Corona-Impfung:Zurückhaltung in Heim und Klinik

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Im Januar 2021 wird die Ordensschwester Irmengard im Fürstenfeldbrucker Pflegeheim Teresianum immunisiert. Für Über-60-Jährige empfiehlt die Stiko mittlerweile die vierte Impfung. (Foto: Theresianum)

Bislang hat sich in den Senioreneinrichtungen des Landkreises und im Krankenhaus lediglich etwa jeder zweite Mitarbeiter immunisieren lassen. Experten werten das als Beleg für anhaltenden Aufklärungsbedarf

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

In vielen Pflegeheimen des Landkreises und auch in der Kreisklinik ist beim Personal noch eine Zurückhaltung beim Thema Coronaimpfung zu spüren. Während die Quote unter den Bewohnern der Seniorenheime teilweise bei bis zu 95 Prozent liegt, hat sich in vielen Einrichtungen sowie im Klinikum offenbar bislang nur jeder zweite Mitarbeiter immunisieren lassen. Experten hoffen, dass diese Quote noch deutlich steigt. So auch Matthias Skrzypczak, der medizinische Leiter des Impfzentrums in Fürstenfeldbruck. Er habe als Mitglied des mobilen Teams die Erfahrung gemacht, dass es noch großen Informationsbedarf unter dem Personal gebe. Mit Gesprächen habe man aber durchaus erfolgreiche Überzeugungsarbeit leisten können.

Impfungen sind bei Seniorenbetreuern und medizinischem Personal freiwillig. Eine Impfpflicht für diese Berufsgruppen, wie sie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vorgeschlagen hatte, lehnen die meisten Fachleute im Landkreis ab. So auch Susanne Brenner, Leiterin des Evangelischen Pflegezentrums Eichenau, die Druck für kontraproduktiv hält: Mit einer Impfpflicht komme man gar nicht weiter, "das wäre überzogen und käme bei den Leuten hier gar nicht gut an". Auch sie setzt auf Überzeugungsarbeit durch Ärzte und schlicht auf mehr Zeit, um die Impfquote unter den Mitarbeitern noch deutlich über die 50-Prozent-Marke zu bringen. Am Freitag sollte das Pflegezentrum die letzte Senioreneinrichtung im Landkreis sein, die an die Reihe kommt.

Möglichkeiten, geimpfte Mitarbeiter oder solche, die bereits die Krankheit durchgestanden haben, beispielsweise dadurch zu entlasten, dass sie im Alltag nicht mehr die komplette Schutzkleidung tragen müssen, sei nicht möglich, so Susanne Brenner. Allein schon deshalb, weil bislang noch nicht feststeht, ob Menschen das Virus trotz Impfung nicht doch weiterverbreiten können.

Im Seniorenzentrum wird sehr offen über das Thema Impfung gesprochen. So akzeptiert auch Betreuerin Annemarie Daffner, 28, durchaus Gründe von Kolleginnen und Kollegen, die zumindest noch abwarten wollen. Sie selbst werde sich impfen lassen, erklärt sie am Dienstag. Sie wolle damit ihrer Verantwortung als Pflegefachkraft für Kollegen und vor allem für die betagten Bewohner nachkommen. Zudem sei eine hohe Impfbereitschaft unter der Bevölkerung ganz grundsätzlich "der einzige Weg, um aus dieser Pandemie herauszukommen." Auch sie hat gleichwohl abgewägt zwischen Nutzen und Risiko: Einerseits sind da ein möglicher schwerer Krankheitsverlauf nebst bis heute nicht geklärten Langzeitfolgen. Und andererseits kann es bei jeder Impfung zu Nebenwirkungen kommen, die in Ausnahmefällen ebenfalls schwerer verlaufen können. Und es gibt naturgemäß noch keine jahrelange Erfahrung mit den Impfstoffen. In der Gesamtabwägung war Annemarie Daffners Entscheidung aber sehr klar: "Corona ist das größere Problem. Es gibt nie eine hundertprozentige Sicherheit, aber ich befürchte keine Nebenwirkungen." Zumal sie sich aus seriösen Quellen gut informiert fühlt und auch den Rat des Hausarztes gesucht hatte.

Nicht impfen lassen wird sich eine Kollegin, die aus Sorge wegen möglicher Anfeindungen nicht namentlich genannt werden will. Und das, obwohl sie durchaus nachvollziehbare Gründe ins Feld führt - zurzeit sei das schlicht wegen gesundheitlicher Probleme nicht möglich. Sie werde das aber im Falle einer Besserung "eventuell im Laufe des Jahres nachholen". In ihrem Bekanntenkreis gebe es, so berichtet die Frau Mitte dreißig, allerdings durchaus Skepsis beim Thema Impfung - wegen der fehlenden Langzeiterfahrung. Das werde sich, so glaubt sie, wohl im Laufe der Zeit legen, wenn gravierende Fälle von Nebenwirkungen weiterhin ausbleiben. Sie habe den Eindruck, dass die etwas älteren Kollegen in der Sache aufgeschlossener seien als die jüngeren.

Ähnliche Erfahrungen gab es in anderen Seniorenheimen. So auch im Theresianum in Fürstenfeldbruck, das am 2. Januar an der Reihe war. Alle Impfungen von Mitarbeitern und Bewohnern wurden akribisch dokumentiert, zuvor waren Bewohner und Angehörige aufgeklärt worden über die Modalitäten und gesundheitlichen Voraussetzungen und hatten ihr Einverständnis erklärt. Hermann Schönherr, 91, war als Erster an der Reihe. Sein Fazit: "Kein Problem, nur so ein kleiner Stich." Sechs Stunden dauerte das Prozedere insgesamt, dann waren Heimleiter Armin Seefried zufolge 130 der 150 Bewohner und 70 der 118 Mitarbeiter geimpft.

Etwas zurückhaltender war bislang die Nachfrage im Klinikum. Für die vom Impfzentrum exklusiv für medizinische Personal angebotenen Termine hatten sich 411 von etwa 950 Pflegekräften oder Ärzten angemeldet. Auch dort können der Klinikleitung zufolge die bereits gegen Corona immunen oder geimpften Mitarbeiter bislang nicht auf Teile der Schutzausrüstung verzichten. Und die Klinikleitung sieht ebenfalls keine Einflussmöglichkeiten auf die Mitarbeiter. "Die Impfentscheidung ist eine persönliche Sache des Einzelnen", so Sprecherin Beate Brix. Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, hatte sich vor einer Woche noch sehr optimistisch gezeigt und von einer hohen Impfbereitschaft unter den Beschäftigten der bayerischen Kliniken sowie einer Quote von wohl mehr als 50 bis 70 Prozent gesprochen.

Eine noch bessere Quote könnte im Seniorenheim Gröbenzell unter Mitarbeitern erreicht worden sein: Leiterin Susanne Uhl schätzte sie auf etwa 80 Prozent. Sie selbst hatte sich öffentlichkeitswirksam impfen lassen, um Mitarbeiter zu motivieren.

© SZ vom 16.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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