten, er trägt einen Armreif und eine Kette mit solchen Ornamenten.

Es gibt aber auch Schnallen mit Autos, Motorrädern, Totenschädeln, Wikingersymbolen oder Edelweiß und sehr massive Ausführungen in Silber. In den Schubladen finden sich Schnallen in Form von Stierschädeln, ein Longseller, besonders gefragt in der Szene der Biker- und Westernfans, die zu Sanders treuesten Kunden zählen. Es gibt aber auch Schnallen in Gestalt von Buddha oder Ganesha, dem indischen Elefantengott.

Geld fürs Studium

Sander gefällt der Geruch des Leders, das Material und wie es sich anfühlt, er liebt es, damit zu arbeiten. Wenn er Leder kauft, dann muss Sander immer aufpassen, dass er nicht zu viel nimmt. Seit 1987 fabriziert er Lederaccessoires wie Gürtel, Geldbeutel, Schlüsselanhänger, Tankpads für Motorräder, Stirnbänder für Pferde, Taschen für Handys oder Messer und Hundehalsbänder. Anfangs wollte Sander damit sein Studium finanzieren. Ohne viel Werbung zu machen, ist daraus ein kleines Familienunternehmen geworden.

Im Lauf der Zeit hat er etliche Modewellen miterlebt. Zuerst waren Trachtenmotive gefragt, mit Edelweiß auf den Schnallen, dann kamen die Biker, die Totenköpfe bevorzugen. Zu den treuesten Kunden zählen seit vielen Jahren die Westernreiter. Sander hat Sicherheitsgurte für ein Kettenkarussell, Paulanergürtel, Golfbags für Oldtimer-Porsche und eine Kindertrage aus Leder und Holzstangen im indianischen Stil gebastelt, die ans Pferd gehängt wurde.

Bei Hundehalsbändern kann Sander eine große Vielfalt anbieten. (Foto: Leonhard Simon)

Inzwischen fertigt Sander mehr Hundehalsbänder als Gürtel für Menschen, er ist sogar in den Großhandel eingestiegen. Manche Stücke sind teilweise einfach gehalten, andere reich verziert mit Perlen und Steinen, Nieten und Bändern. Der Preis für ein Band liegt je nach Ausführung zwischen 50 und 135 Euro. Weil Sander selbst keinen Hund hatte, konnte er anfangs die Begeisterung nicht nachvollziehen. Inzwischen weiß er, dass es Hundebesitzer gibt, die bis zu acht solcher exklusiven Bänder kaufen, eine Kundin im Raum Düsseldorf soll sogar 50 Exemplare für ihr Haustier besitzen. Halsbänder für Katzen kommen für Sander nicht in Frage, weil die Tiere sich auf ihren Streifzügen damit verheddern und verletzen könnten.

Bis zu vier Stunden Arbeit

Die Gürtel schneidet er aus dem Leder passend zu, stanzt Löcher und Ösen, fädelt Bänder ein, setzt Nieten auf, fügt Schnallen ein. Bei aufwendigeren Stücken, wenn er etwa Perlen auffädelt, dauert das bis zu vier Stunden. Außerdem fabriziert Sander Geldbeutel aus Leder, ursprünglich kam die Nachfrage aus der Gastronomie, die Kellnerinnen wollten große und schöne Börsen haben. Inzwischen hat Sander auch kleinere Exemplare im Angebot, alle mit ähnlichem Zubehör und Motiven geschmückt wie die Gürtel. Dazu gibt es eine Auswahl an Schlüsselanhängern und etwas Silberschmuck. Sander stammt aus Puchheim, erst hatte er eine kleine Werkstatt in Olching und seit 2003 ist der Firmensitz in Emmering.

In Sanders Geschäft gibt es eine große Auswahl an Gürtelschnallen. (Foto: Leonhard Simon)

Seine Kunden kommen aus Deutschland und Österreich, gelegentlich aus der Schweiz und Frankreich, die Hundehalsbänder verkauft er auch im Großhandel. Manche kommen mit ihrem Hund bei ihm vorbei, um eine Maßanfertigung zu besprechen und das Material und die Verzierungen auszuwählen. Die Corona-Pandemie konnte er dank Webshop ( www.tom-sander-online-shop.com) überstehen, in dem treue Stammkunden bestellten.

In einer Ecke des Kellerraums ist das Büro eingerichtet, seine Frau erledigt die Buchhaltung. Vor der Pandemie hatte er mehrere Aushilfen, vor allem für große Veranstaltungen wie das Tollwood in München. "Man muss gesund sein, um 30 Tage lang bis 23.30 Uhr am Abend am Stand zu stehen", sagt er. Anders als Geschäftsleute in anderen Branchen klagt Sander nicht über Lieferengpässe, bloß haben sich die Preise inzwischen verdoppelt, vor allem für Beschläge.

Messen und Ausstellungen

Anfangs verkaufte Sander seine Werke auf dem Brucker Christkindlmarkt, auf dem Marktsonntag in Olching ist er mit einem Stand vertreten, heuer wird er auf das Food-Truck-Festival in Bruck gehen. Er präsentiert seine Gürtel beim US-Car-Meeting in Bad Tölz oder auf einem Harley-Davidson-Treffen in Kärnten mit 60 000 Besuchern. Dort hat er auch schon Kunden aus Moskau kennengelernt. Insgesamt ist Sander etwa 100 Tage im Jahr unterwegs auf Messen und Ausstellungen. Dafür hat er einen eigenen Verkaufsanhänger, der acht Meter lang ist, mit einer kleinen Werkstatt an Bord für Reparaturen und individuelle Wünsche nach Schnallen und Nieten. Er hat kaum Konkurrenz. "Ich bin ein Solitär, wir haben alle Nachahmer überlebt", sagt Sander.

Die Menschen in Münchens Umland sind extrem kreativ. In der Serie "Hippes von hier" stellen wir Ihnen Beispiele für ausgefallene Geschäftsideen vor.

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