Heftige Kritik üben Eltern im Landkreis daran, dass Kinder von diesem Montag an nur noch eingeschränkt die Kindertagesstätten besuchen und Unterricht wieder zum Teil als Homeschooling stattfinden soll. In einem gemeinsamen Schreiben kritisieren die Gesamtelternbeiräte der Grund- und Mittelschulen in Fürstenfeldbruck und Olching die Maßnahmen, die das Landratsamt von diesem Montag an verhängt hat, als "absolut unverhältnismäßig" und "nicht nachvollziehbar". Auch einzelne Eltern haben inzwischen Protestbriefe verschickt.
Die Maßnahmen, mit denen versucht wird, das Pandemiegeschehen einzudämmen, haben aus Sicht der Eltern erneut die Kinder zuerst getroffen - obwohl von der Politik das Versprechen gegeben worden sei, "dass die Schulen und Kindergärten solange wie möglich geöffnet bleiben und Schließungen und Beschränkungen das allerletzte Mittel seien", heißt es in dem Brief der beiden Gesamtelternbeiräte. Das Landratsamt hatte am Freitag angekündigt, dass von nun an soll bis zum 30. Oktober die Schulklassen geteilt werden und zwischen Präsenzunterricht an der Schule und Homeschooling abgewechselt wird. Eine Ausnahme gilt laut der Verfügung nur, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Schülern auch bei voller Klassenstärke eingehalten werden kann. Außerdem müssen Schülerinnen und Schüler aller Jahrgangsstufen eine Maske auch am Sitzplatz im Klassenzimmer tragen - während des Unterrichts, aber auch in den Ganztagesangeboten und Mittagsbetreuungen. Für Kindertagesstätten im Landkreis wurde ein eingeschränkter Betrieb angeordnet - entsprechend der Stufe drei des "Rahmen-Hygieneplans Corona für Schulen und Kindertagesbetreuung".
Die Stadt Olching weist auf ihrer Homepage schon mal darauf hin, dass der Regelbetrieb in den Kitas "voraussichtlich nicht in gewohnter Weise" stattfinden werde. Eltern sollten daher anderweitige Betreuungsmöglichkeiten in Betracht ziehen.
Die Gesamtelternbeiräte kritisieren, dass am vergangenen Freitag entschieden wurde, dass bereits an diesem Montag die Hälfte der Schüler "nicht mehr in die Schule gehen dürfen", es aber keine Notfallbetreuung gebe. Dabei würde Kinderbetreuungseinrichtungen nur ein sehr geringer Anteil am Infektionsgeschehen zugeschrieben, das habe jüngst auch eine Untersuchung nachgewiesen, die von Bundesministern vorgelegt worden sei.
Der Elternbeirat an der Puchheimer Grundschule am Gerner Platz fordert vor Einführung der Maßnahmen eine individuelle Betrachtung des Infektionsgeschehens an der Schule.
"Wir können die pauschalisierten Maßnahmen in unserem Landkreis nicht nachvollziehen, sagt die Elternbeiratsvorsitzende Tanja Olszak. Auch Alexandra Rutsch, Mutter zweier Kinder, hat sich eigenen Angaben zufolge auf die Aussagen der Politik verlassen, "dass bei der Notwendigkeit erneuter Maßnahmen Kinder absolut prioritär behandelt werden". Stattdessen seien Kinder zum "Spielball der Politik" geworden und müssten erneut hinter wirtschaftliche Interessen zurücktreten. Aus heiterem Himmel getroffen sehen sich auch die Puchheimer Familien Troglauer und Kalter. Auch sie fragen sich, wie es sein könne, dass "das Landratsamt vor allen anderen Maßnahmen die Schulen wieder auf ein Minimum herunterfährt". Am Freitag hätten sie um 11.30 Uhr erfahren, dass die Grundschule am Gerner Platz ihre 300 Schüler tageweise ins Homeschooling schicke - obwohl es nicht einen einzigen Corona-Fall an der Schule gebe. Christian Olbertz, Vater von vier Kindern, erinnert in einem offenen Brief, der unter anderem an Ministerpräsident Markus Söder und Fürstenfeldbrucks Landrat Thomas Karmasin (beide CSU) adressiert ist, daran, dass die vergangenen Schulschließungen "unsere Familie auf nahezu unerträgliche Weise beeinflusst haben" und Familien unter dem Stress litten. Alle Familien klagen auch über die Kurzfristigkeit der verhängten Maßnahmen. Wie berufstätige Eltern diese Situation "zum zweiten Mal meistern sollen, erklärt keiner", sagt Johanna Troglauer. Viele Beschäftigte hätten nicht mehr genügend Urlaubstage, um den Notbetrieb an Schulen und Kitas tragen zu können, wissen Anita Zillner und Jörg Koos, die beiden Vorsitzenden der Gesamtelternbeiräte aus Fürstenfeldbruck und Olching. Zudem hätten alle Eltern mittlerweile Erfahrungen gesammelt, welche psychischen Auswirkungen die Pandemiemaßnahmen auf die Kinder hätten.
Der Allinger Dominik Wattenberg, Vater zweier kleiner Söhne, wandte sich ebenfalls an den Ministerpräsidenten. Einer von Wattenbergs Söhnen befindet sich wegen eines Erstkontakts in der Schule für zwei Wochen in Quarantäne. Wattenberg fragt sich, warum er aber selbst bei zwei negativen Testergebnissen innerhalb von fünf Tagen nicht wenigstens an die frische Luft raus dürfe.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Gymnasiallehrer Michael Schrodi schickte zwischenzeitlich eine ganze Reihe entsprechender Fragen an den bayerischen Kultusminister Michael Piazolo (FW) und die Brucker Schulamtsleiterin Bettina Betz, die seit Mai auch CSU-Kreisrätin ist. Schrodi weist auch darauf hin, dass Eltern "nun wieder den schwierigen Spagat zwischen Betreuung und Beruf meistern" müssten. Landrat Karmasin verteidigte über die sozialen Medien das Vorgehen seines Amtes. Eine aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz von 96 mache diese Maßnahmen notwendig, schrieb er dort am Samstag: "Wir sind durch die Lage gezwungen, uns an die Vorgaben zu halten, die die bayerische Staatsregierung nach entsprechender wissenschaftlicher Beratung macht." Er stehe persönlich hinter den Vorgaben, "auch wenn man einzelne Details - wie immer im Leben - diskutieren mag".