Klassik:Sprechende Musik

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Emotionale Botschaften: Claudio Bohórquez am Violoncello und Pianist Péter Nagy bei ihrem Konzert im Fürstenfeldbrucker Stadtsaal. (Foto: Günther Reger)

Beim Duo-Abend mit Violoncello und Klavier im Stadtsaal schließen die Musiker das Publikum mit ein.

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Es ist nicht so einfach, wenn sich ein Duo aus Violoncello und Klavier späten Werken von Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms widmet. Genau solche reifen Kompositionen brechen aus Konventionen aus, beschreiten oft neue Wege und können dadurch zumindest partiell irritieren. Die Aufgabe von Musikern ist es nun gerade nicht, Kanten abzuschleifen und den Klang in gut verdauliche Häppchen zu separieren. Stellen sie sich den Herausforderungen, deren Chiffren im Notentext verborgen sind, dann entstehen aus den scheinbaren Zumutungen Interpretationen mit geradezu überbordender Ehrlichkeit. Und sie fordern die Konzentration der Zuhörer damit mächtig heraus.

Das Adagio überzeugt als erfüllte Zeit

Genau so war die Situation beim Konzert der Fürstenfelder Konzertreihe mit Claudio Bohórquez (Violoncello) und Péter Nagy (Klavier) am Samstag. Am Anfang stand Beethovens Sonate in C-Dur op. 102 Nr. 1. Schon in den ersten Tönen verwirklichten die Musiker das Prinzip von Gleichberechtigung in der Kammermusik, weil sie die Gewichtung für jeden Ton in adäquater Balance ausloteten. Sangliche Kantilenen im Cello hatten jenes Maß an Freiheit, das sie zum Leben erweckt. Dabei arbeitete das Duo Brüche so selbstverständlich heraus, als ob solche Passagen zum ersten Mal gespielt und gehört würden. Es entstand sprechende Musik, die die Kommunikation mit dem Hörer aufnahm. Das Adagio überzeugte als erfüllte Zeit. Im Schluss-Allegro war der Ton durch den Anschlag des Pianisten nuanciert herausgearbeitet, der Klang war von hoher Transparenz getragen. Trotzdem oder gerade deshalb verfolgten die Musiker einen intellektuellen Anspruch in ihrer Interpretation und schlossen auch das Publikum darin ein.

Die Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 2 in F-Dur op. 99 von Johannes Brahms stößt in verschiedener Hinsicht an Grenzen des Ausdrucks. Alle vier Sätze sind mit Allegro überschrieben und unterscheiden sich nur im Zusatz. Mit Allegro vivace ist der erste Satz überschrieben, hier stand die Dramatik des Beginns neben der Lieblichkeit der Kantilene, die sonore Tiefe neben der fast sphärischen Höhe, die Virtuosität neben dem leidenschaftlichen Ausdruck. Immer aber agierten beide Partner in wunderbarer Verzahnung und verstanden sich wechselseitig als Impulsgeber und Impulsempfänger.

Ruhepol zwischen den beiden Sonaten

Quasi als Ruhepol zwischen den beiden Sonaten erklang der Liederzyklus "Dichterliebe" op. 48 von Robert Schumann. Eine Übertragung des Vokalparts auf ein Instrument hat nicht nur zur Folge, dass der Text quasi in eine instrumentale Vokalise verschwindet, vielmehr ist es damit allein der musikalische Ausdruck, der zum Träger der emotionalen Botschaft wird. Bei Mendelssohns "Liedern ohne Worte" ist das kompositorisch von Anfang an mitgedacht, im konkreten Fall der Lieder von Schumann entstand es nachträglich. Der Cello-Virtuose Friedrich Grützmacher hatte die Bearbeitung im 19. Jahrhundert erstellt, um das Repertoire für sein Instrument zu erweitern.

Dieser Herausforderung waren sich die beiden Musiker auf der Bühne bewusst, denn sie begegneten ihr mit hohem Einsatz und musikalischer Überzeugung. Leider enthielt das Programm die Titel der 16 Lieder nicht, was den Zuhörern als Fingerzeig ein noch intensiveres Erlebnis hätte verschaffen können. Einen ganz schwärmerisch Tonfall wählte das Duo in "Ich will meine Seele tauchen", die Befreiung von einer großen Last war in "Ich grolle nicht" zu hören und sehr innig-weich, dabei wie aus der Ferne geriet "Hör' ich das Liedchen singen". In den Erzählmodus wechselte das Cello mit großer Ruhe in "Aus alten Märchen", und der Ernst im Charakter wich in "Die alten, bösen Lieder" im Verlauf der seligen Erinnerung. Zwei leicht zu entschlüsselnde Zugaben belohnten das Publikum am Ende für seinen großen Applaus.

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