Nachbarschaftshilfe:Tierische Angestellte

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Acht Ziegen aus Gröbenzell dürfen im Auftrag der Stadt Dachau einen Hang abgrasen. (Foto: Heigl)

Acht Ziegen aus Gröbenzell pflegen den Dachauer Altstadthang

Von Benjamin Emonts, Dachau/Gröbenzell

Es ist bereits eine Viertelstunde nach Mitternacht, als ein Notruf beim Dachauer Tierheim eingeht. Ein Polizist vermeldet das - wie sich herausstellen wird - vermeintlich Unglaubliche: Hinter dem Rathaus in der Dachauer Altstadt laufen Ziegen umher. Die Leiterin des Tierheims Silvia Gruber erzählt der SZ, wie sie mit fünf Ehrenamtlichen wenig später auf der Terrasse des Rathauses eintrifft - und nichts sieht als Dunkelheit. "Dann plötzlich: Glockenläuten." Der Suchtrupp sei vorsichtig durch das Dunkel getappt, habe sich Schritt um Schritt die schmale Fußgängertreppe den Rathaushang hinab begeben. Schließlich, hinter einem Bauzaun, kommen sie zum Vorschein: acht Ziegen, männlich und weiblich, klein und groß, braun und weiß.

Tierheimleiterin Silvia Gruber atmet auf. Ursprünglich hatte sie befürchtet, die Ziegen seien ausgebüxt und würden frei auf dem Karlsberg herumlaufen. Sie stellte sich viele Fragen: "Wie transportieren wir zehn Ziegen? Und wie bringen wir sie unter?" Nun aber dämmert ihr allmählich, dass die Tiere sich wohl ordnungsgemäß in dem eingezäunten Areal hinter dem Rathaus aufhielten. Zumal der Wirt des benachbarten Zieglerbräus, der den Suchtrupp trotz Dunkelheit erblickt hatte, für Aufklärung sorgte: Es handle sich um ein Projekt der Stadt. Überhaupt kein Grund zur Sorge also.

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) teilt schließlich am Dienstagnachmittag offiziell mit: "Am Rathaushang werden acht Ziegen über einen Zeitraum von etwa sechs Wochen zum Abfressen von Gehölzen eingesetzt." Demnach testet die Stadt eine etwas ungewöhnliche Möglichkeit der Landschaftspflege. Das Experiment soll insbesondere zu Erkenntnissen führen, inwieweit beispielsweise der Aufwuchs von Gehölzen wie dem Essigbaum durch die Ziegenbeweidung kurz gehalten werden könne. Da Schafe nur Gras und kleine Gehölze fressen, habe sich das Stadtbauamt bewusst für den Einsatz von Ziegen entschieden. Hartmann: "Diese kommen mit dem steilen Hang auch sehr gut zurecht."

Was bei Nacht unmöglich zu erkennen war: Die Ziegen sind teilweise durch einen Elektrozaun eingezäunt. Im unteren Bereich des Hangs bildet der Mühlbach eine natürliche Grenze. Das benachbarte Anwesen, das sich an der Aktion beteiligt, bildet die östliche Grenze. Die Wasserversorgung der Tiere erfolgt durch Tröge. Als Unterstand dient der breite Dachüberstand eines kleinen Sommerhauses, unter den sich die Ziegen bei Regen selbständig zurückziehen können. Bleibt die Frage, woher die Tiere eigentlich kommen: Aus den Alpen? Oder gar aus den Pyrenäen? Nein. Sie kommen aus Gröbenzell, also quasi aus direkter Nachbarschaft. Ihr Besitzer, ein dort ansässiger Landwirt, schaue täglich nach seinen Tieren, sagt OB Hartmann.

Ganz selbstlos ist das städtische Ziegenprojekt freilich nicht. Hartmann: "Ein erfolgreiches Abfressen der Gehölze würde eine erhebliche Arbeitserleichterung und Kostenersparnis bei der Pflege des Rathaushangs bedeuten." Und er ergänzt: "Die Stadt wünscht seinen neuen tierischen Angestellten: Guten Appetit." Als Silvia Gruber und die Ehrenamtlichen des Tierheims aus dem Schlaf gerissen wurden, nahmen sie's anfangs weniger humorvoll. Am Ende aber, das beteuert Silvia Gruber, "blieb ein Schmunzeln".

© SZ vom 10.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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