Corona:Skepsis gegenüber der Impfpflicht

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Zeit der Oberarme: Eine Person erhält eine Impfung gegen das Coronavirus. (Foto: Leonhard Simon)

Im Gesundheitswesen ist man nicht glücklich über die Maßnahme, die zunächst nur die Beschäftigten der eigenen Berufsgruppe betrifft. Die Kreisklinik hofft, Kündigungen vermeiden zu können

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Die Leitung der Kreisklinik Fürstenfeldbruck sieht die Einführung einer Impfpflicht nur für Beschäftigte im Gesundheitswesen und für Pflegekräfte kritisch. Diese Maßnahme nur auf einen Sektor zu beschränken, bringe nicht den besten Erfolg, erklärt eine Pressesprecherin auf SZ-Anfrage. Eine generelle Impflicht sei zielführender. Auch Dirk Spohd, der das Seniorenheim der Diakonie in Eichenau aufbaute und bis 2019 leitete, ist skeptisch. "Man muss alles tun, um die Pandemie zu brechen", beteuert der Impfbefürworter. Er befürchtet aber, dass die Einführung dieser Vorgabe zum 15. März 2022 wegen des generellen Personalmangels in der Pflege kontraproduktiv wirke und daher einem Ritt auf der Rasierklinge gleichkomme. Eine Impfpflicht einseitig nur für Pflegekräfte durch die Hintertür einzuführen und nicht generell für alle, werde der Sache nicht gerecht. Sie treffe gerade diejenigen, die seit dem Ausbruch von Corona zuerst unter Einsatz ihres Lebens und schlecht geschützt die Gesellschaft seit fast zwei Jahren durch die Pandemie tragen. Das sei unangemessen.

Spohd verweist zudem darauf, dass es Aufgabe der Politik sein sollte, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und damit zur Behebung des Personalmangels beizutragen, statt diesen durch eine auf diese Berufsgruppe beschränkte Impfpflicht zu vergrößern. Würden nur zwei Prozent der Betroffenen kündigen, verliere die Pflege eine gehörige Zahl dringend benötigter Kräfte. Ein solches Berufsverbot für Ungeimpfte betrifft nicht nur diejenigen, die am Krankenbett stehen, sondern auch alle Mitarbeitenden der Hauswirtschaft. Das Küchen- oder Reinigungspersonal könne sofort von Seniorenheimen und Kliniken in die freie Wirtschaft wechseln. Mangelt es doch in Restaurants und Hotels auch an solchen Fachkräften. Mit einer allgemeinen Impfpflicht lasse sich ein solcher Effekt verhindern.

Als Geschäftsführer von "Hilfe im Alter" trägt Spohd für alle zehn Seniorenheime der Diakonie im Großraum München Verantwortung. Er verweist darauf, dass im Ethikrat des Trägers der Seniorenheime, dem Spohd angehört, das Für und Wider einer Impfpflicht kontrovers diskutiert werde. Er rät zu einer differenzierten Betrachtung. Wie er berichtet, liege bei Pflegekräften und Mitarbeitenden der Diakonie die Impfquote mit 90 Prozent im ambulanten Bereich und 75 Prozent im stationären schon jetzt weit über dem Landesdurchschnitt.

Man habe viel erreicht und hätte den Rest eventuell auch noch überzeugen können, ist sich Spohd sicher. Nun komme es aber zu Irritationen. Die Mitarbeitenden hätten Fragen. Beispielsweise, ob sie entlassen werden, wenn sie ungeimpft bleiben, und ob sie dann Arbeitslosengeld erhalten oder nicht. Spohd stellt noch weitergehende Fragen. Beispielsweise die, warum es für diejenigen, die Familienangehörige pflegen, oder für über 65-Jährige keine Impflicht geben soll. Gepflegt werde doch nicht nur in Seniorenheimen. Zudem gelte die moralische Pflicht, besonders Gefährdete zu schützen, nicht nur für die Gesundheitsbranche.

In der Kreisklinik hofft man, Kündigungen vermeiden zu können. Auszuschließen sei das laut der Pressesprecherin nicht. Da das Klinikpersonal einen Querschnitt der Bevölkerung abbilde, sei die Bandbreite der Meinungen so groß wie auch sonst in der Gesellschaft. Die Impfquote des Personals am Klinikum wird als sehr hoch bezeichnet. Wie es heißt, werden von ärztlicher Seite seit langem Gespräche geführt, um den Zweifeln der Impfskeptiker mit Informationen zu begegnen. Diese sollen nun noch einmal gezielt angeschrieben und angesprochen werden. Sehr gut angenommen werde seit einigen Wochen das Angebot, sich unkompliziert in der Klinik impfen zu lassen.

Optimistisch gibt sich dagegen der Geschäftsführer des Oekumenischen Sozialdienstes Gröbenzell. Christian Wrba verweist auf den hohen Anteil von 99 Prozent geimpfter Mitarbeitender in der ambulanten Pflege und einem ähnlich hohen in der Tagespflege. Die Mehrheit der Pflegekräfte teile seine Meinung und befürworte das Impfen, weil es nicht nur dem Schutz der Patienten und Betreuten, sondern auch dem Eigenschutz diene. Zurzeit können sich die Mitarbeiter in den Räumen des Sozialdienstes von einem Betriebsarzt boostern lassen und damit ihren Impfschutz verbessern. Dieses Angebot werde gut angenommen.

Wrba verweist auf seine Erfahrungen als ehrenamtlicher gesetzlicher Betreuer. In dieser Funktion musste er miterleben, dass einige seiner ungeimpften Schützlinge an Corona erkrankten und starben. Bereits seit Ostern verteilte der Sozialdienst an Mitarbeitende spezielle waschbare FFP2-Masken aus Stoff. Diese erleichtern das Atmen und damit das Arbeiten. Wrba zeigt sich überzeugt, bis zur Einführung der Impfpflicht für alle Beschäftigen eine Lösung zu finden. Er setzt dabei auf das persönliche Gespräch. Vielleicht sei bis dahin auch ein Totimpfstoff zugelassen, also ein alternativer Impfstoff, dem Skeptiker mehr vertrauen.

Auch Spohd geht davon aus, dass sich bis zur Einführung der Impfpflicht noch viele impfen lassen. Durch Information habe man viel erreicht. In der Kreisklinik bereitet man bereits Maßnahmen zur Umsetzung der Impfpflicht vor, auch wenn über den Gesetzestext hinausgehende Ausführungshinweise von Seiten des Ministeriums oder des kommunalen Arbeitgeberverbands noch nicht vorliegen.

© SZ vom 30.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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