Eichenau:Brutaler Streit ums Kind

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"Mein Kind, mein Kind, ich sehe nichts!" Einem Vater aus Eichenau ist der Sohn gewaltsam entrissen worden - von der Mutter und ihren Helfern.

Andreas Ostermeier und Ekkehard Müller-Jentsch

Noch immer fehlt von Sacha jede Spur: Der 17 Monate alte Bub war am späten Dienstagnachmittag in Eichenau (Landkreis Fürstenfeldbruck) seinem Vater bei einem Spaziergang brutal entrissen und in einem Auto weggebracht worden. Die Polizei vermutet hinter der Tat einen Sorgerechtsstreit zwischen den Eltern, dem 54-jährigen Eichenauer Michael R. und der Mutter des Buben, einer 38-jährigen Französin, die jetzt in Paris lebt. Beide hatten das Sorgerecht für den Buben, stritten aber offenbar immer noch gerichtlich um die Betreuung. Das Kind lebte zuletzt beim Vater in Eichenau.

Einem Vater aus Eichenau ist der Sohn bei einem Spaziergang gewaltsam entrissen worden - von dem kleinen Sacha fehlt noch immer jede Spur. (Foto: Hartmut Pöstges)

Es müssen dramatische Szenen gewesen sein, die sich am späten Dienstagnachmittag in der Siedlung am Eichenauer Starzelbach abgespielt haben. Nachbarn berichten von Schreien in "Todesangst". Das Opfer selbst, der 54-jährige Michael R., schilderte der Polizei und im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung die Tat so: Bei einem Spaziergang am Starzelbach seien er und sein Sohn von seiner Frau und vier Männern abgefangen worden. Er sei gekratzt und geschlagen worden, zudem habe ihm seine Frau mit einem Pfefferspray ins Gesicht gesprüht, so dass er kaum noch etwas habe sehen können.

Mitsamt dem Sohn seien die Mutter sowie deren Helfer in einem schwarzen Auto geflüchtet. Michael R. sei hilflos zurück geblieben und habe nur noch "Mein Kind, mein Kind, ich sehe nichts!" rufen können. Eine Nachbarin kümmerte sich dann um den verletzten Vater von Sacha und alarmierte Rettungsdienst und Polizei. Trotz einer sofort eingeleiteten Fahndung und Kontrollen entlang der Bundesstraßen 2 und 471 sowie auf der Stuttgarter Autobahn hat die Polizei hat das Auto mit dem Kind und der Mutter bislang nicht gefunden. Es werde aber weiterhin nach dem Wagen gesucht, sagte ein Sprecher des zuständigen Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord am Mittwoch. Die Fahndung konzentriere sich jetzt aber auf Fahrzeuge mit französischem Kennzeichen.

Da beide Elternteile das Sorgerecht haben, handle es sich juristisch nicht um eine Entführung des Kindes. Man ermittle aber wegen Kindsentziehung gegen die Mutter. Für das Kind sehe die Polizei "keine aktuelle Gefahr", obwohl der Verbleib von Sacha weiter unklar ist. Stefan Priller, Leiter der Inspektion in Olching, sprach lediglich von einem Sorgerechtsstreit, "der eskaliert" sei. Vater und Mutter - die Französin wohnt seit Ende vergangenen Jahres nicht mehr in Eichenau - wollen beide eine Betreuung des 17 Monate alten Sohnes durchsetzen.

Dass Eltern den Kampf um ihren Nachwuchs so handgreiflich wie in Eichenau austragen, ist außergewöhnlich. Nicht aber, dass Kinder von Mama oder Papa "entführt" werden. Sophie von Ballestrem, Familienrichtern am Münchner Amtsgericht, ist häufiger mit solchen Fällen konfrontiert.

Denn gemeinsam mit ihrer Kollegin Birgit Benesch hat sie eine Sonderzuständigkeit für den gesamten Oberlandesgerichtsbezirk München, wenn Kinder von einem Elternteil ohne Wissen des Partners aus dem Ausland nach Deutschland gebracht worden sind. Im vergangenen Jahr hatten die beiden Münchner Amtsrichterinnen zusammen etwa 16 derartige Fälle zu entscheiden, in diesem Jahr fünf.

© SZ vom 19.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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